Hubble - © Foto: Getty Images / Bettmann

Astronomie: Die Nacht der Erkenntnis

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Vor genau 100 Jahren änderte sich unser Bild vom Universum sprunghaft. Der Astronom Edwin Hubble entdeckte, dass es andere Galaxien außerhalb der Milchstraße gibt.

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Vor genau 100 Jahren änderte sich unser Bild vom Universum sprunghaft. Der Astronom Edwin Hubble entdeckte, dass es andere Galaxien außerhalb der Milchstraße gibt.

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Wer heute den Sternenhimmel beobachtet, weiß, dass das Weltall riesig ist. Dass es aus Milliarden von Galaxien besteht und sich immer weiter ausdehnt. Dass jemand annimmt, dass unsere Milchstraße die einzige Galaxie im Universum sein könnte, dass wir also die einzige Insel in der Dunkelheit des Kosmos sein könnten, mag aus heutiger Sicht engstirnig, ja fast kleinkariert klingen. Aber vor mehr als 100 Jahren war dies gängige Meinung.

Doch dann kam die Nacht zum 5. Oktober 1923, also vor exakt hundert Jahren. Der US-Astronom Edwin Hubble (1889-1953) bereitete gerade seine Beobachtungen am Mount Wilson-Teleskop vor, das damals mit einem Durchmesser von 2,5 Meter das größte Teleskop seiner Zeit war. Hubble war einem guten, alten Bekannten auf der Spur: dem „Andromeda-Nebel“, wie man damals noch sagte. Heute wissen wir: Es ist die Andromeda-Galaxie (M31) – quasi unser Nachbar.

Hubble, auf Bildern von damals adrett gekleidet und mit kecker Pfeife im Mund abgebildet, hatte schon damals den Verdacht, dass das Unfug ist, wie er auch in seiner Dissertation von 1919 anklingen ließ. Also versuchte er, alles aus dem Teleskop herauszuholen, was ging. Er wollte möglichst gute Bilder von Andromeda machen. 45 Minuten belichtetet er die Fotoplatte. Und in dieser Nacht hatte Hubble Glück, denn ihm gelang ein verhältnismäßig scharfes Bild. Das Resultat begeisterte ihn: Die Ränder des „Nebels“ lösten sich in strukturierte Flächen auf. Sollten es gar einzelne Sterne sein, die man da sah? Sterne einer anderen Galaxie als unserer eigenen?

Das Rätsel hinter dem „Nebel“

Um diese Annahme zu beweisen, suchte Hubble ein mysteriöses Objekt, eine ganz bestimmte Supernova (ein helles Aufleuchten eines massereichen Sterns durch Explosion), genannt Cepheide. Erst wenige Jahre zuvor hatte die Wissenschaft etabliert, dass man mit diesen Objekten und ihrer Helligkeit Distanzmessungen durchführen kann. Für Hubble war es genau das, worauf er gewartet hatte. Gelänge es ihm, eine Cepheide in M31 zu identifizieren und so die Distanz zu messen, so könnte man beweisen, dass Andromeda nicht Teil der Milchstraße ist, sondern eine eigene Galaxie.

Hubble, in jungen Jahren erfolgreicher Athlet und Hobby-Boxer, muss eine Gänsehaut bekommen haben, als er die Bilder analysierte, die ihm da mitten in der Nacht gelungen waren. Er hatte tatsächlich drei Sterne gefunden. Zwei davon waren Reste einer Nova und einer davon ein veränderlicher Typ namens Delta Cephei. Als er die Leuchtkraft bestimmte, war der Fall klar: Die Distanz betrug 980.000 Lichtjahre und damit ein Zigfaches der geschätzten Größe der Milchstraße.

Hubble muss klar gewesen sein, was das bedeutet: nämlich das Ende einer Debatte, ja eines wahren Glaubenskriegs. Es gab andere Galaxien und somit stand zu vermuten, dass ganz viele der anderen „Nebel“, die etwa der Astronom Charles Messier schon mehr als 100 Jahre zuvor in seinem Katalog auflistete, wohl auch Galaxien waren. Vermutlich gab es davon tausende, wenn nicht sogar viele mehr. Die Dimension des bekannten Kosmos war soeben sprunghaft angewachsen.

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