Globale Präsenz ungebrochen

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Es gibt ihn, den Franziskus-Effekt, erzählt Mathilde Schwabeneder. Die ORF-Korrespondentin berichtet vom immer noch anhaltenden Zustrom an Menschen aus aller Welt, die auf den Petersplatz kommen, um Franziskus, den Bischof von Rom, zu sehen und zu hören. Das Gedränge sei viel größer als früher. Große Mengen an Asiaten würden etwa in letzter Zeit das Bild auf dem Petersplatz prägen, so Schwabeneder. Und das, obwohl die Papstwahl nun schon acht Monate her ist. Der US-amerikanische Global Language Monitor ermittelte "Pope Francis“ als den weltweit häufigsten Namen, der 2013 im Internet zu finden ist. Die ORF-Korrespondentin kann noch viele weitere Fakten anführen, um zu belegen, wie wenig der Hype um Jorge Mario Bergoglio, der sich als Papst Franziskus nennt, vorbei ist.

Schwabeneder hat gemeinsam mit der Südamerika-Korrespondentin Esther-Maria Merz ein Buch über Franziskus verfasst, das, obwohl erst vor wenigen Wochen erschienen, schon in zweiter Auflage vorliegt. Auf den ersten Blick war das Verfassen von "Franziskus. Vom Einwandererkind zum Papst“ wohl ein gewisses Risiko, gibt es erstens mittlerweile ja doch schon einige Bücher über den neuen Papst. Und zweitens besteht bei einer global so präsenten Gestalt wie Franziskus die Gefahr, dass die Nachrichtenlage von heute ein Buch, das zwangsläufig schon vor einiger Zeit abgeschlossen werden musste, bald alt aussehen lässt. Dieser Fall ist jedoch nicht eingetreten. Und das hat gute Gründe.

Das erste halbe Jahr dieses Pontifikats

Da ist einmal die Tatsache, dass nicht nur Gottes, sondern auch einer allfälligen Kurienreform Mühlen langsam mahlen. Das Buch endet, noch bevor die von Franziskus installierte Kardinalskommission zu ebendieser Kurienreform Anfang Oktober erstmals tagte. Heute ist klar, dass dieses erste Treffen auch keine unmittelbaren Ergebnisse zeitigen konnte, sondern dass noch (viele?) weitere Zusammenkünfte der Kardinäle notwendig sind. Von daher sind die im Buch dargestellten Prämissen nicht überholt. Die ersten Linien dieses Pontifikats haben sich jedenfalls nicht verschoben.

Mathilde Schwabeneder fasst als Vatikan-Beobachterin römische Schlüsselereignisse zusammen. So stellt sie die Kalamitäten um die Vatikan-Bank IOR anschaulich dar, die Franziskus "in den Schoß“ fielen und schon in den Kardinalsberatungen vor der Papstwahl Thema waren. Die Grundzüge des Zugangs von Franziskus - möglichst große Transparenz, ohne die Finanzen beim Fenster hinauszuschmeißen - haben sich wenig verändert. Aber gerade in den letzten Tagen zeigte sich, dass die Fortsetzung der Durchleuchtung der Aktivitäten des IOR weitergeht und weitergehen muss. Erst am letzten Dienstag verschärfte Franziskus in einem neuen Dokument die Bestimmungen dafür. Gleichzeitig ließ dieser Tage der kalabrische Staatsanwalt Nicola Gratteri mit der Warnung aufhorchen, Franziskus sei wegen seiner Politik gegenüber der Vatikan-Bank ins Visier der Mafia geraten. Schwabeneder, die Gratteri kennt, hält die Warnung nicht für übertrieben: Wer Licht in diese Finanzbereiche bringen wolle, in denen die Mafia sicher mit im Spiel sei, müsse der Gefahr gewahr sein. Die ORF-Korrespondentin erzählt der FURCHE auch von Einschätzungen einfacher Leute, die meinten, Franziskus, der Papst, lebe gefährlich.

Vieles, was Schwabeneder in den von ihr verfassten Kapiteln des Buches ausbreitet, mag dem wachen Zeitgenossen und Medienkonsumenten durchaus präsent sein. Aber es ist gut und wichtig, das erste halbe Jahr dieses Pontifikats konzis kompiliert und kundig gedeutet vorzufinden.

Zu den Wurzeln des Jorge Mario Bergoglio

Weniger oder jedenfalls: rudimentärer bekannt ist die Vita Jorge Mario Bergoglios. Man weiß zwar um die Diskussionen ob seiner Rolle als Jesuitenprovinzial zur Zeit der argentinischen Militärdiktatur in den 1970er Jahren, aber das Buch versucht hier, Informationen aus erster Hand zu bieten. In den von Esther-Marie Merz, die bis vor kurzem in Buenos Aires lebte, verfassten Kapiteln erscheint der Weg eben vom Kind piemontesischer Einwanderer zum Jesuiten, Priester, Bischof und Kardinal erschlossen. Merz tut dies anhand der Schilderungen wesentlicher Weggefährten Bergoglios und geht ausführlich auf dessen Rolle während der Militärjunta ein. Die Autorin führt weit mehr Entlastendes als Belastendes an, stellt aber dennoch keinen Persilschein aus. "Keiner sollte seine Hände in Unschuld waschen“: Diese Überschrift des Buchkapitels über jene Jahre sind übrigens ein Bergoglio-Zitat. Vor allem die Vorwürfe, Bergoglio hätte zwei Jesuiten verraten und der Folter ausgesetzt, werden durch die Zeugnisse, die Merz anführt, weitgehend relativiert.

Daneben schildert die Autorin auch berührende Episoden aus dem Leben des Kardinals von Buenos Aires. Eines der eindrücklichsten Zeugnisse ist die Freundschaft Bergoglios mit dem argentinischen Rabbiner Abraham Skorka, in dessen Synagoge der Kardinal 2004 zu Rosch Haschana, dem jüdischen Neujahrsfest, eine Rede hielt. 2012 betrieb Bergoglio die Verleihung des Ehrendoktorats der katholischen Universität von Buenos Aires an Skorka ein und applaudierte bei der Preisverleihung der Rede Skorkas, in der dieser den Antisemitismus der Nationalsozialisten auf die katholische Theologie zurückführte. Solche Offenheit wurde von konservativen Katholiken gar nicht goutiert. Aber diese Schilderung von Esther-Marie Merz in dem lesenswerten Buch zeigt einmal mehr, dass der nunmehrige Papst Franziskus Widerstände gewohnt ist.

Buchpräsentation

Montag, 25.11., 19 Uhr, Club Stephansplatz 4, 1010 Wien. Anmeldung: presse@styriabooks.at

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