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Die „Süddeutsche Zeitung“ kommentiert den Rücktritt des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch und die Konsequenzen für die CDU.

Es gibt viele Menschen, die den skandalgestählten Roland Koch partout nicht mögen, weil sie ihn zwar für klug, aber auch für durchtrieben und unverfroren halten. Es gibt also viele, die sich über seinen Rücktritt freuen. Kein Unions-Politiker hat einen so maliziösen Ruf wie der hessische Ministerpräsident. Gleichwohl: Roland Koch verkörpert einen Typus von Politiker, der unentbehrlich ist in der Volkspartei CDU – und wie es ihn in der Merkel-Union sonst nicht mehr gibt. Koch ist eine spannende Mischung aus einem Neoliberalen und einem Nationalkonservativen; dazu kommt ein Schuss gut kalkulierte Unberechenbarkeit, die er oft als Liberalität verkauft hat. Jetzt hat sich diese kalkulierte Unberechenbarkeit wieder aktualisiert: Der Machtmensch Roland Koch zieht entschlossen und wohlpräpariert die Konsequenzen aus einer klaren Erkenntnis: Er hat erkannt, dass es mehr politische Macht als jetzt für ihn nicht mehr geben wird. Sein Zenit ist überschritten.

Bröckelnde Hausmacht

Sein Ergebnis in der jüngsten Landtagswahl war desaströs genug – und nur die Dummheit der SPD-Konkurrentin Andrea Ypsilanti hat ihn gerettet. Koch ist schlau genug, um nicht damit zu rechnen, dass die SPD solche Dummheit wiederholt. Hessen hat ihm also politisch nichts mehr zu bieten, und in Berlin hängen die Trauben für ihn zu hoch. Also tritt er ab, bevor er getreten wird. Das verdient Respekt, weil kaum ein anderer Politiker diese Souveränität hat. (...) Er geht nicht im Zorn aus der Politik, wie dies Friedrich Merz tat. Er wirft nicht die Brocken hin, weil er, wie einst der CDU-Finanzpolitiker, den Machtkampf mit Merkel verloren hätte. Koch hat einen solchen Machtkampf gar nicht geführt, weil er zu vernünftig ist, um aussichtslose Kämpfe zu beginnen. Er hat sich mit Angela Merkel nur kleine bis mittlere Scharmützel geliefert, die seinen Ruf als eigenständiger Kopf eher gestärkt haben. Koch macht auch nicht den zaudernden Stoiber, der mit Wankel- und Wackelmut seinen Niedergang eingeleitet hat. Dass er in die CDU eine Lücke reißt, in der nun nur noch Leute wie der Stuttgarter Ministerpräsident Stefan Mappus stehen und eine bescheidene Figur abgeben, dürfte Roland Koch insgeheim durchaus befriedigen.

Unersetzlich für die CDU

Die Bundeskanzlerin ist den stärksten innerparteilichen Widerpart los; aber auch Angela Merkel ist zu klug, um sich darüber freuen zu können. Koch ist für die CDU kostbar und derzeit fast unersetzlich.

Es fehlt nun ein Magnet für die wirtschaftsliberale Klientel und ein Anker für die rechtskonservative Wählerschaft. (...) Das sind keine guten Aussichten für eine ohnehin höchst beunruhigte Bundespartei. Wenn nun Roland Koch geht, dann geht einer, der zwar mit 52 Jahren noch relativ jung ist, aber irgendwie schon immer da war. Koch ist vier Jahre jünger als Merkel, aber politisch ist er bedeutend älter. Verglichen mit Koch ist sie in der Partei der Rhododendron – schön blühend, aber flach wurzelnd; Koch ist die Kiefer – robust und tief wurzelnd. Als Angela Merkel die ersten kleinen und vorsichtigen Schritte in der CDU machte, war Koch dort schon ein gemachter Mann, Chef der Landtagsfraktion der hessischen CDU, eines der Großtalente seiner Partei. Schon mit 14 Jahren, als kleiner „Rolli“, hatte er sich in diesen Aufzug gedrängt, einen Ortsverband der Jungen Union gegründet und alle Knöpfe nach oben gedrückt. Die alten konservativen Herren der Hessen-CDU ließen ihn mit Wohlwollen gewähren. Er hat ihre Erwartungen reichlich erfüllt, aber nicht seine eigenen. Roland Koch blieb ein Unvollendeter. Das weiß er. Deswegen tritt er von der Bühne ab.

* Süddeutsche Zeitung, Mittwoch 26. Mai

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