Zur Erholung Schiffchen versenken

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Vierzehn Jahre nach der Unterzeichnung ratifiziert Österreich das Europäische Wasserstraßenabkommen. Umweltschützer befürchten den Ausbau der Donau zu einem „Schifffahrtskanal“. Die Donau hat aber noch andere Charaktereigenschaften, sie steht nicht nur für Verkehr und Wirtschaft, sondern in erster Linie für Erholung.

Fischers Fritz fischt frische Fische. Fritz könnte aber in Zukunft nicht nur frischen Fischen, sondern auch Schiffen begegnen, zumindest auf der Donau. Mit einer Länge von 2845 Kilometern ist sie der zweitlängste Fluss Europas – nach der Wolga. Als natürlicher Verkehrsweg hat die Donau schon immer eine wichtige Rolle gespielt, das wird nun durch das im Juni ratifizierte Europäische Wasserstraßenabkommen einmal mehr unterstrichen. Allerdings war und ist sie nicht nur eine wirtschaftlich nützliche Wasserstraße, sondern auch Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, ein Erholungsgebiet – zudem – für den Menschen.

Dass letzterem Charakterzug der Donau, ihrer Bedeutung als Lebens- und Erholungsraum, zu wenig Aufmerksamkeit gezollt wird, unterstellen vor allem Umweltschützer. Umso lauter wurden deren Proteste, als in diesem Jahr das Europäische Wasserstraßenabkommen wieder auf den Verhandlungstischen der Parlamentarier landete. Bereits im Jahr 1996 war es unterzeichnet worden. Kritiker meinen, das Abkommen sei schon zum Zeitpunkt der Unterzeichnung überholt gewesen und schreibe völlig unrealistische Tiefenwerte für die Donau vor. Um die darin festgesetzten Werte zu erreichen, wären drastische Ausbaumaßnahmen nötig. In manchen Flussabschnitten, beispielsweise in der Wachau und in Hainburg an der Donau, könnten diese Tiefenwerte nur durch Stauungen erreicht werden. Dies ist aber schon allein wegen des angrenzenden Nationalparks Donauauen unvorstellbar.

Symbolträchtig

Claudia Cernohuby, Referentin im Kabinett von Verkehrsministerin Doris Bures, versichert, das Abkommen habe mehr symbolischen Charakter und bekräftige lediglich den Willen Österreichs, das Schiff als umweltfreundliches und zukunftsträchtiges Verkehrsmittel zu fördern. „Völkerrechtliche Verpflichtungen zum Ausbau der Donau lassen sich aus dem Abkommen nicht ableiten“, so Cernohuby. Man sei zwar zur Erhaltung der Wasserstraße verpflichtet, dieser Verpflichtung komme man aber ohnehin bereits nach. Auch die Errichtung zusätzlicher Staustufen entlang der Donau sei völlig ausgeschlossen.

Wolfgang Rehm von der Umweltorganisation VIRUS befürchtet jedoch, dass die Ratifizierung des Schifffahrtsabkommens dazu dienen könnte, umstrittene Projekte unter dem Verweis auf internationale Verpflichtungen zu legitimieren. So ist in dem Papier auch der ursprünglich geplante Donau-Oder-Elbe-Kanal – der erste Entwurf des geplanten Bauprojekts – erwähnt. Kritiker befürchten nun, dass dieses für tot erklärte Projekt wiederbelebt wird. „Unter dieses Vorhaben, das ein ökologisches Desaster und wirtschaftliches Milliardengrab wäre, sollte schon längst ein Schlussstrich gezogen sein“, zeigt sich Reinhold Christian, Präsident des Forums Wissenschaft & Umwelt, erschüttert. „Es ist unverantwortlich, dass Pläne, die zahlreiche geschützte Lebensräume und Arten gefährden würden, gerade im Internationalen Jahr der Biodiversität 2010 wieder ausgegraben werden“, so Christian weiter.

Im Verkehrsministerium sprach man sich jedoch dezidiert gegen den Donau-Oder-Elbe-Kanal aus: „Das ist aus österreichischer Sicht kein Thema und wird auch seitens des Verkehrsministeriums entschieden abgelehnt“, so Cernohuby. Auch eine Verpflichtung zur Realisierung der Urversion des Projektes bestehe mit der Ratifikation des Abkommens nicht.

Steuergelder gehen baden

Der negative Volksentscheid um die Errichtung des Kernkraftwerks Zwentendorf an der Donau im Jahr 1978 sowie die monatelangen Proteste im Winter des Jahres 1984/1985, die das Kraftwerksprojekt in Hainburg an der Donau von einer breiten Bürgerbewegung zu Fall gebracht hatten, begannen Österreich nachhaltig zu verändern: einerseits parteipolitisch, denn der damalige Aufstieg der Grünen hängt maßgeblich mit dem Sturz der Pläne um das Kraftwerk in Hainburg und um jene in Zwentendorf zusammen; andererseits entwickelte sich seit jener Zeit der Umweltschutz über die Parteigrenzen hinweg zu einem zentralen Wert der österreichischen Gesellschaft, auch wenn die Realität vom österreichischen Selbstverständnis als „Umweltmusterland“ deutlich abweicht. Insbesondere die Verfehlung der Kyoto-Ziele führte dieses Gefälle vor Augen.

Heute, 25 Jahre nach Hainburg, laufen Umweltschützer Sturm gegen das sogenannte „Flussbauliche Gesamtprojekt östlich von Wien“. Dieses beinhaltet sowohl Maßnahmen zur Niedrigwasserregulierung für die Schifffahrt als auch zur Stabilisierung der Flusssohle durch die sogenannte „granulometrische Sohlverbesserung“. Darüber hinaus sind Renaturierungsmaßnahmen wie die Gewässervernetzung zwischen künstlich abgetrennten Seitenarmen und dem Hauptstrom sowie der Rückbau artverbauter Flussufer geplant. Heikles Detail: Das Projektgebiet befindet sich mitten im Nationalpark Donauauen. Demnächst soll bei Hainburg ein Naturversuch auf einer Strecke von drei Kilometern durchgeführt werden. Seitens des Projektbetreibers, der staatlichen Via Donau, ist man zuversichtlich, damit im Herbst beginnen zu können.

Ökologische Risiken

An vorderster Front der Projektgegner kämpft Gerhard Heilingbrunner, einst Mitorganisator der Hainburger Au-Besetzung und des Volksbegehrens gegen das damalige Kraftwerksprojekt. Mittlerweile ist er Präsident des Umweltdachverbandes. Laut Heilingbrunner sind zwar Teile des Flussbaulichen Gesamtprojekts aus ökologischer Sicht zu begrüßen. Es stört ihn aber, dass das Projekt als Paket – und daher wenig ausdifferenziert – präsentiert wird: „Der Rückbau der Uferverbauung und die Gewässervernetzung sind sicherlich positiv zu sehen. Der Großteil der Projektinvestitionen entfällt allerdings auf die Regulierungsmaßnahmen und die granulometrische Sohlverbesserung. Auf der Donau gibt es noch keine fundierten Erfahrungen mit letzterem Verfahren, und laut Heilingbrunner birgt die massive Zugabe von grobem Schotter auch erhebliche ökologische Risiken. Alternativen dazu seien seiner Ansicht nach nicht ausreichend geprüft worden. Insgesamt wird der ökonomische Nutzen des Flussbaulichen Gesamtprojekts vom Umweltdachverband infrage gestellt. „Verkehrsministerin Bures wirft für die Frachtschifffahrt auf der Donau, die in den letzten Jahren nahezu in der Bedeutungslosigkeit versunken ist, unser Steuergeld mit beiden Händen in die Donau – alles für mehr als fragwürdige Projekte, die wenig bis gar keinen Nutzen haben und keinen einzigen Lkw von der Straße auf das Schiff bringen“, ist Heilingbrunner erbost.

Die Via Donau, der Betreiber der Wasserstraße, sieht das anders. Im vergangenen Jahr betrug das Transportaufkommen auf dem österreichischen Abschnitt der Donau beinahe zehn Millionen Tonnen. Das entspricht einer täglichen Menge von 1000 voll beladenen Lkws. Und dabei wird die Kapazität der Wasserstraße derzeit nur zu zehn bis 15 Prozent genutzt. Die Donau habe daher als alternativer Verkehrsweg zu Straße und Schiene durchaus eine Zukunft. Das Flussbauliche Gesamtprojekt würde sowohl diesem Interesse Rechnung tragen als auch Verbesserungen aus ökologischer Sicht bringen, ist Via Donau überzeugt. Vor allem die Stabilisierung der Flusssohle sei dringend notwendig, da sich die Donau in den letzten 50 Jahren bereits über einen Meter in den Boden gefressen habe. Das sei auch ein massives Umweltproblem, weil damit der Grundwasserspiegel sinke und die Donauauen vom Austrocknen bedroht seien.

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