Gender – eine Sisyphusarbeit
Im katholischen Mainstream ist „Gender“ eine „ideologische Kolonisierung“, die bekämpft werden muss. Der Theologe Gerhard Marschütz hält in seinem neuen Buch dagegen.
Im katholischen Mainstream ist „Gender“ eine „ideologische Kolonisierung“, die bekämpft werden muss. Der Theologe Gerhard Marschütz hält in seinem neuen Buch dagegen.
Am 8. Jänner, bei seiner Neujahrsansprache ans Diplomatische Korps, nahm Franziskus einmal mehr das G-Wort in den Mund, indem er „ideologische Kolonisierungen“ brandmarkte, unter denen, so der Papst wörtlich, „die Gender-Theorie eine zentrale Rolle spielt, die sehr gefährlich ist, weil sie mit ihrem Anspruch, alle gleich zu machen, die Unterschiede auslöscht“.
Im konservativ-katholischen Kosmos, aber auch beim Papst selbst, gibt es seit Jahr und Tag ein Reizwort, mit dem man eine Gefährdung der „natürlichen“ Ordnung von Mann und Frau, der heterosexuellen Ehe und Ähnliches ausmacht: „Gender-Ideologie“ oder „Gender-Theorie“: Die damit verbundenen Tendenzen würden, so eine simple Formulierung der Kritik, die Unterschiede zwischen den Geschlechtern verwischen und letztlich dazu führen, dass sich jede und jeder nach Belieben das Geschlecht aussuchen oder zurechtzimmern könne.
Um einen fundierten Dialog
Der Wiener theologische Ethiker Gerhard Marschütz bemüht sich dem entgegen ebenfalls seit Jahren, derartige Festlegungen als ideologische Verkürzung aufzuzeigen und über die Gender-Theorien (schon allein der Behauptung, es gebe bloß die eine Gender-Theorie, versucht er sich unermüdlich entgegenzustellen) in einen theologisch fundierten Dialog zu treten, ohne sie in Bausch und Bogen zu verteufeln.
Nach seiner Emeritierung 2021 an der Wiener Katholisch-Theologischen Fakultät hat Marschütz seine diesbezüglichen Forschungen und Erkenntnisse in ein nicht nur für theologische Fachleute lesenswertes Buch einfließen lassen, das Ende 2023 erschienen ist. In „Gender-Ideologie!? Eine katholische Kritik“ stellt er die innerkatholische Kontroverse konzise dar; eine Debatte, die das Zeug dazu hat, dass sich die Kirche einmal mehr in eine Sackgasse verrennt.