"Trumps Image als Lügner und Egomane, als Grapscher und Finanzhai, auch als psychisch defekter Dilettant und Freizeitkünstler müsste genügen, die Wähler aufwachen zu lassen."
Zwei Wochen noch, dann wird wieder gewählt: zuerst in Niederösterreich, dann in Tirol, Kärnten und Salzburg. Grob gerechnet ist heuer die Hälfte der Bevölkerung Österreichs politisch im Fokus. Der neuen schwarzblauen Regierungs-Ehe unter Sebastian Kurz steht die erste Bewährungsprobe bevor.
Auch anderswo werden Wahlen dieses Jahr 2018 prägen: bei unseren Nachbarn in Tschechien, Italien, Slowenien, Ungarn, in Bayern und Südtirol. Vor allem aber dort, wo große Politik gemacht wird: in Russland (Präsidentenwahl) und in den USA (beide Häuser des Kongresses).
Nun werden wir Wladimir Putin schon jetzt bis 2024 an der Spitze seines Riesenreichs erwarten dürfen (er ist dann erst 72 Jahre alt). Das Wahlfieber in Russland hält sich in Grenzen
Weit spannender aber werden Amerikas sogenannte "Midterm Elections" am 6. November werden. Geht es doch letztlich um die Frage, ob die "Ära Trump" nur ein verrücktes Intermezzo bleibt oder noch länger ertragen werden muss. Alle 435 Abgeordneten im Repräsentantenhaus, dazu 33 der 100 Senatoren und die Gouverneure von 36 US-Bundesstaaten stehen zur Wahl. Das heißt konkret: Behalten Donald Trumps Republikaner ihre stabile Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses -und Donald Trump seine stärkste Feuermauer gegen eine Amtsenthebung?
Ginge es nach den bisher bekannten Fakten und aktuellen Diskussionen, die Entscheidung wäre so berechenbar wie Putins Wiederwahl: Trumps Image als Lügner und Egomane, als Grapscher und Finanzhai, zuletzt auch als psychisch defekter Dilettant und Freizeitkünstler usw. müsste genügen, Amerikas Wahlvolk aufwachen zu lassen.
Herausforderung für EU-Vorsitz
Dazu kommt der politische Ist-Zustand: Trump hat nach seinem ersten Jahr im Weißen Haus weder eine geeinte Partei noch eine geschlossene Wählerbewegung im Rücken -und eine Front feindseliger Medien. Schon seinen Wahlsieg hatte er im Vorjahr mit nur 46 Prozent der Wählerstimmen geschafft -und die Umfragewerte der ersten Monate im Amt waren schlechter als die jedes anderen US-Präsidenten der Neuzeit.
Und doch ist bei Prognosen jede Vorsicht geboten. Im Repräsentantenhaus haben die Republikaner derzeit gewaltige 46 Sitze mehr als die Opposition, niemand kennt noch die Kandidaten für den Senat -und die US-Demokraten haben seit Hillary Clintons Niederlage keinen Aufwind geschafft. Trump ist ihr einziger "Trumpf".
Europa hat zuletzt versucht, den Mann im Weißen Haus -und mit ihm den großen Bruder Amerika -kopfschüttelnd zu ignorieren. Das wird auf Dauer zu wenig sein. Denn es geht um Atomdrohung und Jerusalem-Verrücktheit, um Umwelt-Blindheit und Abbau des Rechtsstaates, um Verlust des Vertrauens in die Demokratie und Aushöhlung unserer Partnerschaft EU/USA.
Allerhand Brisantes also, wenn wir Österreicher ab 1. Juli den EU-Ratsvorsitz übernehmen und für ganz Europa sprechen werden.
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