Mit dem Namen Ida Boy-Ed wird ein Stück versunkener Kultur Lübecks lebendig — eine Zeit nämlich, in der sich ein Umbruch bürgerlichen Lebens ankündigen wollte. In den letzten drei Jahrzehnten vor der Jahrhundertwende trug Lübeck nicht nur äußerlich das Gesicht seines ehrwürdigen Alters, sondern war auch innerlich von Generation zu Generation geprägt worden durch die Dynastien seiner Patrizier, deren Geist und Sitte die alte Hansestadt einseitig-streng beherrschte. Zwar stand das Handelsleben im Mittelpunkt alles Denkens, aber im Maße wie der Wohlstand aufgestiegen war, hatte sich Kultur und Sitte entwickelt, an denen niemand rütteln durfte, wenn er Würde und Ansehen zu bewahren wünschte. Und so übertrug sich dieser Geist auch auf die Familie.
Meine Frau bewahrt in ihrem Schatzkästlein einen Brief, den sie als Kind von ihrem Vater, dem Dichter Hermann Sudermann, erhielt. Er hatte sie mit 14 Jahren nach Weimar in ein Mädchenpensionat gegeben, daimit sie früh die geistige Tradition dieser Stadt aus eigener Erfahrung kennenlerne. Wenn ich diesen bisher unveröffentlichten Brief hier folgen lasse, ist es erforderlich, in kurzen Zügen die kleine Vorgeschichte zu skizzieren, die die Veranlassung zu den väterlichen Ratschlägen war. Der Brief spiegelt zugleich eine wesentliche Seite des Dramatikers wider und läßt erkennen, wie er
„Mein Herr, da fehlt noch'n Sechser“, sagte der Berliner Straßenbahnschaffner nicht ohne Vorwurf zu dem anscheinend allzu Verwegenen im wallenden grauen Haar, dessen salopper Anzug immerhin auf eine Fahrgeldhinterziehung schließen ließ. Dieser in tiefes Denken Versunkene kehrte leicht erschrocken in die Wirklichkeit des peinlichen Augenblicks zurück, ohne zu ahnen, daß er bereits über seine Zahlgrenze hinausgefahren war. „Da fehlt doch noch'n Sechser!“ wiederholte der Schaffner nun ungeduldiger. Ein wenig verlegen ob des Verdachts suchte der Angeredete den fehlenden Sechser hervor, indem er mit dem Zeigefinger gegen die Stirn wies. „Ja, ja, Kopfrechnen schwach.“ — Es war Albert Einstein, der große Physiker.
Im Frühjahr 1924 weilte ich mit Herbert Eulenberg in Rapallo bei Gerhart Hauptmann zu Gast, wo der Dichter die unmittelbar an der Santa-Margharita-Küste gelegene Villa Porticiuolo gemietet hatte, um einige Monate des Schaffens im milden Klima zu verbringen.Er arbeitete damals an seinem Schauspiel „Dorothea Angermann“, hatte aber stets mehrere Stoffe unter der Feder, dem Augenblick es überlassend, in welche Arbeitssphäre die Stimmung ihn tragen würde. Denn sein besinnlicher Geist vertiefte sich mit gehemmter Schwere in ein werdendes Werk, und er hat, wie wenige Dichter, mit seinen
Unbekanntes zum 100. Geburtstag des Dichters am 15. November 1962“P s mag seltsam erscheinen, daß Gerhart Hauptmann für das im Berliner Osten gelegene Rose-Theater, eines der wenigen Privattheater Deutschlands, eine besondere Vorliebe zeigte. Es war ein Volkstheater nach Hauptmanns Herz, „ein gesundes und volkstümliches Unternehmen“. In ein Jubiläumsblatt der Rose schrieb er: „... Hier herrscht guter, alter Theatergeist und echter Theatersinn, sowohl hinter dem Vorhang als im Zuschauerraum, und wenn sich der Vorhang gehoben hat, so entsteht jene Einheit und Einigkeit, um
„Er musiziert wie ein Italiener und empfindet wie ein Deutscher“, schrieb einmal ein Musikkritiker über den Komponisten Wolf-Ferrari, und dieser Satz kennzeichnet nicht nur den Herzschlag der Musik dieses geistvollen Erneuerers des ßuffostils; er deutet auch den Kern seines Wesens. Schon sein deutscher Vater, der Münchner Maler August Wolf, hatte sich durch hervorragende Kopien italienischer Meister, die noch heute in der Münchner Schack-Galerie hängen, einen geachteten Namen gemacht. Seine Mütter war Venezianerin und hieß Ferrari, der deutsch-italienische Sohn nannte sich
Beiden Meistern, die noch heute einen ersten Platz in der deutschen bildenden Kunst einnehmen, war es beschieden, an ihrem Werk — jeder auf seine Weise — zugrundezugehen. Gaul an den Entbehrungen, die schon in der Jugend seine Gesundheit so tiefgreifend zerstörten, daß er — als er später im vollen Glanz des Ruhmes stand — ein bereits vom Tode Gezeichneter war. In seinem Sterbejahr — 1921 — sagte er einmal zu mir, als ihm ein Staatspreis von zehntausend Mark zuerkannt worden war: „Hätte ich einen Bruchteil davon in meinen Berliner Jugendjahren gehabt, so brauchte ich heute
Von den Künstlern der „Brücke“ war der Architekturstudent und Autodidakt Karl Schmidt-Rottluff, der dieser 1905 sich bildenden Gruppe von Künstlern den Namen gab, selber der Stillste. Er ist es geblieben, nachdem er als allgemein anerkannter deutscher Meister den ihm innerlich vorgezeichneten Weg bis zur Vollendung gegangen ist und heute in der Berliner Hochschule für bildende Künste wirkt.Es ist eine einmalige Erscheinung in der Geschichte der deutschen Malerei, daß junge Studenten eine Gemeinschaft bildeten mit dem besessenen Ziel, dieser Kunst völlig neue Bahnen zu erschließen.