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Große Verwirrung und nationale Spannungen

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Erste Ergebnisse der bis 15. Juli in Mazedonien abgehaltenen Volkszählung werden in etwa drei Monaten vorliegen. So der Schweizer Werner Haug, Leiter der EU-Expertengruppe, die die mazedonische Regierung bei diesem langwierigen Unternehmen unterstützte. Die Fragebögen waren sehr kompliziert, das Verfahren war schwerfällig. Ursprünglich wollte man bereits am 5. Juli abschließen, was sich jedoch als Illusion erwies.

Hintergrund der Volkszählung sind vor allem umstrittene Zahlen über den Anteil der albanischen Bevölkerung unter den insgesamt 2,1 Millionen Einwohnern Mazedoniens. Die Volkszählung im Jahre 1991 war von der albanischstämmigen Bevölkerung boykottiert worden. Schätzungen über die Albaner gehen von einem Bevölkerungsanteil von 20 bis 30 Prozent aus. Die derzeitige Volkszählung wird in der mazedonischen Öffentlichkeit als Vorspiel für die im November stattfindenden Parlamentswahlen betrachtet.

Große Verwirrung herrschte, weil sich die albanischen Parteien vor allem aus zwei Gründen gegen die Volkszählung gewehrt haben: das nach der Unabhängigkeit Mazedoniens 1991 eingeleitete Verfahren über die Zuerkennung der mazedonischen Staatsbürgerschaft konnte nicht - wie vorgesehen - am 21. Juni abgeschlossen werden. Dabei fürchteten jene Albaner, die ohne entsprechenden Ausweis waren, sie würden als staatenlos angesehen werden. Ein weiteres Problem verursachte die Abstammung der Volkszähler. Zuerst sollten dies Mazedonier sein, wogegen sich die Albaner wehrten. Deshalb mußten entsprechende Anpassungen vorgenommen werden. In ethnisch gemischten Gebieten wurde die Zählung von Albanern und Mazedoniern abgehalten.

Nach der Unabhängigkeit gestaltete sich das Zusammenleben der beiden Volksgemeinschaften schwierig und problematisch. Zuvor reisten die Albaner häufig und ohne Probleme zwischen dem Kosovo und der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik Mazedonien hin und her.

Heute scheitert die Zuerkennung der mazedonischen Staatsbürgerschaft an Albaner oft an dem Umstand, daß diese noch nicht lange genug in Mazedonien leben. Da die Albaner in öffentlichen Ämtern nur schwach vertreten sind, fühlen sie sich ausgeschlossen und als Bürger zweiter Klasse.

Auf Drängen des Europarates hatten die Minderheiten die Möglichkeit, sich in ihrer Muttersprache zu deklarieren. Die Zählung wurde in sechs Sprachen durchgeführt: nämlich auf Mazedonisch, Albanisch, Türkisch, Serbisch sowie in den Sprachen der Vlachen und der Roma, nicht aber auf Bulgarisch. Dieser Umstand wurde im Außenministerium in Sofia heftig kritisiert.

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