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Kollektive Verdrängung

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Es mußten offenbar vier Roma verbluten, bis die Probleme dieser Volksgruppe endlich ernstgenommen werden. In tiefer Betroffenheit demonstrierte man zunächst Einigkeit, im Parlament und beim Gottesdienst in Oberwart. Beginn einer Gesinnungsänderung?

Es wäre nicht Osterreich, wenn nicht sofort die Schwerpunkte verschoben worden wären. Statt das Problem von seiner Wurzel aufzuarbeiten, begann eine polemische Kritik an Nebenumständen. Die Exekutive wurde schwer beschuldigt die Bischöfe (hier in der FTJRCfffi) angeklagt, sie hätten „zum Leiden ihrer Lämmer” geschwiegen.

Vollends die Bühne der Öffentlichkeit hat Meisterregisseur Cllaus Peymann für sich erobert, als er das „offizielle Österreich” beschimpfte und die kirchliche Totenliturgie als „im Grande herzlos” abqualifizierte. Von da an beschäftigten sich die Medien fast nur mehr mit der kabarettreifen Kontroverse Hesoun contra Peymann und mit solchen, die dabei auch noch eine Rolle spielen wollten.

Über vordergründigen Streit läßt sich unterhaltsamer berichten, als über den „Seelenzustand” der Gesellschaft. Andere zu beschuldigen erspart sein eigenes Gewissen zu erforschen.

Liegt die tiefste Wurzel solcher Gewalttaten nicht in einem durchaus „gesellschaftsfähigen” Fremdenhaß? Einmal waren sein Ziel die Juden, dann Zigeuner, Sintis, Roma, heute Flüchtlinge und Asylanten. Es wird nach mehr Gesetzen zum Schutz vor ihnen, als solchen zur Besserang ihrer Lebenslage gerufen.

Wieviele kümmert schon wie „Fremde” leben, wie sie ihren Lebensunterhalt verdienen, wie sich ihre (oft zahlreichen) Kinder integrieren können? Wo liegt der Nährboden, in dem Rechtsradikalismus heute wieder wachsen kann? In einer oft anmaßenden Überheblichkeit, in Verachtung anderer? Im Ruf nach mehr „Gesetz und Ordnung”, um selbst in seiner „Ruhe” nicht gestört zu werden? In der Vernachlässigung der Erziehung von Jugendlichen, die „wohlhabend”, aber seelisch verwahrlost heranwachsen? In einem allgemeinen Schwinden von Solidarität, sodaß unter Allernächsten immer mehr zu „Fremden” werden?

Der Schock von Oberwart hätte zu heilsamer Besinnung führen können. Wer immer dann die Diskussion umlenkte, trägt Mitschuld an einer, leider vielen willkommenen, Verdrängung des eigentlichen Problems.

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