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„Red Bull", „Haider Oder" und der Gespritzte aus der Dose

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Als erster kam ein roter Bulle. Bald darauf schlössen sich Pferde, Einhörner, Adler und sogar ein blaues Schwein dem bunten Beigen an. Die Tiere, die als Werbung und Symbol für diverse Energy Drinks springen, fliegen oder sonstige Kraftakte vollführen, könnten bald einen ganzen Zoo füllen.

„Red Bull", das 1987 auf den Markt kam, war das erste Getränk einer neuen Generation von Durstlöschern, die sich durch ihre aufputschende Wirkung auszeichnen. Mit dem Aroma von verdünntem Gummibärchenkonzentrat traf der Salzburger Hersteller den Geschmack der jungen Leute von heute. Der Erfolg stellte sich prompt ein: Zuerst eroberte „Bed Bull" die Bave-Szene, jene Jugendkultur, die ihre Erfüllung im nächtelangen Tanzen zu computergenerierten Bhythmen erblickt.

Mit dem Beginn der neunziger Jahre entstand dann eine ganze Palette von Getränken, die allesamt „Bed Bull" zum Vorbild erkoren hatten: „Power Horse", „Bed Eagle", „Flying Horse" heißen nur einige der „Bed Bull"-Epigonen. All diese

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Drinks verbreiteten sich rasch unter der gesamten Gruppe der 15- bis 25jährigen. Allein „Bed Bull" verkaufte 1994 rund 47 Millionen Dosen beziehungsweise Fläschchen.

Alle Energy Drinks im „Bed-Bull"-Stil schreiben ihre aufputschende Wirkung der Substanz Tau-rin zu. Angeblich erstmals im Jahre 1826 aus der Galle eines Ochsen gewonnen, soll dieser Eiweißstoff aus jeder noch so lahmen Ente einen wilden Stier machen. Ob das mittlerweile synthetisch hergestellte Taurin jedoch überhaupt eine Wirkung auf

den Organismus hat, gilt unter Experten als äußerst fraglich.

Dafür hat unlängst die Verbraucher-Zentrale des deutschen Bundeslandes Nordrhein-Westfahlen davor gewarnt, daß sich in 21 untersuchten Produkten Stoffe fänden, „die in Erfrischungsgetränken nichts zu suchen haben". Als „höchst bedenklich" für Allergiker klassifizierte die Verbraucher-Zentrale die synthetischen Farbstoffe E 104 (Chinolingelb), E 122 (Azorubin) und E 133 (Brillantblau).

Die aufputschende Wirkung von „Bed Bull" und ähnlichen Getränken liegt wohl vor allem an ihrem Koffein- und Zuckergehalt. Ihr durchschnittlicher Koffeingehalt von durchschnittlich 100 Milligramm entspricht der Menge an Koffein in einer großen Tasse Kaffee.

Auch davon können Gefahren für die Gesundheit ausgehen. Dazu erklärte Arnold Pollak von der Universitätskinderklinik Wien in einer österreichischen Tageszeitung: „Im Übermaß konsumiert können diese Getränke zu Nervosität, Kopfschmerzen, Muskelzittern, Schlaflosigkeit, ja sogar Kreislaufstörungen führen. Eben die klassischen Symptome, die jeder kennt, wenn er zuviel Kaffee getrunken hat."

Sicherheitshalber warnen sämtliche Hersteller koffeinempfindliche Personen und Diabetiker vor dem Genuß ihrer Produkte ...

Eine andere Gruppe von Energy Drinks, die hierzulande erst seit zwei Jahren erhältlich ist, basiert auf Gua-rana, dem Extrakt einer südamerikanischen Schlingpflanze. Guarana enthält viermal so viel Koffein wie Kaffee und sein hoher Gerbstoffgehalt sorgt für eine verzögerte Aufnahme des Koffeins und somit für eine länger anhaltende Wirkung. Überdies stillt der Lianensaft nach Angabe der Hersteller das Hungergefühl.

Naturbelassener Guarana-Saft selbst schmeckt bitter. Die darauf basierenden Drinks erinnern jedoch an die runden, bunten Kaugummis, mit denen sich Kinder um zwei Schillinge aus Automaten versorgen können. In Brasilien ist Guarana-Limonade mittlerweile zum Nationalgetränk geworden und verkauft sich besser als die klassischen koffeinhaltigen Limonaden „Coca Cola" und „Pepsi Cola".

Bei der Zielgruppe der Jugendlichen kommt es vor allem auf das Out-

fit an - das gilt nicht nur für Kleidung, sondern auch für Getränke. Kaffee gilt als bieder, Alkoholhaltiges als abstumpfend. Doch verkleidet als Energy Drinks sollen auch diese Getränke unter die für die Wirtschaft zunehmend undurchschaubaren Jugendlichen gebracht werden.

„Mr. Brown" aus Niederösterreich etwa ist nichts anderes als kalter Kaffee in der Dose. In der Steiermark erfreut sich schon seit vier Jahren - trotz seines Namens - der „Haider Cider" größter Beliebtheit - bei dem herben Saft handelt es sich um nichts anderes als den traditionellen rustikalen Durstlöscher Most.

Und eine Grazer Firma bringt un-

ter dem Namen „Aquino" Dosen mit einem anderen österreichischen Klassiker auf den Markt: Grüner Veltliner mit Wasser und Kohlensäure; der „G'spritzte".

Der neueste Schrei allerdings ist bisher nur in Australien erhältlich. „DNA-Smart Water" heißt das alkoholhaltige Gebräu, das mit Limonen und Thymian aromatisiert ist. Das besondere daran: Es enthält DNA (Desoxyribonukleinsäure), die Erbsubstanz, aus der pflanzliche, tierische und menschliche Gene bestehen. Der Werbeslogan preist die belebende Wirkung des Wässerchens mit den Worten: „Wo Leben ist, ist auch DNA."

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