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Ich hätte keine ruhige Minute ...

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Ein Kind im Krankenhaus — der Alptraum aller Eltern! Was empfinden Eltern, die ihr Kind im Spital zur Operation abliefern, so wie man ein Auto zur Reparatur abgibt? Was empfindet ein Kind, das in einer fremden, sterilen Atmosphäre von Vater und Mutter allein gelassen wird, um nach ein paar Stunden mit Schmerzen vom Schlaf zu erwachen?

Sich darüber Gedanken zu machen, wenn es soweit ist, ist zu spät. Ebenso wie darauf zu warten, daß unser „Sozialstaat" Kinderspitäler errichtet, in denen genügend Mutter-Kind-Zimmer vorhanden sind. Es ist wohl eine Illusion zu glauben, daß unser de-

fizitäres Sozialversicherungsnetz auch derartige Lücken wird schließen können. Die Privatversicherung aber kann.

Diese und ähnliche Überlegungen haben mein Mann und ich schon oft angestellt — nämlich jedesmal, wenn wieder eine Prämienerhöhung unserer Privat-Krankenzusatzversicherung ins Haus stand. Und jedesmal kamen wir zu dem Schluß, daß wir es unseren Kindern nicht zumuten wollen, eine schmerzhafte physische Erfahrung noch durch einen psychischen Schock zu verstärken.

Also schränken wir uns eben woanders ein: Beim Winterurlaub, ich bin nicht nach der neuesten Mode gekleidet, und den langersehnten Farbfernseher kauften wir uns erst vorige Woche.

Auch unseren Kindern müssen wir einige Wünsche versagen, und auch sie sind bereit, auf funkgesteuerte Autos, BMX-Räder und dergleichen zu verzichten, wenn wir ihnen die Alternative „Spielzeug oder alleine ins Spital" stellen. Denn sie haben bereits ihre

positive Erfahrung mit der Zusatzversicherung gemacht, und, so klein sie auch sind, deren Sinn erfaßt.

Dreimal waren sie bereits im Spital, aber nie auch nur eine Sekunde allein. Als meine Tochter zu ihrer ersten Operation — es mußten ihr mit noch nicht einmal drei Jahren die Mandeln entfernt werden - ins Krankenhaus kam, konnten mein Mann und ich sie begleiten.

Mit der Zusatzversicherung war es sogar möglich, bereits am Vorabend der Operation das Krankenzimmer zu beziehen, so-daß die Kleine mit der neuen Umgebung „schmerzfrei" vertraut werden konnte. Mein Mann blieb dann bis zur Operation am nächsten Morgen bei ihr — als „hysterische" Mutter hatte ich mich zurückgezogen, aus Angst, das Kind mit meiner Sorge und Unruhe anzustecken.

Denn zum Glück kann jedes bei derselben Anstalt versicherte Familienmitglied beim Kind bleiben. Es ist bestimmt nicht lustig, ein frischoperiertes Kind zu betreuen, das noch zu klein ist, um den Sinn und Grund seiner Schmerzen" zu verstehen — diese Erfahrung durfte ich bald machen, als ich meinen Mann nach der Operation ablöste. Sicherlich ist es bequemer, das Kind erst ein paar Tage später, gesund und fröhlich, in die Arme zu schließen.

aber ich bezweifle, ob es wirklich angenehmer ist. Ich hätte wohl keine ruhige Minute gehabt.

Als meine Tochter Blinddarm operiert wurde, war die Familie ohnehin fast nur nachts getrennt. Sooft sie konnten, kamen mein Mann und mein Sohn uns besuchen (Privatpatient sein heißt ja auch, keinen geregelten Besuchszeiten unterworfen zu sein), und das Lachen, das aus unserem Zimmer drang (und das meiner

Tochter oft Schmerzen bereitete), lockte oft auch andere Kinder an, die zu Besuch in der Klinik waren.

So verging die eine Woche, die wir im Krankenhaus bleiben mußten, wie im Fluge, und wenn meine Tochter von ihrer Operation erzählt (sie ist heute acht, damals war sie fünfeinhalb Jahre alt), so weiß sie noch vieles — bloß den Schmerz kann sie nicht mehr schildern.

Ebenso hat unser Sohn keiner-

lei negative Erinnerung an seinen Spitalsaufenthalt anläßlich seiner Mandeloperation; auch einer eventuellen Blinddarmope^ation sieht er gelassen entgegen: er weiß ja, aus den Erfahrungen mit seiner Schwester, daß er mehr oder weniger im Schoß der Familie bleibt. Er hat sich, nur so nebenbei, für den Fall des Falles, schon jetzt „auch so eine Hetz" ausbedungen.

Nein, die Privat-Krankenversi-cherung werden wir, solange wir sie irgendwie bezahlen können, sicher nicht aufgeben. Ich hatte sie schon, als ich noch unverheiratet war und gar keine Veranlassung bestand, an Krankheit zu denken. Und doch — knapp vier Monate nach Abschluß der Versicherung landete ich im Spital, in einem Bett, das ich mit der gewöhnlichen Sozialversicherung sicher nicht bekommen hätte, oder wenn, dann wohl nicht so rasch. Erstmals konnte ich die Erfahrung machen, daß sogar ein Krankenhausaufenthalt angenehm sein kann.

Als ich dann heiratete, überredete ich sofort meinen Mann, sich der Versicherung anzuschließen, und auch er konnte bald davon „profitieren".

Zwei Spitalsaufenthalte, zwei Geburten, drei Operationen von Kindern — wir haben wohl leicht reden, da wir unsere Prämien längst wieder „herinnen" haben? Sicherlich, in diesem Sinne haben wir unser Geld gut angelegt. Aber, wenn man von den beiden Geburten absieht, hätte ich auf alle anderen Versicherungsfälle verzichten können. Ich habe auch noch nie jemanden getroffen, der es bedauerte, noch keinen Autounfall gehabt zu haben, um so seine Kas-koprämie nicht zu verlieren. Ist die eigene Gesundheit denn weniger wichtig?

Die Autorin ist freie Journalistin.

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