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Licht und Schatten im 50. Pahlewi-Jahr

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Laut eigenen Angaben hat Schah Mohammed Reza 1971 für die pompösen Feiern in der großartigen Ruinenstadt Persepolis hundert Millionen Dollar ausgegeben. Damals beging er mit hohen Staatsgästen aus allen Kontinenten das 2500jährige Jubiläum des persischen Imperiums. Weit geringer sind nun die Kosten für das „goldene” fünfzigste Jahr der Pahlewi-Dynastie, das am 25. April 1977 zu Ende gehen wird. Anläßlich dieses Jubiläums amnestierte Mohammed Reza, vom Volk „König der Könige” und „Licht der Arier” tituliert, soeben 282 politische Gefangene.

Welche Veränderungen hat die Ära Pahlewi im mittelöstlichen Kaiserreich während des letzten halben Jahrhunderts gebracht? Schon Reza, der alte Schah, verschaffte diesem lange verachteten und ausgepoverten Staat wieder internationales Ansehen. Mit seinem-Namen verbindet sichmne gewisse Nostalgie, wie sie die Iraner gern ehemaligen Machthabern entgegenbringen, sobald sie keine Macht mehr ausüben oder gar tragisch endeten. Vergessen sind der wahrlich eiserne Besen, die Leichtfertigkeit, mit der der einstige Eseltreiber, der erst als Dreißigjähriger Lesen und Schreiben lernte, Todesurteile Unterzeichnete, vergessen die von ihm durchgeführte Ausrottung halber und ganzer Stämme, vergessen seine gefürchteten Zomesausbrüche.

Sein größtes Verdienst war es, daß er dank geschicktem Gegeneinander- ausspielen Briten und Russen als eigentliche politische und militärische Machthaber des bislang in eine britische und eine russische Interessensphäre geteilten Reiches loswurde.

Nach französischem Modell reformierte der viermal verheiratete Moslem Reza das rückständige Schulwesen. Religiöse Minderheiten, darunter die Juden, wurden endlich vom Joch diffamierender Sondergesetze befreit und genossen eine dankbar willkommengeheißene Toleranz. Aus den internationalen Ölkonzernen holte der Schah für Persien ungleich mehr heraus als das die Kadscharen-Dynastie, die er davongejagt hatte, je zuwege gebracht hatte. Infolgedessen machte die Wirtschaft erste beachtliche Fortschritte.

Während des Zweiten Weltkrieges zerbarst diese ganze Herrlichkeit. Entgegen dem Rat des damals schon pragmatisch denkenden Kronprinzen wollte Reza die ultimativen Forderungen der B riten und Sowjets nicht erfüllen: die Ausweisung von 5000 deutschen Experten und die freie Benutzung der trans-iranischen Eisenbahn durch die Alliierten. Britische und sowjetische Truppen. , besetzten daraufhin wieder den Iran.

Am 17. September 1941 dankte der Schah zugunsten seines Sohnes Mohammed Reza ab. Noch am selben Tag ging er ins Exil und hinterließ Hoffnungslosigkeit und Chaos. Der Aufstieg des im Schweizer Internat „Le Rosex” erzogenen Sohnes wurde jedoch zu einem einzigartigen historischen - und dazu noch wahren - Erfolgsroman. Mohammed Rėzas nicht ganz unblutige Weiße Revolution von oben brachte als ihr Kernstück die Enteignung der feudalistischen Großgrundbesitzer zuwege, der bis dahin ernsthaftesten Gefahr für die Dynastie, wesentlich ernsthafter als die kommunistische Tudeh-Partei.

Wenn der Schah sein Kronland an die Pächterfamilien verteilte, entäu- ßerte er sich zugleich einer peinlichen Hinterlassenschaft. Sein kaiserlicher

Vater hatte sich nämlich mit allem bereichert, was ihm lohnend erschien.

Trumpfkarte des Kaisers war seine Ölpolitik. Einem Konsortium westlicher Konzerne übertrug er die Entwicklung der von ihm verstaatlichten Ölfelder und den Verkauf des Schwarzen Goldes. Im Gegensatz zur arabischen Konkurrenz hat es der Monarch nie als politische Waffe mißbraucht. Desto maßloser verhielt sich das „Licht der Arier” in der Preisfrage.

Weil Mohammed Reza weiß, daß das Schwarze Gold seines Reiches in zwei, bestenfalls drei Jahrzehnten versiegt sein wird, ist er hektisch um die richtige Ausnutzung dieser verhältnismäßig knappen Frist bemüht, „denn wir können doch nicht wieder nur Ziegen hüten!” Weltweit beteiligt sich der Iran an Industrieunternehmen, etwa in der Größenordnung von Krupp. Tempo und Vielfalt der eigenen Industrialisierung rechtfertigt bis zu einem gewissen Grade die Bezeichnung „Japan Westasiens”. Allerdings wird die Investitionsfreude ausländischen Kapitals dadurch gedämpft, daß, entsprechend einer Verfügung des Königs der Könige, 49 Prozent der Aktien privater Betriebe vorzugsweise an die Belegschaft, dann an Bauern und endlich an die übrige Bevölkerung abgezweigt werden müssen.

Die Iraner sind nicht mehr zu neunzig, aber doch immer noch zu fünfzig Prozent Analphabeten. Mit drakonischen Maßnahmen will der Schah die Korruption, ein nationales Grundübel, ausrotten. Die Streitkräfte, sein Lieblingsspielzeug, sollen bereits die größten in Asien sein.

Trotz Druck und Verführung kehrt ein großer Teil der an fremden Universitäten studierender Iraner nicht zurück. Nur wenige junge Mediziner lassen sich in den primitiven Landbezirken der Heimat nieder. Viele Söhne wohlhabender Familien - und unter Mohammed Reza hat sich neben den alten Nabobs ein solider neuer Mittelstand gebildet - wollen auch wegen des politischen Klimas nicht heimkehren. Sie schreckt das Einpartei-Regime des Kaisers, der sich gern mit Kyros und Darius vergleichen läßt.

Ausschließlich „von den weisen Entscheidungen Seiner Majestät”, wie die übliche Formel lautet, hängt es ab, wer eine hohe Funktion bekleiden darf uncbwersie-überNaeht ohne-Warnung verliert. Schon eine noch so verschleierte Kritik, ein falscher Zungenschlag, kann Ungnade heraufbeschwören. Unfähigkeit führt ebenso zum Sturz wie eine Uberdosis an Popularität. Des Schahs Augen und Ohren, wahrscheinlich über 50.000 Agenten des wegen seiner Methoden gefürchteten Geheimdienstes SAWAK, üben eine fast lückenlose Kontrolle aus, die auch im Ausland lebende und studierende Iraner erfaßt.

Fünfzig Jahre Pahlewi-Dynastie. Es gibt viel Licht, viel Schatten und manche Spekulation über die Lebensdauer des Schah. Wenn sich aber der Pah- lewi-Iran zum stabilsten Land dieser vitalen Region entwickeln konnte, so ist das für die westliche Welt, trotz aller negativen Seiten, ein Faktor von unschätzbarem Wert.

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