Convenience hausgemacht

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Vor einigen Jahren hatte ich ein aufschlussreiches Gespräch über den Mohr im Hemd. (Nein, nicht über die Bezeichnung, sondern über die Sache, nicht über das Hemd, sondern über die Substanz.) Eine Wirts tochter erklärte mir, dass etwa neunzig Prozent der beliebten Nachspeise, wie sie in Gasthäusern angeboten wird, nicht hausgemacht sind, sondern industriell vorgefertigt. Beliebt ist der Mohr im Hemd auch bei den Gastronomen, weil er, billigst im Einkauf, eine fette Marge garantiert. Seither frage ich immer nach und sehe meistens von einer Bestellung ab. Wie ich der TV-Dokumentation „Frisch auf den Tisch“ entnommen habe, ist es in deutschen (und wohl auch österreichischen) Lokalen freilich gang und gäbe, mit Convenience-Produkten zu kochen, ohne das auf der Speisekarte auszuweisen oder auf Nachfrage zuzugeben. Auch in der gehobenen, ja Spitzen-Gastronomie. Eine Sauce hollandaise darf zum Beispiel nur so heißen, wenn darin Butter enthalten ist, das ist den meisten aber wurscht.
Wer heute ausgeht, um einmal der eigenen Convenience-Küche zu entgehen, bekommt also im Gasthaus genau diese vorgesetzt, maskiert durch liebevolle Garnierung. Convenience heißt Bequemlichkeit, und hier ist Bequemlichkeit Betrug am Gast. Wäre das nicht ein sinnvolles Betätigungsfeld für die EU-Bestimmer? Der Ausflug in die Welt der Fertigsaucen, Fertigkartoffelgratins, ja sogar Fertigspiegeleier führte schließlich zu einem österreichischen Produzenten von Fertigschnitzeln. Der Mann, der sie tonnenweise in Rumänien herstellen lässt und stolz auf die eine frische Zubereitung täuschend echt imitierende Blasenbildung in der Panier ist, griff früher als Wirt ebenfalls zu derartigen Produkten. Und wenn jemand nachgefragt hätte? „Dann hätte ich gesagt: hausgemacht. Weil es ist ja in irgendeinem Haus gemacht worden.“ Herzliches Lachen.

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