Die Kunst der Nächstenliebe - © Polyfilm

Selbstzerstörerisches Engagement

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Mit Agnès Jaoui in der Rolle der Mittfünfzigerin Isabelle steht und fällt Gilles Legrands neuer Film „Die Kunst der Nächs­tenliebe“.

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Mit Agnès Jaoui in der Rolle der Mittfünfzigerin Isabelle steht und fällt Gilles Legrands neuer Film „Die Kunst der Nächs­tenliebe“.

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Bevor die Bilder einsetzen, stimmt schon flotte Musik auf Ton und Tempo von Gilles Legrands fünftem Spielfilm ein. Der Schwung setzt sich mit der dynamischen Handkamera und energischem Schnitt fort. Intensiv vermittelt wird so das Engagement und das druckvolle Agieren der Mittfünfzigerin Isabelle (Agnès Jaoui), die von der Kleidersammelstelle zu einem Obdachlosencamp eilt, wo sie für kos­tenlose Französischkurse wirbt. Die Flyer landen freilich vielfach umgehend in der Feuerstelle: Physische Wärme ist doch immer noch wichtiger als Sprachkenntnisse.

Wenig Zeit bleibt da für ihren Mann Ajdin (Tim Seyfi), den sie in den 1990er Jahren als freiwillige Helferin im Bosnienkrieg kennenlernte, und die beiden Kinder im Teenageralter. Ganz im Gegensatz zu Isabelles sozialer Haltung wird beim Abendessen mit ihrem Bruder und dessen Frau auch Alltagsrassismus sichtbar, wenn er freie Zimmer im Hotel nicht Asylanten zur Verfügung stellen will und seine Frau von der „kleinen Madegassin“, die als Putzfrau arbeitet, spricht. Allzu lange hält sich Legrand damit aber nicht auf, eilt weiter zum Französischkurs, bei dem auch der Rassismus der unterschiedlichen Migranten sichtbar wird, wenn die in Frankreich Aufgenommenen die Meinung vertreten, dass jetzt das Boot voll sei und Frankreich die Grenzen dicht machen müsse. Konkurrenz erhält hier aber auch Isabelle, die nie einen Abschluss als Sprachlehrerin erworben hat, mit einer jungen deutschen Kollegin, die die Schuldgefühle angesichts ihrer Nazi-Vorfahren mit sozialem Einsatz kompensieren will. Um gegen diese beliebte Lehrerin bestehen zu können, steigert sie sich noch mehr in ihr Engagement hinein und merkt nicht, dass ihre Familie dadurch zunehmend zu zerbrechen droht.

Mitreißende Agnès Jaoui

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