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Handlungsfreiheit der Pfarrer

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Eben solche hatten sich in erfreulicher Weise schon bei der Beratung der Generalsynode über den so heiß umkämpften Begriff der Weisungsgebundenheit des Pfarrers in geistlichen Belangen abgezeichnet. .Bekanntlich hatte diese Frage die evangelische Kirche in den letzten Jahren aufs äußerste beunruhigt. Die Generalsynode hatte im Frühjahr

1967 ein diesbezügliches Wort an die Gemeinden gerichtet, über dessen Auslegung und Auswirkung die Auseinandersetzung erst recht entbrannte. Die im Oktober 1967

gegründete „Aktion 450“ hatte sich vor allem das Ziel gesetzt, dieses Wort entweder zu einer entscheidenden Veränderung zu bringen oder es gar zurücknehmen zu lassen. Was noch zu Beginn der Synode kaum vermutbar erschien, wurde Wirklichkeit im ersteren Sinne: mit großer Mehrheit beschloß die General synode, das Wort vom Vorjahr durch einen entscheidenden Nachsatz zu verändern, der nunmehr einwandfrei feststellt, daß der Pfarrer in geistlichen Belangen, zwar selbstverständlich gebunden an die Heilige Schrift, an die Glaubensbekenntnisse sowie an die gesetzlich geregelte Ordnung der Kirche, persönlich verantwortlich zu handeln hat, so daß . Warnungen und Ermahnungen kirchlicher Vorgesetzter in einem i gesetzesfreien Raum bloß als i Gewissensappelle zu verstehen sind s und daher nicht disziplinär durch-

• gesetzt werden können. Dem schei-

denden Bischof selbst ist es zu ver danken, daß dieser Vorschlag erarbeitet und der Generalsynode neu vorgelegt worden war, so daß nun doch eine gute, wenn auch schmerzhafte Frucht des langen und die Kirche tief aufwühlenden Streites gereift ist. Damit ist nicht nur das Ziel der „Aktion 450“ erreicht und damit ihr unmittelbares Fortbestehen in der bisherigen Gestalt überflüssig geworden, sondern auch der Friede zwischen den gegnerischen Lagern in guter Weise gesichert. Man wird in diesem Ereignis eines der wesentlichen Ergebnisse der Synode erblicken dürfen, insofememitdiiesem neuen Text die reformatorische Grundlage dm Verständnis des Amtes wieder deutlich herausgestellt ist.

Wie Herr Bischof May in seinen Abschlußworten mit Recht betonte, hat noch ein anderes Problem dieser vergangenen Session sein besonderes Zeichen aufgeprägt. Dabei ist nicht zu übersehen, daß dieses Moment mit der eben besprochenen Problematik zwar nicht unmittelbar, aber in einer sehr tief gehenden Weise verbunden ist. In nahezu 40 Berichten legten die zahlreichen besonderen Werke, Arbeitsgemeinschaften und Sonderfunktionen vor der Generalsynode Rechenschaft über den gegenwärtigen Stand ihrer Bemühungen ab. Für manche Synodale erschien dadurch das Arbeitsfeld und die Lebenswirklichkeit der Kirche in einem veränderten Licht. Während oft noch der Blick von Pfarrer und Laien ausschließlich auf den bisherigen pfarramtlichen

„Betrieb“ gerichtet ist, erschlossen diese Berichte eine ganze Welt von engagierten Bemühungen, die Wahrheit des Evangeliums in neuer Weise den Menschen der Gegenwart zu vermitteln und die christliche Tat durch Beachtung der neuen menschlichen Zusammenhänge zu aktivieren. Jugendarbeit, Studentenseelsorge, Militärseelsonge, Akademiearbeit und Bildungswerke zeigten neue Möglichkeiten sowohl pastora- ler Wirksamkeit als auch des Einsatzes der Laien in einer sehr erfreulichen Weise auf. Audi die Vertreter älterer Einrichtungen ließen in ihren Berichten erkennen, wie tief verwandelt sich neue Gesichtspunkte des Arbeitseinsatzes abzeichnen, wie zum Beispiel das glänzende Referat des neuen Rektors der Gall- neukirchner Diakonissenanstalt, Pfarrer Hölzel, bewies. Es zeigte sich, daß die aktiven Mitarbeiter in diesen überparochialen Tätigkeiten sehr lebendig an der Gesamterneuerung der evangelischen, aber auch der ökumenischen Christenheit teilhaben und dadurch eine Fülle von neuen Momenten in das Blickfeld der Synoden einbrachten.

ökumenische Tat

Das damit vermittelte Bewußtsein ökumenischer Verbundenheit setzte sich darum auch machtvoll trotz den Bedenken einiger in einer Frage durch, die gerade mit dem Zeitpunkt der Synode in höchst aktueller Weise verbunden war. Sowohl der lutherische als auch die reformierte Synode nahmen einstimmig den neuen Text des deutschsprachigen Einheitsvaterunsers an, und zwar so, daß ähnlich wie in der katholischen Kirche Österreichs bereits zu Ostern

1968 dieser neue Vaterunsertext für Gottesdienst und Amtshandlungen freigegeben und ab Pfingsten 1968 verpflichtend gemacht wird. Dieses Bekenntnis zur Ökumene, für das sich insbesondere der scheidende und der neue Bischof einsetzten, ist um so erfreulicher, als sich ansonsten doch wieder zeigte, wie wenig das ökumenische Bewußtsein noch in die Breite und Tiefe gewachsen ist. Die ängstlichen Sorgen der protestantischen Minderheit, in diesem Lande, psychologisch betrachtet im Blick auf die Vergangenheit durchaus verständlich, vom katholischen ökume- nismus überrollt und an die Wand gedrückt zu werden, zeigten sich sehr deutlich in grundsätzlichen Äußerungen und Warnungen vor einem Dialog. Hier mußte in der Diskussion einiges riaMiggesteüt und zum Mut aufgerufen werden, die Realität des ökumenischen Geschehens unserer Tage verantwortungsvoll zu begegnen. Im Grund genommen ging dies Hand in Hand mit dem Bemühen, den maßgeblichen Vertretern der kirchlichen Körperschaften die Notwendigkeit darzulegen, auf die modernen Denk- und Erlebnisbewegungen aufgeschlossener einzugehen. Aufs Ganze gesehen wird man urteilen dürfen, daß in dieser Hinsicht sidi gegenüber dem Vorjahr ein gewisser Fortschritt spürbar machte. Das zeigte sich nicht zuletzt darin, daß ein konservativer Vorstoß mit dem deutlichen Ziel, die anstößige Jugendzeitschrift „anstoß“ in eine kirchenbehördliche Vormundschaft zu bringen oder sie gar aus dem Raume der Kirche zu entfernen, vergeblich blieb. Die Generalsynode bewies dadurch Verständnis für den Versuch junger Menschen, sich kritisch mit ihrer kirchlichen Gegenwart aiuseinanderzusetzen.

Wir haben eingangs auf das Unzureichende einer vordergründigen Beurteilung der kirchlichen Phänomene der Gegenwart aufmerksam gemacht. Mit derselben Vorsicht wird auch das Ereignis der letzten Woche für das innere Geschick des österreichischen Protestantismus zu beurteilen sein. Im Herzen des Betrachters, der seine Kirche im Dienste der gegenwärtigen Menschheit sehen möchte, regen sich viele Wünsche, deren Erfüllung noch durchaus offenbleiben muß. Aber man wird davon sprechen dürfen, daß die Aufgeschlossenheit für neue Ziele und Aufgaben im Wachsen ist und die Erkenntnis sich Bahn bricht, daß die Wahrheit des christlichen Glaubens dann am besten bewahrt und zum Ansaitz gebracht wird, wenn sie nicht eingemottet, sondern als lebendiger Same in den aufgewühlten Acker der Gegenwarts- und Zukunftsgeschichte gesät wird.

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