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Hat der Bundeskanzler tatsächlich zu Sylvester Kartoffelcremesuppe mit Trüffeln und Zander mit Basilikum gekocht? Oder hat er das Menü nur bestellt und aufgewärmt? Hat bloß sein Werbeberater den Fotografen angerufen und die Meldung über die APA-Schirme geschickt, oder kam die Idee von jener Agentur, die zur Zeit im Auftrag des Frauenministeriums zehn Millionen Schilling dafür verwenden darf, halbe zu ganzen Männern zu machen?

Eine gutbezahlte Werbestrategie stand sicher hinter dieser ersten home-story des Jahres, die gezielt von den wenig erfreulichen Details der Kanzlerarbeit wie Sparpaket und Koalitionsgezänk ablenken sollte. Denn die Werbeberater sind längst zu den wichtigsten Menschen im politischen Geschehen geworden: Erst fragen sie uns, was wir hören wollen, und dann teilen sie die Politikerbotschaften in die von uns gewünschten kulinarischen Häppchen zum gefälligen medialen Verzehr. In ihren Umfragen haben sie herausgefunden, daß nicht Parteiprogramme und Parlamentsbeschlüsse unsere Hand zum entscheidenden Kreuzchen führen, sondern immer öfter „aus dem Bauch“ gewählt wird: Sympathie vor Kompetenz. Und deshalb erfahren wir via Medien, daß Franz Vranitzky eigenhändig einen Zander ins Backrohr schieben kann, Wolfgang Schüssel auf Schiern ganz gute Figur macht, daß Jörg Haider neuerdings italienische Modedesigner bevorzugt, wo Heide Schmidt ihre Perlenketten kauft und wie Madeleine Petrovic ihre Idealfigur hält. Details, die uns in der Einsamkeit der kahlen Wahlzelle blitzartig einfallen und uns den Weg aus der politischen Verwirrung weisen sollen.

Bert Brecht beschreibt in einer erst kürzlich aufgetauchten Erzählung, daß der junge, eher linkische Hitler beim „heroisch gestikulierenden“ Schauspieler Fritz Basil Sprechunterricht nahm und lernte, wie er wichtig erscheinen könne. Brecht wunderte sich wenig später über den überzeugenden Ton in Hitlers - für aufmerksame Zuhörer völlig wirren - Beden und bescheinigte ihm bitter: „Die acht Mark, die er Basil pro Stunde gezahlt hatte, waren gut angelegt“. Wir, die wir unseren Eltern nicht verziehen haben, daß sie damals ein grausames Schauspiel viel zu spät durchschauten und ihr „Wie konnte man wissen?“ nicht gelten lassen, wir sind heute verpflichtet, die laufende Entpolitisierung kritisch zu hinterfragen.

Die Autorin ist

Publizistin in Wien.

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