"Ein schönes Spiegelbild von Österreich"

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Imma Palme und Alfred Pfabigan zum Ausgang der Bundespräsidentenwahl.

Die Furche: Sind wir Österreicher konservativ, weil wir mehrheitlich Heinz Fischer gewählt haben?

Imma Palme: Ja, aber Österreich ist auch konservativ, hätten wir Ferrero-Waldner gewählt. Beide beziehen sich auf Werteraster, die in weit zurückreichenden Traditionen begründet sind. Fischer hat sicher den konservativeren Wahlkampf geführt. Doch auch wenn Ferrero-Waldner in dunklen, staatstragenden Kostümen plakatiert gewesen wäre und Fischer bunt, locker, flockig - dann hätte das auch keinen Unterschied gemacht. Denn in allen derzeitigen Wahlen wird einfach dem allgemeinen Unmut gegen die Regierungspolitik Luft gemacht.

Die Furche: Österreich ist konservativ - auch oder gerade wenn nicht die Kandidatin der konservativen Partei zum Zug kommt?

Alfred Pfabigan: Das Fischer'sche Österreich ist noch mehr konservativ als das von Ferrero-Waldner. Auch wenn sie nicht das absolut Zeitgemäße verkörpert, der Unterschied zwischen den beiden ist erheblich. Er ist ein Zeichen, das zurückweist, er ist ein Zitat aus der Ära Kreisky, aber er ist kein Zeichen für die Zeit, die vor uns liegt. Am Ende seiner zweiten Periode ist er 77 Jahre alt.

Palme: Andere haben mit 75 begonnen... Da möchte ich schon damit kontern, dass in unseren Fokus-Gruppen niemand Ferrero-Waldner als eine Vertreterin der Moderne angesehen hat - auch nicht in ÖVP-Wählergruppen.

Pfabigan: Sie ist ja kein seltener Frauentyp: Frauen um die 50, die aus der Provinz aufgebrochen sind, zuerst nach Deutschland, sich dann in die USA getraut haben, solche gibt es einige - trotzdem ist sie nicht populär. Es gibt Frauentypen, die fallen einfach überall durch. Der Ferrero ist so etwas auch passiert, denn prinzipiell: Wenn es eine Frau in den USA schafft, ist das eine tolle Leistung.

Palme: Stimmt, aber es ist ziemlich unabhängig von Herkunft und Ausbildung, was genau einen populären Frauentyp ausmacht.

Die Furche: Sind über 47 Prozent der Stimmen für Ferrero-Waldner kein Zeichen von Popularität?

Palme: Unterm Strich war sie nicht populär genug. In Westösterreich war die Wahlbeteiligung gering; das hängt damit zusammen, dass es dort weniger Bereitschaft gibt, Frauen in solche Ämter zu wählen.

Pfabigan: Die Gruppe der bürgerlichen Wähler, die Ferrero-Waldner nicht wollte, scheint stark gewesen zu sein - auch ein Indiz für die Zerrissenheit der ÖVP, wo es den Willen von oben für Frauen in sehr wichtigen Ämter - Bsp. Außenministerin - gibt; aber es ist nicht möglich gewesen, die eigenen Leute zu mobilisieren.

Palme: Früher waren Nichtwähler, brutal gesagt, Dumpfies: desinformierte, desinteressierte, ungebildete Menschen; dann gab es die paar Verhinderten und die wenigen Künstlertypen, die völlig mit sich selbst beschäftigt sind. Der Rest ist pflichtbewusst zur Wahl geschritten. In den letzten zehn Jahren ist Nichtwählen aber genauso zu einem politischen Akt geworden, wie wählen gehen.

Die Furche: Und viele ÖVP-Wähler sind lieber zu Hause geblieben als eine Frau zu wählen?

Palme: Das hat sich schon seit Wochen abgezeichnet: Mehr bürgerliche Männer hatten Hemmungen Ferrero zu wählen als sozialdemokratische bzw. grüne Frauen, Ferrero-Waldner allein wegen ihres Frau-Seins über Parteigrenzen hinweg zu wählen.

Pfabigan: Mich beunruhigt die steigende Zahl von Nichtwählern schon sehr. Vor allem wenn ich eine Verfestigung dieses Trends sehe, jenseits des spielerischen "Heut' ist halt einmal kein Angebot da". Dazu passt mein Erschrecken über die aggressiven Wortmeldungen von Frauen gegenüber Ferrero-Waldner, die jede Sachlichkeit vermissen ließen.

Palme: Sobald eine Frau kandidiert, wird sie von Männern und Frauen kritischer gemessen; Frauen werden beschrieben auf eine Weise, die man Männern sehr selten angedeihen lässt.

Die Furche: Das läuft auf die Klage hinaus, dass wieder einmal die Frauensolidariät ausgelassen hat...

Palme: Das halte ich für Mumpitz. Ich bin als Frau nicht mit jeder Frau automatisch solidarisch; genausowenig bin ich - weil ich Wienerin bin - mit einem Wiener mehr solidarisch als mit einem Vorarlberger. An diese Art von Solidarität kann ich nicht appellieren. Außerdem wissen wir nicht, wie es unter umgekehrten Vorzeichen, ÖVP-Kandidat und SPÖ-Kandidatin, ausgegangen wäre.

Pfabigan: Lächerlich war aber auf jeden Fall, wie aus dem Fischer-Tross Heide Schmidt bekundet hat: Jetzt würde wieder Würde und Anstand in die Hofburg einziehen - als ob uns bislang eine Räuberbande regiert hat.

Palme: In den Augen vieler sind Würde und Anstand jetzt nicht in der Hofburg zu Hause. Klestil hat sich mit einem Hochglanzmagazin gemein gemacht - das entspricht nicht dem Bild, dass die Mehrheit der Österreicher von einem Bundespräsidenten hat. Das gehört sich nicht, genausowenig wie es sich gehört, dass ein Mann seine Frau auf diese Art verlässt.

Pfabigan: Auch Fischer hat sich mit diesem Wochenmagazin eingelassen...

Palme: So wie die Ferrero und so wie alle, die in irgendeine Funktion gewählt werden wollen...

Die Furche: Konservativ ist Österreich, Ihrer beider Meinung nach, geblieben -, hat sich etwas anderes im Land mit dieser BundespräsidentenWahl verändert?

Pfabigan: Es hat gegen diesen Wahlkampf das Vorurteil gegeben, dass er langweilig war. Das stimmt nicht. Es ist viel sichtbar geworden: Welche Werte wurden abgelehnt - z.B. das Unterstellen von Ehrgeiz, das Unterstellen von Eitelkeit etc. Das war ein schönes Spiegelbild der österreichischen Gesellschaft. Ein Spiegel, in dem sich ausnahmsweise die hässlichen Seiten einmal nicht gezeigt haben - weil die Freiheitlichen relativ schwach präsent waren. Der Sumpf ist dieses Mal draußen geblieben

Palme: Aber den Sumpf haben wir am nächsten Tag wieder in der Regierung sitzen...

Journalisten sehen Wahlkämpfe oft als Unterhaltungstheater - da sollen sie lieber ins Kino gehen oder ein gutes Buch lesen. Das ist nicht der Sinn von Wahlkämpfen. Schlimm genug, wenn immer mehr medialisiert wird. Ich habe es auch unangenehm empfunden, wenn eine Partei, die eine Niederlage einsteckt, dann auch noch jubelt - wie in diesem Fall bei der ÖVP. Das war ein schlechter Nachgeschmack eines ansonsten respektabel geführten Wahlkampfes.

Das Gespräch moderierte Wolfgang Machreich.

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