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Das Naturrecht

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In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war das Naturrecht für den größten Teil der Rechtswissenschaft, eine veraltete Angelegenheit, und die Naturrechtsidee galt dem positivistischen Denken, das damals seinen Höhepunkt erreichte, als endgültig erledigt. Als dann aber im Gefolcje des politischen und sozialen Erdbebens nach dem ersten Weltkrieg viele Rechtseinrichtungen zu versagen begannen, setzte bald eine immer steigende Kritik an den rechtspositivistischen Prinzipien ein, welche eine Erneuerung der Rechtsphilosophie und damit vielfach auch eine Rückkehr zu den lange verachteten Ideen des Naturrechts mit sich brachte.

Allerdings erschöpften sich die meisten modernen naturrechtlichen Werke darin, eine mehr oder weniger umfassende Darstellung der traditionellen Naturrechtslehre zu bieten. Sie wiesen jedoch keinerlei Weg“, wie die Probleme der Gegenwart auf Grund der naturrechtlichen Prinzipien gelöst werden sollten.

Diese empfindliche Lücke in der Naturrechtsliteratur füllt das gegenständliche Handbuch Prof. Meßners aus. Durch seine Vorarbeiten zur „Sozialen Frage“, welche Meßner gleichfalls in einem umfangreichen Werk bereits in den dreißiger Jahren zusammenfaßte, erscheint der Verfasser in hohem Maße prädestiniert, das Naturrecht gerade in der Richtung seiner praktischen Anwendungsmöglichkeit zu behandeln. Dazu kommt noch, daß Prof. Meßner in den letzten Jahren infolge seiner Lehrtätigkeit in England mit dem anglo-amerikanischen Recht und seiner Literatur innigste Bekanntschaft machte, was besonders für den Naturrechtspraktiker von großer Bedeutung ist, da gerade in den Gebieten des anglo-amerikanischen Rechts die Anwendung naturrechtlicher Grundsätze niemals eine Unterbrechung erfahren hatte.

Wie in der Darstellung der sozialen Frage entwickelt Meßner sein naturrechtliches Gesellschaftsprinzip in der Auseinandersetzung mit der individualistischen und kollektivistischen Gesellschaftsauffassung und kommt zu dem Ergebnis, daß das Gemeinwohl im Wirtschaftsleben am umfassendsten verwirklicht wird, wenn die individuellen Interessen nach ihrer vollsten Befriedigung zu streben vermögen, natürlich in Unterordnung unter das allgemeine Interesse vermittels geeigneter gesellschaftlicher Institutionen. Zufolge dieser Auffassung baut er eine Gesamtgesellschaft auf, die sich in relativ autonome größere und kleinere Gemeinschaften gliedert. Diese gesellschaftliche Ordnung wird vom Subsidiari-tätsprinzip beherrscht, das das Individuum im Verhältnis zur Gesellschaft und die kleineren Gemeinschaften in ihrem Verhältnis zur Ge-samtgesellschaft, dem Staate, schützt. Das Ideal dieser gesellschaftlichen Ordnung liegt in dem größtmöglichen Ausmaß von Freiheit für das Individuum im Rahmen einer von sittlichen Kräften durchwalteten Gemeinschaft. Mit je weniger rechtlichen Regelungen eine Gemeinschaft für die Sicherung der öffentlichen Ordnung und des Gemeinnutzens auskommen kann, um so näher kommt sie diesem Ideal. Denn es ist eine alte Erfahrung der Menschheit, daß die Völker mit den zahlreichsten Gesetzen.nicht die glücklichsten sind. Es ist ein utopischer Irrglaube unserer Zeit, daß alle Übel im politischen, wirtschaftlichen und sozialen Leben durch Gesetze geheilt werden können; zuerst müssen die sittlichen Kräfte eines Volkes erweckt werden, bevor die Gesetzgebung sich die höheren Ziele stecken kann.

Es ist viel wichtiger, zunächst einmal die Grundprinzipien einer Rechtsordnung nach den Grundsätzen des Naturrechts wieder herzustellen, damit ein wahrhaftes Recht erstehen kann als Ordnung der gesellschaftlichen Beziehungen im Einklang mit den existentiellen menschlichen Zwecken. Es handelt sich hier um eine Ordnung von Rechtsverhältnissen, das heißt von Rechten, die immer erst durch ihre Beziehung auf eine entsprechende Pflicht ergänzt werden.

Bei solcher Ordnung kann es kein wirkliches Redit im Widerspruch zum natürlichen Sittengesetz geben. Wenn der Rechtszweck, auf den ein angebliches Recht begründet ist, mit den existentiellen Zwecken des Menschen unvereinbar ist, steht es im Widerspruch zum Naturrecht, das heißt zur natürlichen Ordnung der Dinge, welche von Gott herrührt.

Besonders wertvoll sind die ausführlichen Auseinandersetzungen Meßners mit den wirtschaftlichen Fragen der Gegenwart und die von ihm auf Grund der naturrechtlichen Prinzipien vorgeschlagenen Lösungen. Erwähnt sei hier nur die bemerkenswerte Erkenntnis, daß nicht die Abschaffung des Privateigentums, sondern die Schaffung von Privateigentum möglichst für alle Glieder der Gesellschaft das Ziel der sozialen Reform sein muß. In diesem Zusammenhange tritt Meßner auch für das Miteigentum der Arbeiter am Unternehmen ein und entwickelt in eingehender Darstellung die Durchführung dieses Gedankens.

Schließlich entwirft er auch ein' anschauliches Bild einer Ordnung der Sozialwirtschaft, die auf dem System der gesellschaftlichen Kontrolle aufgebaut ist. Sie räumt den Individuen und Gruppen das volle Ausmaß der Freiheit der Regelung ihrer Angelegenheiten ein, soweit es mit dem Allgemeinwohl vereinbar ist, und verwirklicht so das gesellschaftliche Prinzip, daß das Verhältnis von Freiheit und Ordnung in gleicher Weise nach beiden Seiten durch geeignete Institutionen gesichert sein muß. Da bei einer solchen Ordnung der Sozialwirtschaft, welche Meßner als soziale Demokratie bezeichnet, der Arbeiterschaft bei der Regelung aller Angelegenheiten, vor allem an der Planung, Leitung und Kontrolle der Sozialwirtschaft und der Vereinbarung der Arbeitsbedingungen unc' der Einkommensverteilung, eine gleichberechtigte Mitwirkung eingeräumt wird, würde auf diese Weise auch die lange erstrebte Lösung der Arbeiterfrage erzielt werden.

So erweist sich an Meßners Werk wieder einmal die unverwüstliche Erneuerungskraft des Naturrechts, das im Leben der Völker eine gewaltige dynamische Kraft darstellt, die sie dazu drängt, an seinen Prinzipen die bestehenden Rechtssysteme und Gesellschaftsinstitutionen zu prüfen und sie zu erneuern, wenn sie ihrem Zwecke nicht mehr entsprechen. Auch in Österreich wird diese Arbeit geleistet werden müssen, wobei Meßners Werk, das österreichische Verhältnisse in weitestem Maße berücksichtigt, zweifellos wertvolle Dienste leisten wird.

Dr. Bruno Schimetschek

Um das Wesensverständnis der Messe. Von

Dom. Bernard Capelle O. S. B., Louvain. Aus dem Französischen übertragen von Dr. Hans Krämler (Band II der vom Institutum Liturgicum in Salzburg herausgegebenen Reihe „In viam salutis“). Verlag Rupertus-werk, Erzabtei St. Peter, Salzburg. 72 Seiten.

Neben den großen, liturgiegeschichtlich orientierten Werken über die Meßfeier werden Schriften wie diese, die ganz auf theologisch-religiöse Betrachtung der Wesensteile des Meßopfers aufbauen, zu allen Zeiten von Theologen und Laien gesucht und gelesen werden. „Pour une meilleure hitelligence de la messe“ heißt der Titel des französischen Originals; der deutsche Titel ist wohl keine adäquate Übertragung, weist aber zweifellos auf das Grundanliegen hin, das Abt Bernard Capelle bewegte: aus dem heiligen Wort, aus der Gestalt der kultischen Handlung, aus der sakramentalen Heilswirklichkeit zu jenem Wesensverständnis der Messe vorzustoßen, welches — über alle Opfertheorien hinausweisend — „an das Herz aller wahrhaft Glaubenden rührt“ und es zur vollkommenen Hingabe zwingt. Denn: „die Messe ruft ja nicht nur die Erinnerung an das Mysterium des Kreuzesopfers wach, sie ist ganz und ungeschmälert dessen Realität selbst, die wir im Auftrag Christi' unablässig neu vollziehen und wieder heraufführen, bis er kommt.“ — Capelle vermag es, dem Leser das alles in einer theologisch ebenso gründlichen wie menschlich warmen Hinführung zu entfalten. So wird diese Schrift in ihrer ansprechenden Gestalt sicher viele Freunde finden.

Erhard D r i n k w e 11 e r O. S. B.

Die Tiefen der Seele. Moralpsychologische Studien. 11. Auflage. Von Dr. Ignaz Klug. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn. 461 Seiten.

Der Verlag hat es sich angelegen sein lassen, das Werk des 1929 verstorbenen bekannten Moraltheologen Ignaz Klug, „Tiefen der Seele“, heuer in 11. Auflage herauszugeben. In diesen flüssig geschriebenen moraltheologischen Studien beschreibt der Theologe, welcher allerdings gründliche Kenntnisse der medizinischen Psychologie besitzt und auch das „Material“ in Kranken- und Fürsorgeanstalten selbst beobachtet hat, höchst eindrucksvoll für den Nichtfachmann psychologische Verhaltensweisen des vielfach belasteten modernen Menschen. Die Anschaulichkeit der Sprache verbindet sich mit einer bewundernswerten Einfühlung in den Geist der medizinischen Psychologie. Dieses Meisterwerk des Gelehrten und Priesters ist auch heute noch, trotz weiterer 20 Jahre Psychologie und Psychotherapie, d i e Moralpsychologie für Seelsorger und Erzieher.

Die Überwindung des Nihilismus. Betrachtungen eines Aktivisten. Von Rudolf Brunngraber. Wiener Volksbuchverlag, Wien. 262 Seiten.

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