Hoffen lernen

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Ich liebe es unendlich tief, wenn Menschen vor dem Wort knien - und nicht vor irgendeinem eigenen Bild des Menschen - als dem Allerheiligsten.

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Ich liebe es unendlich tief, wenn Menschen vor dem Wort knien - und nicht vor irgendeinem eigenen Bild des Menschen - als dem Allerheiligsten.

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Ich bin in eine Ballettaufführung gegangen. In das „Blue Monday Strip“-Ballett der Schreibmaschinen von Rebecca Horn. Die für sich so ganz alleine tippenden Geräte sind die Schau einer fabrizierten Schönheit des Vorhandenen. Sie hängen an der Wand und tippen ins Leere. Aus der Leere. Niemand denkt den Text, niemand hat ein Papier eingespannt. Eine Menschenleere ist vor Augen. Das Nicht-Schriftstück aus dem Jahr 1993 passt gut in die Jetztzeit. Die Menschen fehlen ja nicht nur hier in der Installation einer schlechthinnigen Wirklichkeit, die Frage aufwerfend: Wenn die Menschen fehlen, wird die Hoffnung größer, wird sie kleiner?

Das Leben ist eine Offenbarung, denke ich schon die ganze Zeit. Das ist kein Satz aus dem Nichts, sondern aus der Hoffnung, ohne die eine/r nicht leben kann, wie eine Frau – man kann sie vor ihrer Schreibmaschine inneren Auges sehen – dies wusste. „Ich möchte weg sein, eigentlich nie dagewesen sein“, tippt sie einmal in die Maschine, als wäre es die Menschheitsmaschinierie. Das tippt sich so durch bis heute ohne ein Durchschlagpapier. Es weht todsicher frei durch die Lüfte. Und doch sagt Ilse Aichinger, dass ihre gefundene Hoffnung so stark war gerade nach der Hinrichtung der Geschwister Scholl. In das tiefste Verfehlen des Menschen schreibt sie das Manifest von dem, was immer vor uns liegt. Vor sich im Sinne von IN SICH. So hoffen lernen aus den Leeren!

Ich liebe es unendlich tief, wenn Menschen vor dem Wort knien - und nicht vor irgendeinem eigenen Bild des Menschen - als dem Allerheiligsten. Dies ist die Hoffnung des Protestantismus, die er leben kann: Gemeinsam knien vor dem Wort. Und dann gehen in die critical zones (Latour). Glauben als Elevation des Gotteswortes und der Menschen und ein Liebesweg werden, als ein hoffendes WIR in die Welt.

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