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Herzmanovskys Kuriositätenkabinett

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Die Galerie Würthle zeigt ab 16. September einen Teil der Graphik von Herzmanovsky-Orlando nach München, Würzburg, Rom und Klagenfurt wieder in Wien, wo sie seinerzeit nicht die ihr zukommende Beachtung fand. Wenn man sich diese skurril verspielten, bürgerlich grotesken, nur scheinbar niedlichen und naiven Blätter betrachtet, dann wundert es einen kaum, daß Herzmanovsky-Orlandos literarisches und — mit diesem untrennbar verbundenes — graphisches Werk erst in den letzten Jahren die gebührende Aufmerksamkeit und Wertung gefunden hat. Nur allzu leicht ließ sich die Oeffentlichkeit noch zu Lebzeiten dieses Autodidakten von seiner Clownerie und der nur vorgetäuschten Belanglosigkeit und Unabsichtlichkeit seiner Phantasielandschaften und Fabelwesen irreführen.

Herzmanovsky-Orlandos graphisches Oeuvre hat nicht die wuchernde Art der Blätter Kubins, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband; nicht die anklagende Schärfe James Ensors; nicht den bitreren')'Zymsmus eines Gborge" Grosz- obwohl allen-’ SreT- Kiifistlern ! Verwaiidf—Wi;HeTzmhhdvsky- Orlando ist ganz, unverkennbar, eigenwillig und persönlich, vor allem zutiefst österreichisch, in dem Vexierspiegelbild, das er sich von unserer Wirklichkeit zurechtfonnt. Seine Bilder sind in allen Sphären des Komischen angesiedelt. Meist weisen die Titel (zum Beispiel „Vier Horaks fahren zu ihrem guten Kaiser“, „Venus und die Zollzwokel“, „Bei Dianen in die Schule gehend“) schon klar in die Richtung des jeweils Beabsichtigten. Mit sehr spitzem Stift entkleidet der malende Dichter Historisches und Gegenwärtiges, Stile und Kulturlandschaften, Bodenständiges und Fremdes, Helden und Beamte, Künstler und Frauen. Die Zyklen „Erziehungswesen" und „Zeugung einer neuen Gruppe“ machen auch nicht vor dem modernen Kunstbetrieb halt. Manchmal tauchen gespenstisch soziale Fragen auf.

Je länger man vor diesen in Bleistift, mit Vorliebe auf altem, vergilbtem Papier, in Buntstiften oder Tusche ausgeführten Zeichnungen steht, desto stärker tritt das Zwielichtige, das Doppelbödige, hinter dem liebenswürdig Verzerrten hervor. Es tut sich dem Beschauer gleichsam ein unübersehbarer Lustgarten von wohlerzogen Pikantem, volkstümlich Kitschigem, modisch Kunstgewerblichem, verschnörkelt Barockem, pathetisch Theatralischem, üppig Vegetativem auf; ein gefährlicher Lustgarten voller Fallen, der in seiner „unentrinnbaren Folgerichtigkeit etwas höchst Unheimliches“ hat (nach Friedrich Torberg, dem Herausgeber der Gesamtausgabe von Herzmanovsky-Orlandos literarischem Werk im Lan- gen-Müller-Verlag; bisher erschienen: „Der Gaulschreck im Rosennetz“, 1957; „Maskenspiel der Genien“, 1958).

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