Der erste Schritt - illustration - © Illustration: Pija Lindenbaum

Gleiches Recht für alle?

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Die Autorin Verena Weigl über das Kinderbuch der Schwedin Pija Lindenbaum, das zum weiterführenden Philosophieren einlädt.

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Die Autorin Verena Weigl über das Kinderbuch der Schwedin Pija Lindenbaum, das zum weiterführenden Philosophieren einlädt.

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Die renommierte schwedische Bilderbuchkünstlerin Pija Lindenbaum legt ein humorvolles und anregendes Buch vor, das große Fragen berührt, die uns alle von klein auf beschäftigen: Wer darf was entscheiden? Was ist gerecht? Und sie stellt darin erneut den „gesunden Menschenverstand“ von Kindern in den Vordergrund. In einer abgelegenen Siedlung umgeben von hohen Bergen und tiefen Wäldern wohnt eine große Schar Kinder. Vor einer farbprächtig gestalteten Alpinlandschaft wird gespielt und herumgelaufen – es herrscht vermeintliche Harmonie innerhalb des weitläufigen, aber durch einen Kreis begrenzten Areals. Tonangebend in diesem Gefüge ist eine kontrollsüchtige und ordnungsliebende Internatsleiterin, die aussieht wie eine Hündin und „Schäfin“ genannt wird. Jeden Mittwoch verpasst sie allen dieselbe Topffrisur („so muss sich niemand entscheiden“) – und doch werden nicht alle von ihr gleich behandelt. Denn während die Kinder der „Ringelblumen“-Gruppe Bilder malen oder Trampolin springen dürfen, müssen sich die „Primeln“ um den Abwasch kümmern oder Steine schleppen. „Das ist doch ungerecht“, konfrontiert die kindliche Erzählstimme (eine privilegierte „Ringelblume“) eines Tages die „Schäfin“. Die lapidare Antwort der Internatsleiterin: „Ich mag es, wenn es ungerecht ist.“ Was also tun? Gemeinsam unterwandern die Kinder das strikte Regime: Sie tauschen ihre Kutten und verstecken den Haarschneidetopf. Und so kehren nach und nach immer mehr Individualität und Zweifel an der Obrigkeit in die Kommune ein … Unbeschwert und tiefgründig zugleich, in bewundernswert einfacher Sprache erzählt Lindenbaum eine Geschichte, die ein weites Feld an Deutungen aufmacht: So kann das Ganze als Anlehnung an eine Machtdemonstration am Spielplatz gesehen werden, in der ein großes Kind sich als Bestimmer aufspielt, bis alle anderen am Ende das Weite suchen. Aber genauso ist eine gesellschaftspolitische Deutung möglich: von der Beschreibung einer Diktatur über die Verführungskraft von Sekten, stille Rebellion bis hin zur Ungerechtigkeit der gesamten Weltordnung oder Bevorzugung durch Geburtsprivilegien. Potenzial für weiterführende philosophische Gespräche ist jedenfalls vorhanden. Am Ende bedarf es einer mutigen Grenzüberschreitung, um die Welt zum hoffentlich Guten zu verändern.

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