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Gebären ohne Schmerzen

19451960198020002020

lieber die moderne Methode der Schmerzt us Schaltung bei der Gebart ohne Narkese und Hypnose. Von Dr. Oskar Kurz. Globus-Verlag, Wien. 101 Seiten.

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lieber die moderne Methode der Schmerzt us Schaltung bei der Gebart ohne Narkese und Hypnose. Von Dr. Oskar Kurz. Globus-Verlag, Wien. 101 Seiten.

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Der Verfasser gibt einen kurzen, populär geschriebenen Leitfaden über die Anwendung der sogenannten „psychoprophylaktischen“ Methode der Ceburtsleitung, die sich von Sowjetrußland aus über alle europäischen Länder verbreitet hat. Die Gedankengänge der russischen Begründer dieser Methode waren folgende:

Die Geburt ist ein natürlicher, physiologischer Vorgang und es ist daher nicht einzusehen, warum sie schmerzhaft sein sollte. Die Argumentation geht nicht ab ohne polemische Seitenhiebe auf die biblische Tradition („in Schmerzen sollst du gebären“), als ob diese die „vorgefaßte Meinung“ begründet hätte, daß die Geburt schmerzhaft sein müsse.

Fußend auf der Lehre von Sergej P a w 1 o w über die „bedingten Reflexe“, suchen die russischen Autoren nachzuweisen, daß es sich auch beim Geburtsschmerz nur um einen „bedingten Reflex“ handle. Sowie nun derartige „Reflexe“ durch Gewöhnung „andressiert“ werden können, so können Sie auch durch Abgewöhnung „abdressiert“ werden.

Auf der Lehre von Pawlow hat Bechterew ein ganzes Gebäude einer sogenannten „Reflex-Psychologie“ (Reflexologie) aufgebaut, die ein integrierender Bestandteil des dialektischen Materialismus geworden ist. Sie bemüht sich nachzuweisen, daß es sich auch bei allen höheren seelischen Funktionen des Menschen um „nichts anderes als“ um „bedingte Reflexe“ handelt.

Wenn man aber das Wesen des Reflexes klar erkennt und richtig definiert, nämlich als einer Reizbeantwortung (Reaktion) auf dem Wege einer abgekürzten Reflexbahn, das heißt, unter Ausschaltung der Hirnrinde, so erkennt man, daß auch beim Tier die sogenannten „bedingten Reflexe“ in Wirklichkeit überhaupt keine Reflexvorgänge sind, sondern Assoziationen von Erinnerungsbildern, also echte psychische Vorgänge. Die dialektische Reflexlehre beruht auf einer Verwirrung der Grundbegriffe. Bezeichnend dafür ist, wie der Verfasser auf S. 27 die Grundbegriffe: Trieb, Instinkt und Reflex durcheinanderbringt, so daß kein Mensch mehr den Unterschied zwischen Instinkthandlungen und Reflexbewegungen erkennen kann.

Haben wir somit gegen die allgemeine wissenschaftliche Grundlage der in diesem Buche erörterten Methode der schmerzlosen Geburt sehr viele und grundsätzliche Bedenken anzumelden, so gilt dies in weit geringcrem Maße von der praktischen Anwendung in der Geburtshilfe. Nur müssen wir uns darüber klar sein, daß es sich bei der sogenannten „psychoprophylaktischen“ Methode im Wesen um eine Art von Suggestiv-Psychotherapie handelt. Demgemäß sind die Erfolge unterschiedlich. Bei zahlreichen Frauen lassen sich mit dieser Methode ausgezeichnete Erfolge erzielen — bei anderen Frauen ist sie von vornherein zum Mißerfolg verurteilt. Bei Frauen von ruhiger, ausgeglichener Gemütslage wird die Methode eher wirksam sein als bei psychisch labilen Frauen, die auch für Gegensuggestionen leicht zugänglich sind und;Angst empfinden.

Die Frage, ob gegen die Anwendung dieser Methode vom Standpunkt der katholischen Moral Bedenken zu erheben sind, weil sie von materialistischen Forschern ausgearbeitet worden ist, hat Papst Pius XII. am i. Jänner 1956 in einer Anspräche vor zirka 700 Geburtshelfern aus allen Ländern eindeutig dahin beantwortet, daß gegen die Anwendung in der Praxis keine Bedenken bestehen, wenn damit den Frauen wirksam geholfen werden kann — auch wenn die materialistische Grundlage der Gesamtkonzeption abzulehnen ist.

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