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Hinter den Wahlkampfkulissen: Wie Barack Obama medial präsentiert wurde, und warum er in Berlin so strahlend aussah.

Im Fernsehen und auf den Fotos wirkte alles sehr lässig: Da kommt der Mann, der dabei ist, Geschichte zu schreiben, mit legerem Gang hinter der Siegessäule in Berlin hervor, ganz allein, ohne Security, Berater oder Polizei. Auf dem Weg zum Rednerpult wiederholt er mehrfach die Geste, die man als Politiker zuallererst lernt: Er winkt in die Menge, und sein Blick bleibt dabei so diffus, dass jeder in der nun planmäßig jubelnden Menge glaubt, Obama hat ihn persönlich angeschaut. Er setzt zur Rede an und glänzt dabei im Abendlicht der untergehenden Sonne. 20 Minuten zitiert Obama Berliner Geschichte und zieht sie als Lösungsmuster für die Probleme dieser Welt heran. Luftbrücke, Teilung, Einreißen von Mauern.

Perfekte Inszenierung …

Dennoch: Die Rede des demokratischen US-Präsidentschaftskandidaten war keinesfalls visionär, sondern belanglos und oberflächlich. Aber das passt zum Bild der Amerikaner, die Politik auch als unterhaltsame Show verstehen. Nicht umsonst spielten schon Stunden vor Obamas Berlin-Auftritt Rockbands wie "Reamonn" auf der Bühne. Es gab Würstel, Bier und Obama-Buttons zum Anstecken. Volksfeststimmung unter dem Banner des Wahlspruchs "Yes, We Can!".

Was im Hintergrund dieser Megashow ablief, zeigt, wie weit her es mit der beschriebenen Lässigkeit wirklich ist. Nichts wurde dem Zufall überlassen. Obamas Auftritt wurde von 3000 Einsatzkräften überwacht. Scharfschützen waren postiert und ein Hubschrauber kreiste über dem Gelände. Als Medienvertreter musste man sich bereits im Vorfeld auf der Obama-Website akkreditieren: Man konnte wählen zwischen einem Standplatz auf dem Podium, im mit Heurigentischen bestückten Arbeitsbereich oder einem seitlichen Aufbau, der Fotografen Obama-Profilaufnahmen ermöglichen sollte. Mit der Masse als Deko-Hintergrund. TV-Anstalten hatten genaue Richtlinien für Aufbau und Ausrichtung der Kameras. Die Akkreditierungsanfragen wurden von Obamas Team geprüft, und erst am Tag vor dem Event wurden Zu- oder Absagen ausgeschickt.

Beim Check-in für die Presse mussten lange Wartezeiten in Kauf genommen werden. Jeder Akkreditierte bekam eine "Change We Can Believe In"-Plakette, die man am Gelände zu tragen hatte. Vor dem Einlass der Hochsicherheits-Check mit Durchsuchen der Taschen und Metalldetektor. Videokameras mussten vor den Augen der Security eingeschaltet werden, um auszuschließen, dass es sich um Bomben handelte. Von meiner mitgebrachten Wasserflasche musste ich am Eingang einen Schluck nehmen, um zu zeigen, dass es sich dabei nicht um flüssigen Sprengstoff, sondern um Mineralwasser für natriumarme Ernährung handelte.

Die Inszenierung am Gelände wurde ebenso minutiös durchdacht wie die Sicherheitskontrollen. Die Presse und die Fotografen wurden zirka 18 Meter vor dem Rednerpult postiert. Davor ließ man noch einige Tausend gut gefilzter Obama-Fans aufmarschieren, damit auf allen Fotos im Vordergrund ausreichend Fans zu sehen sind. Das Rednerpult war nicht frontal auf die Straße des 17. Juni gerichtet, sondern leicht schräg auf die seitlich positionierte TV-Bühne, um optimale Bilder zu gewährleisten. Dass dadurch das Publikum weiter hinten von Obama gar nichts sah, glich man durch zwei Vidiwalls aus. Obamas Standpunkt war so gewählt, dass die untergehende Sonne zum Zeitpunkt seiner Rede von schräg hinten auf sein Haupt schien.

… mit Heiligenschein

Was anfangs von den Fotografen noch als Farce empfunden wurde ("Obama steht ja im Gegenlicht, da werden die Fotos nichts") entpuppte sich während der Rede als genial ausgemessenes, bildgestalterisches Element: Obama erschien 20 Minuten zu spät, und die Sonne streifte seinen Kopf mit warmem Licht, was ihm den leichten Glanz eines Heiligenscheins brachte. Wer die Bilder im TV gesehen hat, war begeistert, dass Obamas Lächeln sogar die Sonne zum Strahlen brachte.

Dass die Inhalte der Rede ("Krieg beenden, Truppen abziehen, die Wände dieser Welt einreißen") dabei wie die wohligen Botschaften eines Messias klingen, ergänzte das Bild des Heilbringers Barack Obama. Großer Jubel, als Obama am Ende, wie ein Popstar, in die Massen herabstieg und Autogramme gab. Freilich nur in jenem Sektor, der zuvor von 1000 Polizisten und der Security überprüft worden war. Obama strahlte und fühlte sich sicher, denn auf die Macher seiner Medienshow kann er sich verlassen. Auf den Fotos bei diesem Bad in der Menge waren jedenfalls keine verdächtigen Wasserflaschen zu sehen.

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