Brot - © Foto: Pixabay

Der Roman, der einen Nobody zum Star machte

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Über "Hunger", Knut Hamsuns Meisterwerk.

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Über "Hunger", Knut Hamsuns Meisterwerk.

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„Sehr pessimistisch. Keine kleinste Herzlichkeit wird simuliert.“ Gabriele Wohmann versuchte mit solch deprimierenden Worten dem Publikum einen Roman nahezubringen, der laut Redaktion der Wochenzeitung Die Zeit zu den hundert Büchern der Weltliteratur zählt. Sie muss eine andere Wahrnehmung haben als Astrid Lindgren, die in jungen Jahren nahezu in Verzückung geriert über der Lektüre ebendieses Romans, den sie als „hinreißend lustiges Buch über den Hunger“ auffasste. Das weiß Felicitas Hoppe im Nachwort der Neuübersetzung von Knut Hamsuns Meisterwerk (das ist nicht zu hoch gegriffen) „Hunger“ zu berichten.

Tatsächlich ist bei all dieser Finsternis, in der ein hoffnungsloser Kerl gefangen ist, Komik spürbar, wenn er sich trotz aller Demütigungen, die ihm widerfahren, selbst etwas vormacht und ihn somit lächerlich aussehen lässt. Der Kontrast zwischen Wirklichkeit und Selbstüberschätzung ist gravierend. Mit 31 Jahren erfuhr Knut Hamsun seinen Durchbruch als Schriftsteller mit diesem Roman, dem sofort höchste Bewunderung zuteil wurde. 1890 erschienen, kam im selben Jahr schon die deutsche Übersetzung heraus. Aus dem Stand war der Verfasser eine einflussreiche Gestalt in Norwegen, dessen Wort Gewicht hatte.

Das war nicht zu erwarten, denn hält man sich an den Text, liest man von einem jungen Mann mit erfolglos bleibenden Ambitionen als Schriftsteller. Das ist weitgehend autobiografisch zu nehmen. Der Ich-Erzähler bringt keinen Fuß auf den Boden, streunt durch die Straßen von Kristiania, dem heutigen Oslo, in der Hoffnung, über den Tag zu kommen. Essen ist Mangelware, zeitweise ist er obdachlos, die Stimmung ist düster, er wird getreten und niedergemacht. Dabei sind die Ansprüche an das eigene Ich nicht gering, und so darf er vor allem vor sich selbst nicht zugeben, wie miserabel es ihm geht.

Was Hamsun vorher geschrieben hatte, fand kaum Beachtung, doch nun galt er mit einem Schlag als Erneuerer der Literatur nicht nur Norwegens. Die Bewusstseinsstrom-Technik erlaubt direkt in das Innerste einer Figur zu schlüpfen, hat sie vor sich selbst doch nichts zu verbergen. Das bringt drastische Szenen eines wütenden Mannes hervor, der einen Kampf mit der Welt ausficht. In späteren Ausgaben wird deshalb harmonisierend eingegriffen. Erfreulich, dass sich der Übersetzer Ulrich Sonnenberg, auf den man sich erfahrungsgemäß verlassen darf, an die Erstausgabe hält.

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