Benedikts Philosophie

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Die erste Aufregung um die Rede Benedikt XVI. in Regensburg klingt ab. Der Papst thematisierte das Verhältnis von Glaube und Vernunft. Thema und Gesamtduktus lassen das umstrittene Zitat von Manuel II. Palaeologos zumindest als unnotwendig erscheinen. In seinen kritischen Ausführungen geht der Papst viel stärker auf den Protestantismus ein als auf den Islam. Seine These ist, dass der biblische Glaube und die griechische Philosophie von innen her aufeinander zuwuchsen und dass infolgedessen Glaube und Vernunft notwendig zusammen gehören. Eine Vernunft, die sich nicht der religiösen Dimension öffnet, weist deutliche Defizite auf.

Zur Untermauerung seiner These erwähnt Benedikt drei "Enthellenisierungswellen", die diese Verbindung in Frage stellten, und zwar die Reformation, die liberale Theologie des 19. Jahrhunderts und die kontextuellen Theologien von heute. Zumindest zwei davon entstammen evangelischer Tradition, daher folgende Anmerkung: Ab der Reformation über den Höhepunkt der Aufklärung ging es darum, die Vernunft und ihren Gebrauch aus der Bevormundung hierarchischer Systeme zu befreien. Sie bedarf keiner religiösen, theologischen oder kirchlichen Segnung.

Freilich weiß protestantische Nüchternheit von den Schattenseiten der Vernunft. Deshalb ist Vernunftkritik, wie sie von Kant bis Sloterdijk geübt wurde, unerlässlich. Gleichzeitig hat dieses Verständnis von Vernunft die nicht immer angenehmen Folgen der Kirchen-, Dogmen-und Schriftkritik. Aber das sind unvermeidliche Entwicklungen, die dazu beitragen, dass sich die christliche Religion zu Friedfertigkeit und Gewaltverzicht, also zum Auftrag Jesu, befähigt. Paradoxerweise sind es so ausgerechnet theologische Gründe, die die Weltlichkeit der Vernunft unaufgebbar machen.

Der Autor ist Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche A.B.

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