6915669-1981_25_12.jpg
Digital In Arbeit

Doch vollendet

Werbung
Werbung
Werbung

(Jose’fstadt, Wien; „Zug der Schatten“ von Arthur Schnitzler) Dieses Stück wurde erst vor zehn Jahren uraufgeführt, 40 Jahre nach dem Tod des Autors. Er selbst hielt es für unvollendet.

In den letzten Szenen scheinen Figuren von Schnitzler nicht wie Figuren von Schnitzler zu reden. Sie irritieren eine auf Schnitzlers Sprache festgelegte Erwartungshaltung. Michael Kehlmann findet zu einem interessanten Verständnis dieser Szenen: Er läßt Schnitzlers „Zug der Schatten“ fast so enden, wie ein Stück von Horväth, mit Anklängen an seine eigenen frühen Wiener Horvath-Inszenierungen.

Die junge Schauspielerin Franzi Friesei ist tot. Die Überlebenden ar- 1 rangieren sich. Alles, was sie sagen, ist doppelbödig, kann ebensogut als Ausdruck echter Erschütterung verstanden werden wie als Versuch, vor den anderen gut abzuschneiden.

In den Selbstbezichtigungen des Schuldigen schwingt das Balzen vor der anwesenden Braut mit. Sie wiederum sammelt mit Trostworten Gutpunkte. Auch so kann der Schluß dieses großartigen, durchaus vollendeten Stücks verstanden werden.

Kehlmann hat den Bruch, an dem der „Zug“ zu kranken schien, nicht verkleistert, und damit diesem Stück hoffentlich den Platz verschafft, der ihm gebührt.

In dem Großaufgebot von Darstellern fällt niemand ab. Birgit Doll (Franzi): Jede Geste, jeder Unterton wirkt gelebt und nicht gespielt. Eugen Stark ist ein überzeugender Schuft aus Schwäche, Harald Harth ein sehr sympathischer Dichter in Schnitzler-Maske, Lachen und Weinen tanzen in dieser Inszenierung, wie es sich gehört, einen Pas de deux.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung