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Das faule Spiel mit Asylanten

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Das Sandholm-Lager nördlich von Kopenhagen, in dem jahrzehntelang Dänemarks Armee ihre Elitetruppen drillte, dient seit kurzem als Auffangstätte für Flüchtlinge. 800 Asylbewerbern gibt das weiträumige Lager Platz. Das Rote Kreuz hoffte, mit Inbetriebnahme der neuen Räume die ärgsten Probleme bei der Unterbringung der nach Dänemark geflüchteten Menschen zu überwinden: zuvor hatte man die Asylbewerber auch schon in Zeltlager und Schiffe, die im Kopenhagener Hafen vor Anker lagen, gepfercht.

Doch nur wenige Wochen nach der Eröffnung steht das Sand-

holm-Lager leer. Nicht einmal hundert Flüchtlinge warten in dem Gebäudekomplex auf die Erledigung ihres Asylgesuches, und die Rot-Kreuz-Mitarbeiter, die auf Sandholm die Flüchtlinge betreuen sollten, werden mangels Beschäftigung anderen Aufgaben zugeführt. Die Flüchtlinge kommen nicht mehr. Die Grenze ist zu.

Eine unformelle Ubereinkunft zwischen den Regierungen Schwedens und Dänemarks sowie jener der DDR hat dem sogenannten „Flüchtlingsstrom" nach Skandinavien einen Riegel vorgeschoben. Im Vorjahr waren fast 15.000 Flüchtlinge über die DDR nach Dänemark und Schweden weitergereist und hatten dort um Asyl angesucht.

Seit Weihnachten ist kein einziger mehr gekommen. Hin und wieder schaffen Menschen aus dem Nahen und Mittleren Osten auf anderen Wegen die Flucht in den Norden. Doch bisher hat Dänemark in diesem Jahr nur gerade ein paar Dutzend Asylbewerber registriert. Mit zumindest 500 hätte man nach den Erfahrungen des Vorjahres rechnen müssen.

8000 Asylanten haben im Vorjahr in Dänemark um Aufnahme gebeten, 12.000 in Schweden. Zu viel, meinten die beiden Länder.

Dann sandte Ministerpräsident Olof Palme seinen Sonderbotschafter Anders Thunborg zu DDR-Staatschef Honecker. Und die DDR zeigte plötzlich „Verständnis": seit Weihnachten lassen die DDR-Behörden nur noch Reisende aus dem Nahen und Mittleren Osten sowie aus Südostasien nach Skandinavien durch, wenn sie im Besitz eines gültigen Einreisevisums sind. Flüchtlinge pflegen solche Papiere nicht zu besitzen.

Die Grenze ist zu. „Das ist eine ausgezeichnete Regelung", lobt Schwedens Einwandererministerin Anita Gradin das Abkommen mit der DDR. Doch Flüchtlinge bleiben Flüchtlinge, auch wenn Dänemark und Schweden sie nicht mehr sehen wollen. Vage sprechen die Regierungen von „internationalen Lösungen", die man brauche, um Flüchtlingsprobleme zu lösen. Sie beruhigen ihr schlechtes Gewissen, indem sie unverpflichtend in Aussicht stellen, später einmal größere Quoten von Flüchtlingen aus den Lagern der Vereinten Nationen zu übernehmen.

Die Flüchtlinge aber kaufen weiterhin Flugtickets nach Ostberlin. Dort erst erfahren sie, daß die Weiterreise nach Norden nicht möglich ist. Haben sie Glück, dann weist man ihnen den Weg zur U-Bahn und nach Westberlin.

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