Rossini, der Genießer? Der Liebhaber feiner Speisen und Schöpfer wohlklingender Musik verbarg auch eine dunkle Seite, die von Krankheit und Depressionen geprägt war.
"Die wörtliche Übersetzung einer 'Eindruckskunst' trifft nicht den Kern der Sache, denn eine von Eindrücken gespeiste Musik gibt es, solange es Musik gibt."Egon Friedell gilt bis heute als der unerreichte Meister einer gleichsam enzyklopädischen Essayistik, mit diagnostischem Röntgenblick begabt und ebenso fähig zu messerscharfer Analyse wie zu glasklarer Interpretation. In seiner "Kulturgeschichte der Neuzeit" sieht der Autor in der Synästhesie - also in der Überschneidung, Wechselbeziehung, Verschränkung und schließlich Verschmelzung der sinnlichen Wahrnehmungen -ein triftiges
"Der Name Impressionismus verdankt sich nicht einem programmatischen Sprechakt, sondern entspringt einer vorwurfsvollen Schelte von Gegnern."Starre Fachbegriffe und zu Termine gefrorene Wörter, die bereits in den allgemeinen Sprachgebrauch eingesickert sind, können verdeutlichen und verwirren, sie vermögen dem Benützer einen Gegenstand ebenso näherzurücken wie ihn zur Unkenntlichkeit zu verfremden. Der Ausdruck Impressionismus ist wohl jedem Freund der Künste - ob Malerei, Literatur oder Musik - geläufig. Aber ist er ihm wirklich vertraut? Oder dient er eher als ein wohlfeiles Etikett,
BerühmtJoseph Schmidt beim Silvesterkonzert der Vaterländischen Front im Goldenen Saal des Musikvereins. Wien, Photographie um 1935.I. "Ach, alles sinkt hinab" - Der 16. November 1942 begann mit freundlichen Vorzeichen für einen schwerkranken Menschen und politischen Flüchtling, der nur wenige Jahre davor noch Kinosäle gefüllt, Rundfunkprogramme beherrscht und Schallplattenfirmen reich gemacht hatte.Der Jude Joseph Schmidt, am 4. März 1904 in einem kleinen Dorf der Bukowina nahe von Czernowitz geboren, hatte als 25-Jähriger binnen kurzem in Deutschland eine Stufe der Karriereleiter
Obwohl jung verstorben, hinterließ der als sperrig geltende Komponist
Max Reger ein vielfältiges Werk, das auf eine lange Schaffenszeit
schließen ließe. Eine Tagung anlässlich seines 100. Todestages lädt
zum Entdecken dieses Œuvres ein.
Der Rückblick auf ein Künstlerleben kann nur ein tastender Versuch sein. Man möchte als Interpret die Wesenszüge eines Charakters erfassen, die prägenden Merkmale des Personalstils begreifen und das Lebenswerk vor dem Horizont einer Epoche verstehen. Hinter dem vergilbten Firnis aber soll ein triftiges, bündiges und gültiges Bild entstehen. Es gilt, mit Methoden der Hermeneutik die Hermetik großer Kunstwerke aufzuschließen, die oberflächliche Verknüpfung von Leben und Werk zu vermeiden, die Gratwanderung zwischen hochnotpeinlicher Abrechnung und demütiger Heiligenverehrung zu
Wahlkampfzeit ist Wahlplakatzeit: Die verbale Botschaft verknappt
sich zu gedrungenen Parolen, freundliche Gesichter verheißen eine
heile oder wenigstens heilbare Welt.
Beim Studium der unzähligen Wahlplakate werden die Verbalstrategien der Politiker ersichtlich. So haben zahlreiche Sprachbilder aus dem Seewesen politische Konnotationen angenommen, die schon in der Antike verwurzelt sind.Wahlkämpfe sind zeitgebundene Ereignisse, hektisch, polemisch, kurzatmig bis zum thematischen Asthma, an aktuellem Geschehen orientiert. Wir sehen in ihrer Sprache und in ihren Bildern - als Plakate wie als Metaphern - Spiegelungen unseres Alltags, der spezifischen Lebensform, des "leibeigenen“ Milieus. So ist es! Ist es so? Gibt es da nicht auch Merkmale einer besonderen
Salzburg und Tirol haben gewählt. Eine linguistische Nachwahlanalyse mit Blick auf allgemein daraus zu ziehende Lehren. Oder: Politjargon als Lehrstück für Leerformeln.In Tirol, wo man sich durchaus politische Veränderungen erwarten durfte, blieb fast alles beim Alten (womit nicht die Person Günther Platter gemeint ist!). Die Devise der ÖVP "Tirol muss regierbar bleiben“ mit der Negativfolie italienischer Verhältnisse und dem Jammerbild eines gestauchten Fiat 500 hat offenbar gewirkt. Und doch darf die seit Urzeiten dominante Partei nicht behaglich frohlocken: Die Wahlbeteiligung von
Die großen Worte über die hohen Werte laufen in Gefahr, durch unbedachten, inflationären Gebrauch zu einer Worthülse zu verkommen. Besinnung auf ihren Gehalt ist geboten.Derzeit rauscht es wieder heftig im Blätterwald und tönt aus aller Munde. Was Politiker sonst eher in Sonntagsreden und zu Wahlkampfzeiten auf der Zunge führen, ist nunmehr als fester Bestandteil des Alltagsjargons und zwischenparteilichen Diskurses zu vernehmen. Die Rede ist von einem Kanon unverzichtbarer Werte, von Transparenz und einer ethischen Neubesinnung, wie sie etwa im Kriterienkatalog der ÖVP gerade Gestalt
Neulich hat mich ein Freund, der nach grammatikalischer und phonetischer Kompetenz kaum von einem Muttersprachler des Deutschen zu unterscheiden ist, verblüfft gefragt: „Warum werden Edelsteine geschliffen, aber Mauern geschleift? Und warum hat man ein Werk geschaffen, aber eine Aufgabe geschafft?“ Ich antwortete etwas zynisch mit einer weiteren Anomalie: „Weil der König seine Boten sandte, und der ORF die Nachrichten sendete.“Mischformen und Alternativen gehören in der Tat zu den Stolpersteinen für jeden ‚Lerner‘ unserer Sprache. Aber auch andere Asymmetrien erschweren –
Sie sind im Leben so berüchtigt wie gefürchtet! Ich meine jene falschen Freunde, die sich in unser Vertrauen einschleichen, um später ihr wahres Gesicht zu zeigen. Aber Erfahrung macht nicht immer klug: Schon sitzen wir dem nächsten Betrüger auf.Auch in der Sprache lauern zweifelhafte Subjekte und führen uns in die Irre. Getarnt durch die gleiche Form legen sie ebensolchen Gebrauchswert nahe, obwohl die Sirene Gleichklang entweder auf Zufall beruht oder längst einem Bedeutungswandel unterlegen ist. Solchen ‚faux amis‘ in einer fremden Sprache trauen, bringt manchmal zum Schaden auch
An markigen Sprüchen, mit denen Politiker ein Ende mit Schrecken verkünden, herrscht in der Weltgeschichte wahrlich kein Mangel. Vielen dieser Parolen sind inzwischen Flügel gewachsen, so dass man sie gerne ‚beschwingt‘ zitiert.Mit den Worten „Alea iacta est“ hat Caesar den Grenzfluss Rubicon und zugleich seine Befugnis als Feldherr überschritten. Der Würfel zum Bürgerkrieg war gefallen. Ciceros notorische Klage über den Verfall der politischen Sitten hat einst Karl Farkas zu „O tempora, o Zores“ verfremdet. Und die an den Gegner Catilina gerichtete Floskel „Quo usque
Vor der laufenden EURO gibt es in diesen Tagen kaum ein Entkommen, auch wenn man das Thema vorsorglich meidet und in Oasen der Stille flüchtet. Der Taxifahrer, der mich zum Bahnhof chauffiert, wirkt echauffiert, wenn er vom Spiel des Vorabends berichtet. Der begeisterte Freizeitsportler bevorzugt bis auf weiteres die Horizontale auf der Couch und lässt andere spielen: Soletti immer dabei!Die Schlagzeilen des Boulevards wechseln abrupt vom beschwörenden "Jetzt hilft nur ein Sieg!" zum vernichtenden "AUS!" Was uns aus den Stadien entgegentönt, erinnert bisweilen bedenklich an Kriegsparolen.
Was sich wie ein Wort gewordener Widerspruch liest, ist semantische Pointe und zugleich Überschrift von Hans Weigels oft aufgelegtem und gern verschenktem Buch "O du mein Österreich". Welche Gegensätze darin hintergründigen Sinn stiften, zeigen Beispiele der folgenden Art: "Wer zu singen vermag, Alles is hin', der beweist dadurch, daß vieles vorhanden und in Ordnung ist." Oder gar: "Nur wer sich nicht kennt, ist ganz er selbst." Und so erscheint dem Autor Österreich als "das staatgewordene Paradox". Was sich schon aus der Beobachtung ergibt, dass zahlreiche kultivierte Einwohner im
Zu den vorrangigen Aufgaben der Sprache, besonders ihres Wortschatzes, gehört die Benennung der Realität, in der der Mensch lebt. Was aber tun, wenn uns der technische Fortschritt neue Fakten und Verfahren beschert, die nach entsprechender Bezeichnung verlangen? In früheren Zeiten hat man da zu Sprachbildern gegriffen, die so konventionell geworden sind, dass ihr metaphorischer Charakter kaum noch auffällt: denken wir nur an den Strom, der aus der Steckdose kommt, oder die Feder, mit der wir schreiben oder die in Fahrzeugen elastische Wirkung entfaltet.Wo es um modernes Lebensgefühl und
Den Anlass zu dieser Glosse lieferte eine naive Frage im alltäglichen Gespräch. Es war darin vom Geruchssinn und der Wendung "jemanden nicht riechen können" die Rede. Die geläufige Phrase zielt ja bekanntlich nicht auf Defizite der Wahrnehmung ab. Ganz im Gegenteil: sie verweist sogar auf eine sensible Nase und einen "guten Riecher" für menschliche Untugenden. Dass uns angenehme Gerüche positiv stimulieren, macht die Parfumbranche erfinderisch und erfolgreiche Produkte zu Verkaufsschlagern.Aber die Rückführung von Sympathie und Abrechnung auf eine sinnliche Erfahrung lässt sich schon
Physische Kleinheit und emotionale Nähe auszudrücken gehört zu den Grundanliegen des Menschen und seiner Sprache. So hat auch das Deutsche ein eigenes Muster der Wortbildung, die Deminutiva entwickelt, die mit besonderen Ableitungssilben das Unterschreiten der Norm, aber auch Nuancen der Zärtlichkeit vermitteln. Aus der Hochsprache kennen wir dafür -chen und -lein. In der österreichischen Umgangssprache dominieren die Varianten -erl und -i.Die Redensart "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr" stellt das Kind dem Erwachsenen gegenüber. Die Liedzeile "Hänschen klein"
Die Überschrift ist nicht bloß der Titel einer erfolgreichen TV-Serie, sondern auch eine gängige Floskel, mit der man bisweilen eine barsche Botschaft liebevoll einleitet und entschärft. So eindeutig und vertraut die Bedeutung dieser Phrase ist, über ihre innere Struktur lässt sich trefflich streiten. Ist aller ein Dativ und mit dem Substantiv übereingestimmt (wie "in aller Öffentlichkeit") oder Genitiv der Mehrzahl (vgl. "in aller Namen")? Durchaus keine triviale Frage: Denn auch die Deutung "in Freundschaft mit allen" ergäbe einen guten Sinn.Apropos Genitiv Plural: Der liegt in
Wie haben Sie die Silvesternacht zugebracht? Kulturbeflissen, nur von philharmonischen Klängen berauscht, oder als Teil einer promillitanten Bewegung, als Lokal-Patrioten in anderer Lesart bei einem Prostkolloquium.Welche Vorsätze für 2008 sind da in unseren Prosecco-Rezitativen laut geworden? Dass man früh die Weichen stellen muss, um Härten zu vermeiden! Dass man das Häuschen, aus dem man gerade ist, nicht jedem zeigen soll! Oder dass man - wie schon einmal an dieser Stelle verkündet - nicht jeden Bock, den man gerade schießt, gleich zum Gärtner machen darf. Ein paar sachdienliche
Wer Kunden für sein Produkt gewinnen will, der muss auch sprachlich darauf aufmerksam machen. Bei kommerziellen Unternehmen spricht man in solchen Fällen nicht von Propaganda, sondern von Reklame. Gerade bei dieser genügt es nicht, das vertraute Alltagsvokabular zu verwenden. Im Gegenteil, es sind zumeist Neuwörter, die gleichsam gegen den Strich gebürstet sind, an denen sich der Leser oder Hörer reibt. Denn unerwartete Formen zwingen den Adressaten zur Auseinandersetzung mit dem verbalen Angebot und damit zwangsläufig auch mit der beworbenen Sache.Diese Erkenntnis wurzelt in einer
Wie kann ein Ereignis, eine politische Entscheidung oder ein sportlicher Triumph historisch genannt werden, wenn sie sich eben erst zugetragen haben oder gar nur für die Zukunft erwartet werden? Eine berechtigte Frage an den Linguisten. Denn in der Tat lassen das Wort Historie und seine Ableitungen an weit zurückliegendes Geschehen denken. Mit einem kunsthistorischen Museum assoziiert man primär Renaissance oder Barock, kaum moderne Happenings oder Videoinstallationen. Ein historischer Atlas verbucht Schlachtorte und ehemalige Reichsgrenzen: Er eignet sich kaum als Wegweiser für eine
"Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze" - aber sie ehrt ihn immerhin mit Standbildern oder Straßennamen. Das gilt für andere bedeutende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in noch höherem Maße. Prominenz und Exzellenz können sich auch auf andere Weise kundtun, scheinbar bescheidener und weniger auffällig, zugleich aber nachhaltiger. Ich denke an Wörter, denen Personen ihr Motiv und Profil verliehen haben.Julius Caesars Zuname ist als Bezeichnung des Monarchen auch in den späteren Wortschatz europäischer Sprachen eingedrungen: deutsch Kaiser und russisch Zar sind dafür
Bildliche Redensarten sind Farbtupfer im grauen Alltag unserer Sprache. Auch wenn sie bereits konventionell geworden sind, bringen sie Frische und Abwechslung: sie erfreuen sich daher nach wie vor großer Beliebtheit. Freilich muss man unter der Oberfläche des Wortlauts die gemeinte Botschaft des Idioms verstehen. Das fällt etwa Kindern oft gar nicht so leicht. Barbara Frischmuth hat in ihrem frühen Buch Amoralische Kinderklapper literarisch entfaltet wie die Ausdrücke "ins Gras beißen" oder "das Gras wachsen hören" auf die kindliche Phantasie wirken können.Doch zurück zur Realität:
Zum 100. Todestag des Komponisten Edvard Grieg.Spricht in unseren Breiten jemand von 2007 als einem Grieg-Jahr? Immerhin ist doch am 4. September 1907 ein norwegischer Komponist mit 64 Jahren gestorben, dem ein unverwechselbares musikalisches Idiom zu eigen ist und dessen Werk nichts von seinem Zauber eingebüßt hat: freilich eher bei Radiohörern als bei Konzertbesuchern, mehr für die Liebhaber als für (selbsternannte), Kenner', deutlicher beim naiv aufnehmenden Publikum als im Kreis gestrenger Kritiker. Ein Vergleich macht uns sicher: Kaum ein namhafter Dirigent verzichtet im Studio auf
Unlängst ist mir "der alte Goethe" begegnet! Nein, weder im Traum auf einer Straße in Weimar noch als Filmfigur auf der Esplanade eines böhmischen Kurorts. Auch nicht als Station einer virtuellen Zeitreise, sondern bloß als Zitat in einem Essay. Warum ist diese gängige Formulierung überhaupt der Erwähnung wert? Weil sich dahinter - genau genommen - drei Lesarten verbergen.Es kann sich (wie in diesem Fall) um den Dichter in seinen späten Lebensjahren handeln. In anderem Kontext müsste der Leser zwangsläufig an Goethes Vater denken, von dem der Poet nach eigenen Worten "die Statur" und
Gelten andere Regeln im Spiel der Mächtigen? Gibt es auch einen politischen Klimawandel, der einen neuen Kalten Krieg herbeiführt? Können amikale Botschaften ("Hab keine Angst, Freund Wladimir!") harte Fakten aufwiegen? Gemeint sind jene geplanten Militärbasen in Polen und Tschechien, die seit kurzem im medialen Jargon als Raketenschild firmieren: manchmal mit männlichem, dann wieder mit sächlichem Artikel; bald mit einem Plural Schilde, aber auch in der Variante Schilder.Nach dem Befund der Wörterbücher bezeichnet der Schild die mit Wappen versehene Schutzwaffe der Ritter. Das Schild
Eben hat ein bundesdeutscher Wettbewerb den Ausdruck Kleinod zum "schönsten bedrohten Wort der deutschen Sprache" gewählt - nein besser: gekürt oder erkoren. Guter Zweiter wurde das Adjektiv blümerant.Bodo Mrozek, ein rühriger wie erfolgreicher Sachwalter von gefährdetem Wortgut, beschreibt Kleinod als Bezeichnung "für ein auf den ersten Blick unscheinbares Ding, das jedoch einen hohen persönlichen Wert haben kann". Bedrohte Wörter seien schon wegen ihres Gefühlswerts in ihrer Schönheit zu bewahren.Man mag das Unternehmen als akademische Schrulle belächeln, doch geschähe damit
Der Wortschatz ist ein empfindliches Instrument. Seismographisch genau reagiert er auf Irritationen im kollektiven Bewusstsein und verbucht Änderungen in unserer Lebenswelt. So entstehen neue Wörter kaum je nur zufällig und von ungefähr. Sie verweisen vielmehr signalhaft auf aktuelle Sachverhalte, reflektieren technische Errungenschaften ebenso wie sie zeitgeistige Phänomene abbilden.Ein Neologismus beherrscht fast monopolhaft die Schlagzeilen der letzten Wochen. Großfeuilleton und Boulevardzeitung berichten in seltener Eintracht über das Komatrinken von jungen Menschen, ja bisweilen
Martin Luther war der Tonfall wichtiger als der Wortlaut. Wenn er als Übersetzer der Bibel auf einen schwierigen Sachverhalt traf, dann half ihm ein geläufiges Sprachbild oder eine populäre Redewendung oft aus dem hermeneutischen Notstand.Auch der Politiker ist gleichsam ein Interpret. Zu seinen vornehmsten Aufgaben könnte es zählen, komplexe Verfahren und voraussetzungsreiche Tatsachen verständlich zu vermitteln: ohne Einbuße an Information und abseits des funktionalen Jargons, der für empfindliche Leser bereits in die Kategorie "rezeptpflichtig" fällt.Nun lässt sich das Vokabular
Bildungszitate haben noch immer hohen Gebrauchswert und genießen soziales Prestige. Im geselligen Smalltalk erweisen sich damit Belesenheit und die Gabe der raschen Assoziation. Und sie ersparen dem Sprecher den Aufwand einer eigenen Formulierung. Aber Zitate bergen auch subtile Gefahren. Manchmal verkehrt bereits die geringste Unschärfe den Sinn. Und wird der Kontext vernachlässigt, so verkommt ein festes Gefüge zum wohlfeilen Steinbruch, an dem sich jeder bedienen kann.Richard Friedenthal, der angesehene Goethe-Biograph, hat eine Kulturgeschichte missbrauchter Dichterzitate gefordert.
Sprache der Politik meint nicht bloß den Wortschatz staatlicher Institutionen, sondern auch den informellen Sprachgebrauch von Politikern und Journalisten im öffentlichen Alltag.Und gerade in diesem Segment entstehen oft köstliche Neubildungen, die komplexe Sachfragen und diffizile Sinnbezirke zu einem schlagenden Neologismus verdichten.Dass das kulinarische Spargelessen auch politische Konnotationen aufweist, ist erst jüngst wieder klar geworden. Die verbale Eintagsfliege für eine Annäherung zwischen Alfred Gusenbauer und Jörg Haider wird immer wieder für gastronomisch getarnte
Über brachiale Übergriffe und zynisches Verhalten amerikanischer, britischer und deutscher Streitkräfte im Irak oder Afghanistan aber hat sich die Weltöffentlichkeit mit Recht empört. Die Frieden herbeiführen und für Ruhe und Ordnung in Krisenherden sorgen sollten, haben selber im Übermaß und am falschen Ort Gewalt ausgeübt und an hilflosen Gefangenen ihren Privatkrieg fortgesetzt. Doch enthebt uns die Verurteilung nicht der Erklärung.Die Sprachgeschichte lehrt uns wieder einmal, dass die Welt auch ehedem nicht heil war. Im Lateinischen bezeichnete latro zunächst den Söldner. Nach
"Singt dem Herrn ein neues Lied!", das Neue Testament, Neuland betreten usw.: Mit dem Neubeginn verbindet sich Hoffnung. Jeder Anfang birgt Chancen und erweckt positive Erwartungen. Er verweist auf ein Morgen, welches das Heute übertrifft und in das wir zwar die Erfahrungen, nicht aber die Fehler des Gestern einbringen.Doch im Unerprobten stecken auch Gefahren. Und so haftet der Neuheit in manchen Sprachen und Kulturen eine semantische Ambivalenz. Im Lateinischen ist der homo novus ein politischer Neueinsteiger und ambitionierter Emporkömmling ohne prominente, in hohen Ämtern bewährte
Die im Titel gestellte Alternative beherrschte nach 1968 den sprachsoziologischen Diskurs. Nach Meinung der einen Richtung sollte der politische, marxistisch bestimmte Terminus Klasse von einem Problemfeld ferngehalten werden, das sich scheinbar mit sprachlichen Förderprogrammen behandeln und sanieren ließ. Die Unterschicht, so lautete die Botschaft, könne für den sozialen Aufstieg gerüstet werden, wenn bereits Schüler im Wege von Grammatik und Vokabular den Code der Mittelschicht erwerben.Die Gegenseite leugnete eine solche Patentlösung: Sprache zähle ja nach alter linker Ideologie
Heute möchte der Kolumnist einmal dem geneigten Leser Rede und Antwort stehen - und versichern, dass ihn persönliche Anfragen immer freuen.Was bedeutet das Adjektiv grottenschlecht und wie leitet es sich her? Der 12-bändige DUDEN bucht das Vokabel neben den vergleichbaren Formen grottendoof,-falsch,-hässlich. Worauf aber geht der Wortteil grotten-zurück? Der Bezug zur Kröte passt semantisch und trägt dem fehlenden Umlaut sowie dem "weichen" k in unseren Breiten Rechnung. Aber der Ausdruck begegnet ja vor allem in der Mediensprache unserer deutschen Nachbarn. Also weg von der Kröte und
Der Wahlkampf war kurz und heftig: polemisch im Stil wie rüde im Umgangston, kurzum ein garstig Lied. Darin stimmen zumindest Beobachter, Journalisten und Parteistrategen überein: letztere sprachen mit Blick auf den Gegner je nach Perspektive von Über-oder Untergriffen.Somit sah die besorgte Öffentlichkeit wieder einmal die politische Kultur arg bedroht. Das Leitmotiv der Berichterstatter geriet zum Leidmotiv der notorischen Sprachschützer, die stets der besseren Vergangenheit nachtrauern. Doch zwischen anscheinend und scheinbar verläuft eine semantische Grenze. Und so zerstört ein
"Auf öffentliche Resonanz folgt das Tribunal marxistischer Kulturkritik. In diesem Spiel schöpferischer Gezeiten werden rastlose Produktionsschübe mit Jahren der Latenz, des Schweigens und der inneren Emigration erkauft."Zum 100. Geburtstag von Dimitri Schostakowitsch. Ein Porträt des Komponisten von Oswald Panagl.Die Nachrufe zum Ableben von Dimitri Schostakowitsch am 9. August 1975 taten sich mit der angemessenen Würdigung nicht eben leicht. Da war zunächst die öffentliche Person, der Repräsentant einer sowjetrussischen Staatskultur, die den Musiker je nach Bedarf und politischem
Es geschah einst in St. Gallen und Karl Kraus hatte seine wahre Freude daran. Im Inseratenteil einer Lokalzeitung stand zu lesen: "König Lehar. Trauerspiel in fünf Aufzügen von W. Shakespeare". Die Glosse des Sprachkritikers dazu trug den Titel "Ich glaube an den Druckfehlerteufel". Denn "da gibt's gar nichts zu lachen ... Der Setzer hat keinen Witz machen wollen", sondern "die Assoziation, die ihm in die Arbeit gerät, ist der Maßstab der Zeit. An ihren Druckfehlern werdet ihr sie erkennen."Auch im Computerzeitalter blickt der Fehlerteufel den Redakteuren bisweilen über die Schulter. So
Vor kurzem hat Martin Kusej als Regisseur von "Höllenangst" in Salzburg einen glänzenden Erfolg gelandet: mit Nestroy und für Nestroy. Die Wortspenden des Schauspielchefs zur Inszenierung waren bemerkenswert: Er wollte dem Stück die Begrenzung einer Lokalposse nehmen, es aus dem Korsett zeitgebundener Umstände lösen und von der Wiener Dialektfärbung säubern, die der Reichweite gültiger Botschaften abträglich wäre. Ein großes Wort, gelassen ausgesprochen und in der Redlichkeit des Gemeinten über jeden Zweifel erhaben.Und doch regt sich Widerspruch, der in schlichter
Skizzen zum Profil von Robert Schumann, dessen Todestag sich zum 150. Mal jährt.Im Mozartjahr 2006 ist das Rampenlicht der öffentlichen Aufmerksamkeit nicht ganz gerecht verteilt. Gegen das werbeträchtige Ausnahmegenie haben es alle anderen Jubilare schwer, ob sie der literarischen Gilde oder der Zunft des Musikers angehören. Von Robert Schumann, der am 29. Juli 1856 gestorben ist, war bislang recht wenig die Rede. Da wurde noch öfter an den 1906 geborenen Dimitri Schostakowitsch erinnert. Und der 1806 verewigte Michael Haydn findet zumindest in seinem regionalen Umfeld und in lokalen
Kurz vor dem wohlverdienten Urlaub haben knifflige Sprachprobleme schlechte Karten. Über den Ursprung der saisonalen Leitwörter nachzudenken, ist wohl gerade noch zumutbar.Urlaub gehört ebenso zu erlauben wie Urteil zu erteilen. Die Erlaubnis, sich vom Dienst zu entfernen, musste einst der Untergebene von seiner Herrschaft einholen, im Mittelalter sogar der Ritter von der Dame seines Herzens. Und ein Urlauber war noch im 19. Jahrhundert keineswegs ein Tourist auf Reisen, sondern ein freigestellter Soldat. Im Sozialwesen unserer Tage ist der Urlaub ein erworbenes Recht der Arbeitnehmer zur
Das laufende Jahr ist mit Jubiläen und runden Gedenktagen so reich bedacht, dass man sich an weniger prominente Termine erst auf Umwegen herantastet. Wie es mir mit Karl Kraus erging. Am 12. Juni 1936, also vor 70 Jahren, ist er gestorben. Aber der Literaturkalender weist noch ein anderes bemerkenswertes Datum aus: 1906 hat der Schriftsteller den Aphorismus als ihm gemäße Ausdrucksform entdeckt. Kraus, damals 32 Jahre alt, hatte bereits Kritiken, Satiren, Essays und Gedichte geschrieben, war als Redakteur hervorgetreten und hatte Die Fackel gegründet, ehe er sich an jene literarische
Noch ist nicht einmal die Halbzeit des Jubeljahres erreicht, doch die musische Galionsfigur erscheint bereits in einer Vielzahl von sprachlichen Kostümen und Maskeraden, die im doppelten Sinn unerhört sind. Kunst und Kommerz haben ihre notorische Allianz mit einer Fülle von Neuwörtern, besonders Markennamen, über die Produktpalette des Marktes ausgegossen. Das mozartig besetzte Angebot lacht uns aus Schaufenstern entgegen und beherrscht die Werbeanzeigen. Ein Bescheid des Österreichischen Patentamtes bestätigt das subjektiv gewonnene Bild.Die Mozartkugel geben wir uns schon lange und
Sprichwörter und Redensarten säumen unsere Lebensbahn. Diese Sprüche, anonym oder an einen Namen geknüpft, ragen noch in unser aufgeklärtes Bewusstsein herein. Auch wenn der Verstand gegen manche populäre Binsenweisheiten rebelliert, werden wir ihren Einfluss nicht einfach los! Sie bleiben über unseren Kopf gestülpt und bedecken Augen wie Ohren.Oft verstärkt noch der Reim als Klangreiz die semantische Aussage: "Sich regen bringt Segen" stachelt den Eifer an, doch das "Eile mit Weile!" warnt vor übergroßer Hast. "Wein auf Bier, das rat ich dir!" regiert die Getränkefolge jedes
Der Alltag verlangt von uns zumeist präzise Wortwahl und exaktes Befolgen der Grammatik. Stilistische Merkmale und leibeigene Vokabel wiederum machen die verbale Physiognomie eines Sprechers aus. Da tut bisweilen eine Nische gut, in der nicht Originalität gefragt ist, die uns vielmehr bequem mit Floskeln, Formeln und Redensarten versorgt: vor allem die Rituale, die Begrüßung, Verabschiedung und Danksagung.Nur wenige antworten auf die Frage "Wie geht es Ihnen?" mit einem detaillierten Bericht über das aktuelle Befinden. Eine Ausnahme bildet vielleicht das Gespräch mit dem Arzt: Doch der
Der Ausdruck Wortschatz vermittelt ein Begleitgefühl des Edlen und Werthaften. Unwillkürlich versteht man darunter ein kostbares Gut, das sorgsam gehütet und bewahrt werden soll. Doch Sprachwandel vollzieht sich beinahe unbemerkt - nicht bloß in Epochen, sondern innerhalb einer Generation und gleichsam vor unseren Ohren. Auch ein akademischer Lehrer kann erleben, dass vor Kurzem noch vertraute Vokabel von seinen Studenten nicht mehr verstanden und allenfalls nach ihrem Wortlaut seltsam umgedeutet werden.Hoffart, einst im Kanon der Todsünden verankert, ist seinem Ursprung nach aus hoch und
"Heiß umfehdet, wild umstritten", um es quasi "bundeshymnisch" auszudrücken, ist im aktuellen öffentlichen Diskurs der Begriff Elite: als Wort wie als Konzept, aber auch in seinen Ableitungen (elitär) und Zusammensetzungen (Eliteuniversität). Da wird bisweilen der Linguist in den Zeugenstand geholt.Führt etwa die Etymologie zu einem objektiven Befund und überbrückt so die Kluft zwischen angestrebtem Ziel und prekärer Gefahr? Der sprachliche Sachverhalt ist so klar wie bündig: Das Wort für "Auslese" ist vor 300 Jahren als Element einer Kulturtrift aus Frankreich zu uns gelangt. Das
Mozarts Balanceakte auf dem Drahtseil der Sprache.Mozarts sprachliche Zeugnisse im Gewand von Briefen, Gedichten und anderen literarischen Parerga zu ignorieren, käme einer Verstümmelung seiner Persönlichkeit gleich, wäre mehr als bloß eine heuristische Unterlassungssünde, als der mutwillige Verzicht auf eine marginale Erkenntnisquelle. Indem sich Mozart äußert, entäußert er sich zugleich, das Individuum gibt sich preis, setzt sich frei, spannt und entspannt sich.Psychohygiene ...In Mozarts Sprache haben manche Kenner ein Komponieren mit anderen Mitteln gesehen. Das meint wenigstens
Der Wohnungsnachbar sagt es schon am Morgen, und der Briefträger schließt sich an. Die Kassierin im Supermarkt tut ein gleiches. Gute Freunde sprechen die Botschaft in den Anrufbeantworter: "Guten Rutsch!" oder "Rutschen Sie gut!" Gibt es denn so viel Glatteis in der Silvesternacht? Oder will man der Gefahr des Ausgleitens sprachlich ähnlich begegnen wie mit dem so gefährlich klingenden "Hals- und Beinbruch"? Oder bedeutet rutschen einfach nur den plötzlichen, aber unmerklichen Übergang von einer Jahreszahl in die andere, den uns Uhren und Kirchenglocken verkünden?Deutungsversuche
Gewöhnlich führt vom ersten Beleg eines sprachlichen Ausdrucks bis zu seiner gegenwärtigen Form ein geradliniger Weg. Das gilt für die Lautgestalt wie für das Bedeutungsprofil. Aus althochdeutschem fater wird ein moderner Vater, und Fuß, das auf fuoz zurückgeht, bezeichnet den nämlichen Körperteil wie sein Vorgänger. Der sachliche Unterschied zwischen Vieh (zuerst fihu) und englisch fee (ursprünglich feoh) lässt sich kulturhistorisch erklären: Als der Besitz an der Größe der Herden gemessen wurde, konnten deren Bestände auch eine pekuniäre Lesart wie "Betrag, Gebühr"
Was ist ein Gepäcksträger? Ein Dienstmann, der schwere Koffer befördert, oder ein Gestell auf dem Fahrrad? Könnte mit Rasenmäher außer dem Gerät zur Gartenpflege auch der Mensch gemeint sein, der es bedient? Und ist ein Schläger immer ein brutaler Zeitgenosse oder auch des Tennisspielers kultisch gehütetes Sportgerät? Für die passende Lesart ist jeweils das Umfeld des Wortes und das Gesprächsthema zu beachten.Substantive mit der Endsilbe -er gibt es im Deutschen wie Sand am Meer; vom Lehrer zum Hörer über den Käufer und Leser reicht der Kernbestand dieser Täternomina'. Aber
Die finanzielle Selbstständigkeit der Frau "ist der letzte Schritt zum Bolschewismus", die materielle Abhängigkeit des Mannes von seiner Partnerin führt ins Desaster: "Das sind halt so Naturgesetze." Aus der Natur haben die "armen Kulturmenschen ... eine Zwangsjacke" gemacht. Doch ist "die gestrige Blutwurst - ein Gedicht!", dagegen aber "das Weib - ein Rätsel, eine Sphinx".Die Personen, die solches von sich geben, hat Ödön von Horváth in seinen bitterbösen "Geschichten aus dem Wiener Wald" auf die Bühne gestellt und ihre gesammelten Gemeinplätze in einem Aufsatz als Bildungsjargon
Unsere Alltagssprache ist durchwachsen von festen Redensarten mit bestimmten Merkmalen: meist zweigliedrige Struktur, Ursprung im rechtlichen oder sakralen Bereich und ein altertümliches Profil, das wenigstens einen Bestandteil der Fügung auf die jeweilige Formel beschränkt. Durch Stabreim oder Endreim erhält der Ausdruck seinen lautlichen Reiz und eine unverhoffte Gedächtnishilfe: frank und frei, Stock und Stein, schlecht und recht oder Dach und Fach.In frank und frei ist das erste Adjektiv aus französisch franc ("frei") entlehnt. Der Stock bezeichnet als Wortpartner von Stein den
Die Spaßgesellschaft ist in aller Munde: als nüchterner sozialer Befund, als kritische Diagnose oder als erstrebenswertes Zivilisationsgut. Doch wer redet sonst heute noch von Spaß? Fun lautet die Devise!Dabei zählt das scheinbar altmodische Vokabel gar nicht zum Urgestein unseres Wortschatzes: Erst im 17. Jahrhundert ist es, zunächst in seiner italienischen Grundform Spasso, im Deutschen heimisch geworden und hat sein Umfeld (spaßig, spaßen, Spaßmacher) ausgebildet. Dass die Wortsippe offenbar einem Bedarf entsprochen hatte und daher bald populär wurde, zeigen Idiome wie "Spaß
Die im Titel gestellte Frage erscheint trivial, schon längst gelöst und im Grunde rhetorisch! Jede Grammatik, auch kleine Ausgaben des duden, geben für den Zweifelsfall gründliche Auskunft. Wörter ist der Plural eines einzelnen Vokabels, während Worte die Mehrzahl der Bedeutung "Ausspruch, Wortgruppe", allenfalls eines besonders gewichtigen Ausdrucks darstellt.Daher heißt es korrekt "Manche Worte Goethes haben es zur Zitatreife gebracht", aber andererseits "Viele Wörter in Goethes Texten sind heute ungebräuchlich". Dagegen klingen Sätze wie "Der Redner hat bewegende Wörter gefunden"
Was verbindet Politiker und Journalisten? Jedenfalls ihre gemeinsame Vorliebe für die Redewendung vor Ort. Ob es sich um eine Naturkatastrophe oder einen Parteitag handelt, Reporter machen sich flugs auf den Weg, um vor Ort darüber zu berichten. Wer ein öffentliches Amt ausübt, ob als Minister, Bürgermeister oder Gewerkschaftsfunktionär: es gehört zu seinem Selbstverständnis, sich vor Ort über Sachverhalte, Probleme und Anliegen zu informieren. Das bezeugt Bürgernähe und spricht für Engagement. Doch warum geschieht das alles nicht am Ort? Oder noch deutlicher gesagt: an Ort und
In diesen Wochen ist viel vom Pontifikat und seinem Vertreter, dem Pontifex Maximus, die Rede. Der Tod des Papstes, die Vielzahl von Nachrufen und Reflexionen über Amt und Person, die Ansprüche und Erwartungen an den Nachfolger gaben das Thema fast zwingend vor. Das Kirchenoberhaupt als "Brückenbauer" meint ebenso den spirituellen Vermittler zwischen feindlichen Lagern wie den umsichtigen Architekten neuer Verbindungswege. Eine Metapher mit Sitz im Leben, ein Sprachbild, das sich spontan mitteilt und fest einprägt!Wie so oft hat die Kirchensprache auch hier im Altlatein verbale Amtshilfe
Sprachgeschichte weist gewöhnlich in die Vergangenheit und ist in Handbüchern gut dokumentiert. Doch bisweilen werden wir Ohrenzeugen eines Sprachwandels in der Nussschale. Ein neues Vokabel tritt auf, greift um sich, wird zum Modewort, das sich kaum ein Politiker oder Journalist entgehen lässt: der öffentliche Wortschatz hat Zuwachs bekommen.Das Adjektiv suboptimal hätte man noch vor wenigen Jahren vergeblich nachgeschlagen. Jetzt verzeichnet es die Neuauflage des Duden: als Anglizismus mit der Bedeutung "weniger gut". Die nahe liegende Frage, warum man einen so trivialen Sachverhalt mit
Wieder einmal wurde beim deutschen Nachbarn ein Unwort des Jahres gekürt. Den negativen linguistischen Oscar erhielt diesmal Humankapital. Nicht die unverfänglichen Bestandteile selbst sind es offenbar, die das Vokabel der öffentlichen Sprache stigmatisieren, sondern ihre Engführung und Kombination. Auch bei Menschenmaterial, Personalressourcen, Bildungsreserven, Schülerpotenzial oder Patientengut wehrt sich unser ethisches Empfinden gegen den semantischen Befund, dass menschliche Wesen zur Ware oder einem Zahlungsmittel degradiert werden, dass ihr Wert sich an der Verfügbarkeit und den
Nachsilben, Ableitungselemente oder Suffixe, wie Linguisten sie nennen, zählen zu den unscheinbaren Merkmalen im Sprachsystem. Doch bisweilen entfalten auch sie ihr Eigenleben. Das Suffix -isch dient gewöhnlich der Ableitung von Eigenschaftswörtern aus Substantiven: Seelisch ist das Pendant zu leiblich und im Wortpaar himmlisch - höllisch liegt der semantische Gegensatz ausschließlich im Grundwort. Gleichwohl gibt es eine Bedeutungsnische, in der die Nachsilbe allein einen abwertenden Sinn vermittelt. Ein kindliches Gemüt unterscheidet sich von einem kindischen Verhalten. Während
An dieser Stelle war schon mehrmals von Grenzfällen der Norm und seltsamen Neubildungen die Rede. Der Autor hat dabei eher den verständnisvollen Wegweiser als den gestrengen Sprachpolizisten gespielt.Denn in der Tat: der Fehler von heute, tritt er nur häufig genug auf und ist psychologisch begründet, wird nicht selten zur erfolgreichen Neuerung von morgen. In mundartlicher Rede, aber selbst schon in gehobener Umgangssprache hat das Verbum lernen (mit dem Dativ) das eigentlich für den Vorgang einer Unterweisung korrekte lehren (mit dem Akkusativ) verdrängt. "Ich habe ihm Schwimmen
Wieder zu entdecken: vier Novellen von Prosper Mérimée.Der Welterfolg eines bestimmten Werkes erweist sich nicht selten als Hemmschuh für die Rezeption und gerechte Würdigung anderer Leistungen eines Künstlers. Zumal wenn sich die Bedeutung der literarischen Vorlage hinter dem Ruhm eines musikalischen Bühnenwerks verbirgt. Georges Bizets "Carmen" (1875), nach einer verlässlichen Statistik die weltweit meistaufgeführte Oper des gesamten Repertoires, geht bekanntlich auf Prosper Merimées großen Prosatext von 1845 zurück.Kaum bekanntAber was weiß man heute außerhalb der
Die beiden Zeitwörter im Titel dieser Glosse sind fest auf einander bezogen: im Bewusstsein der Sprecher, aber auch im Gewand von Spruchweisheiten. So steht das vielzitierte "Geben ist seliger denn nehmen" bereits in der Übersetzung der Apostelgeschichte. Die inhaltliche Bindung von geben und nehmen erweist sich, als Betrachtung des gleichen Sachverhalts aus verschiedener Warte. Wenn beim Kartenspiel ein Teilnehmer gibt, so nehmen seine Partner das Blatt auf. Das Übergeben und Übernehmen eines Auftrags sind bloß unterschiedliche Perspektiven ein und desselben Vorgangs. Das galt schon in
Wie funktioniert die politische Sprache in Österreich? Gedanken zu einem neuen Forschungsprojekt.Ist Hump-Dump ein beliebter Auszählreim im Kindergartenmilieu oder die Ausrede eines Politikers, der sich in der Wortwahl vergriffen hat und seinen Ausrutscher, also Lump, nicht zugeben will? Ist Mitteleuropa nur ein geographischer Begriff oder vielmehr auch eine politische Vision, die auf das gemeinsame kulturgeschichtliche Erbe setzt? Werden Wahlzuckerln nur als Lutschbonbons verteilt oder sollen sie uns auch mental die Zukunft versüßen - rezeptfrei und ohne unerwünschte Nebenwirkungen?
Die Sprachnorm schreibt Unterscheidungen vor, die guten Sinn machen, obwohl sie dem Wortschatz nicht in die Wiege gelegt wurden. Wider "gegen" und wieder "zurück, von neuem" waren einst ein identisches Wort mit einem breiten Bedeutungsspektrum. In den Formen Wiederkehr oder Wiederbeginn im Gegensatz zu Widerruf bzw. Widerstand gibt es kaum orthographische Probleme. Bei Widerhall und Widerschein jedoch mag ein nachdenklicher Sprecher zweifeln, ob der Klang bzw. der Abglanz da entgegenkommt oder vielmehr wiederkehrt.Auch der geforderte Unterschied zwischen derselbe und der gleiche ist
Der Ausdruck Partnerschaft hat in unseren Tagen sprachliche Hochkonjunktur. Er vermittelt positive Begleitgefühle, benennt einen wünschenswerten Sachverhalt und hat sich mehrere Sinnbezirke erobert: In der Geschäftswelt, im Sozialbereich, besonders aber in der privaten Zweisamkeit steht dieser Wertbegriff für wechselseitiges Verständnis, offene Auseinandersetzung, gleichgestimmtes Verhalten.Die Lebensgemeinschaft, gleichsam die Ausbaustufe eines Zusammenseins, hat gerade in jüngster Zeit lebhafte Diskussionen ausgelöst. Vor allem als Legitimation gleichgeschlechtlicher Paare
Anmerkungen eines Linguisten zur aktuellen Rechtschreibdebatte.Um es gleich deutlich zu sagen: Ein historischer Sprachwissenschaftler lässt sich von orthographischen Streitfragen nur schwer aus der Ruhe bringen. Wenn er neben der Wortgeschichte auch den Sprachenvergleich zu seinem Fach erwählt hat, blickt er kühl und gelassen auf die hitzigen Erregungen und veröffentlichten Meinungen der jüngsten Zeit. Nicht aus Nachlässigkeit oder um sich einer Verpflichtung zu entziehen, sondern aus der festen Überzeugung, dass jede Reform einer Sprache, die weit über 1.000 Jahre schriftlich
Neu ist ein Eigenschaftswort, das nicht bloß Zustände und Sachverhalte bezeichnet, sondern auch Hoffnungen und Erwartungen weckt. Den inhaltlichen Kern umgibt ein positiv besetzter semantischer Hof. Man wählt eine neue Regierung, freut sich auf den neuen Urlaubsort, vertraut einem neuen Freund oder Lebenspartner, wünscht einander alles Gute zum neuen Jahr - und ist im übrigen neugierig auf alle Neuigkeiten. Dabei ist dieses so frisch und jung wirkende Vokabel sprachgeschichtlich geradezu ein ehrwürdiges Fossil. Es zählt mit seinen Vorfahren zum Urgestein des indogermanischen
Konzertpausen wollen überbrückt werden, und auch nach Tisch bereichert der künstlerische Disput das Repertoire der geselligen Unterhaltung. Wer sich dabei nicht auf das glatte Parkett von Opuszahlen wagt oder die Untiefen der zugehörigen Tonarten scheut, hält sich gern an griffige Titel. Kein Wunder also, dass namhafte' Orchesterwerke wie die Jupitersymphonie, die Eroica und die Pastorale, die Unvollendete oder die Pathétique sich beim breiten Publikum weit größerer Beliebtheit erfreuen als ihre musikalisch ebenbürtigen, aber anonymen' Geschwister aus der Feder von Mozart, Beethoven,
Unter den Dichtern gibt es Verbalakrobaten und Wortvirtuosen. Einer von ihnen, Fritz von Herzmanovsky-Orlando, ist vor 50 Jahren gestorben. Schon der Titel seines Bühnenstücks "Kaiser Joseph II. und die Bahnwärterstochter" ist als Anachronismus Anlass zum Schmunzeln. Das setzt sich im Personenverzeichnis mit der Obersthofmeisterin Gräfin Primitiva von Paradeyser und Streckenarbeitern mit den seltsamen Familiennamen Nebelkettinger, Mugelschupfer oder Trummruckinger fort. Ein weiterer Akteur Franz Teuxelsieder bekleidet die Funktion eines
Es gibt verbale Eintagsfliegen, die nach kurzem medialen Höhenflug so plötzlich verschwinden, wie sie davor für einen aktuellen Benennungsbedarf aufgekommen sind. Wer erinnert sich heute noch an den Baummörder? War das ein Frevler an der Natur oder ein Verbrecher, der seine Opfer bevorzugt unter Bäumen erledigte?Aber es gibt auch Ausdrücke, die scheinbar jäh auftreten, in Wahrheit aber eine lange Wortgeschichte hinter sich haben. Zu diesen späten Heimkehrern zählt Nachhaltigkeit. Vom besorgten Leitartikel über den kritischen Lagebericht bis zur kommerziellen Erfolgsbilanz, im
Im Spätwinter waren die beiden populärsten Sportarten Österreichs Konkurrenten der öffentlichen Aufmerksamkeit. Der spezifische Wortschatz und typische Jargon beider Bereiche hat sich längst - nicht ohne Zutun der Medien - in der Umgangssprache eingenistet. Ein kritischer Blick beweist im Verein mit einem wachen Ohr, dass der moderne Jargon von Piste und Rasen ebenso auf Dauerleihen angewiesen ist, wie er auf andere sprachliche Felder ausstrahlt.Wenn unsere Schi-Asse Gas geben oder im Stangenwald einfädeln, so sind die fremden Bildspender unschwer auszumachen. Zugleich aber haben
Zur Staatsopernpremiere am Gründonnerstag: Wagners "Parsifal" im Spannungsfeld von Kunst und Religion.Es beginnt schon mit der so ominösen wie monströsen Bezeichnung des Werks als Bühnenweihfestspiel. Der Ausdruck vermittelt Assoziationen an ein Mysterium, lässt esoterische Begleitgefühle entstehen. Gleichwohl hat Richard Wagner durchwegs ästhetisch und bühnenpraktisch gedacht, als er für sein opus ultimum besondere Aufführungsbedingungen schaffen, es vom schlampigen Routinebetrieb der Opernhäuser seiner Zeit fernhalten wollte.Die Aura des Liturgisch-Erhabenen setzt sich fort mit
Die Millionenshow, Österreichs kapitaler Straßenfeger, zur besten Sendezeit - pardon: in der ORF-Primetime - ausgestrahlt, erfordert mitunter außer purem Wissen auch sprachliche Erfahrung und ein reifes Lebensalter. Immerhin war dem Veranstalter unlängst eine scheinbar simple Aufgabe satte 150.000 Euro wert. Auf die Frage, wie man das "Ave Maria" nenne, wurden vier Varianten zur Auswahl gestellt: der italienische, der spanische, der französische oder der englische Gruß. Der Geprüfte entschied sich nach kurzem Nachdenken für Italien. Vielleicht wegen der Nähe dieser Sprache zum Latein.
Scheinbar ist kein Ausdrucksregister unserer Sprache einfacher zu benützen als die Verneinung, zumal die Variante mit der negierende Vorsilbe un-. Die Adjektive ungerecht, ungünstig, unfrei, untreu, unbequem usw. verwandeln die positiven Eigenschaften in ihr Gegenteil, wobei sie bisweilen Konkurrenz von bloß negativen Wörtern erhalten: so alterniert etwa ungut mit schlecht, unfroh mit traurig, unschön mit hässlich.Aber der Schein eines simplen Sprachmechanismus trügt: Allenthalben zeigen sich Lücken im System, und die Ausnahmen überwuchern mitunter den Regelfall. So lassen sich
Nach einem nicht sehr ermutigenden Bonmot ist der Umgang mit Fremdwörtern eher Glücksache: für den Sprecher oder Schreiber, dass er sie richtig gebraucht, für den Hörer und Leser, dass er sie nicht missversteht.Seit Jahrhunderten bemühen sich Sprachreiniger ebenso unverdrossen wie vergeblich, ihr geliebtes Deutsch von allen verbalen Importen freizuhalten. Das Unternehmen muss schon deshalb scheitern, weil neue Gegebenheiten aus Kultur, Zivilisation, Technik auch einen angemessenen Wortschatz benötigen. Andernfalls gilt Hans Weigels boshafter Ausspruch, wonach der strenge Sprachpurist
Der Müllcontainer einer deutschen Autobahnraststätte ist laut Hinweistafel nur für Reiseabfälle vorgesehen: "Zuwiderhandlung wird als missbräuchliche Verwendung zur Anzeige gebracht". Was dem erstaunten Leser dieses Verbotsschilds ins Auge springt, ist Amtsstil in voller Reife, ja gleichsam im infektiösen Stadium. Und doch nur die Spitze eines sprachlichen Eisbergs.Wer kennt sie nicht, die vielen Abstrakta auf -ung, die zahlreichen hauptwörtlich gebrauchten Infinitive (das Abstellen, das Verzehren), alle die sperrig-unsinnlichen Fügungen und Schablonen, die unverkennbar dem
Das Wort Krise ist ein Dauergast in der Medienlandschaft. Politische Verhältnisse, wirtschaftliche Unternehmen, kulturelle Einrichtungen, zwischenmenschliche Beziehungen - allesamt stecken sie in einer tiefen Krise. Dabei ist dem Vokabel seine schlimme Bedeutung keineswegs in die Wiege gelegt. Die Form krisis aus dem Griechischen bezeichnete zunächst nur eine fällige Entscheidung, den Umschwung und Richtungswechsel aus einem Dauerzustand oder schwierigen Prozess. Gerade die Fachsprache der Medizin kennt diese Lesart von Krise noch heute: Auf dem Höhepunkt einer Krankheit fällt die
Wer in seiner Wohnung nicht auf kahle Wände schauen möchte, der schafft sich Bilder an. Er muss aber darauf achten, dass diese farblich wie motivisch in das Ambiente passen, und dafür sorgen, dass sie möglichst nicht schief hängen. Sonst gerät der erwünschte Blickfang bald zum lästigen Stein des Anstoßes.Im Gebäude der Sprache geht es nicht viel anders zu. Im grauen Alltag von Konventionen und starrer Rede sucht man nach bunter Abwechslung, nach schmucken Figuren und bildlichem Dekor: Im Fachjargon hat sich für diese Erneuerung des verbalen Inventars der Terminus Metapher
Ein Leserbrief ermutigt den Sprachkritiker, nochmals das Thema Regelverstöße aufzugreifen. Anlass der Zuschrift war die im öffentlichen Jargon fast schon übliche Un-Form' in keinster Weise. Dieser seltsame Superlativ sprengt das System der Grammatik, die für unbestimmte Pronomina keine Steigerung vorgesehen hat. Warum ich diesem sprachlichen Ungetüm mit einem nachsichtigen Lächeln begegne, ist seine offenkundige, geradezu augenzwinkernd-charmante Verletzung der Norm. Da wollte wohl einmal jemand einer Negation besonderen Nachdruck verleihen und hat dabei unwillkürlich oder spielerisch
Die politische Karriere von Österreichs populärstem Personalexport zeichnet sich zwar erst ab, doch linguistische Erfolge im Revier der Neuwörter sind Arnold Schwarzenegger schon jetzt kaum streitig zu machen. Immerhin hat seine Filmrolle als Terminator die Journalisten bereits vor Jahren zum Ruhme Hermann Maiers fündig werden lassen und zeitigte damals den Neologismus Herminator, eine originelle Verschränkung von Schwarzeneggers Alter Ego mit dem Vornamen des Skistars. Nun schlägt die sprachliche Kreativität der Medien auf den Auslöser der Euphorie zurück: der Gouverneur in spe
Der professionelle Sprachforscher begegnet immer wieder notorischen Stolpersteinen von Orthographie und Wortlaut: ob auf der freien Wildbahn der Zeitungslektüre oder in Anfragen verunsicherter und skrupulöser Sprachbenützer. Zu den linguistischen Dauerbrennern' zählen die Bildungsvokabel Peripatetiker und Etymologie. Ich meine, dass in wenigstens der Hälfte der Fälle beide Wörter falsch, weil mit -th- geschrieben sind. Dabei ist der sprachhistorische Befund eindeutig: Die griechische Philosophenschule nennt sich nach der Wandelhalle, dem Peripatos, hat also nichts mit Pathos zu tun. Und
Die semantische Bündigkeit eines Ausdrucks verhält sich oft verkehrt proportional zur Häufigkeit seines Gebrauchs. Wovon alle ungeschützt und folgenlos reden, das verfällt der Beliebigkeit. Die fehlende Kontrolle des Gehalts führt zu Willkür. Endstation Leerformel.Diese Gefahr besteht auch bei der vielberufenen politischen Kultur. Jeder führt sie im Mund, jeder versteht etwas anderes darunter: liberale Gesinnung, Toleranz gegen Andersdenkende, klare inhaltliche Konzepte, ausgereifte Ideen - oder auch: höfliche Umgangsformen, korrektes Diskussionsverhalten, vielleicht auch bloß das
Siegreiche Armeen lassen sich gern als Befreier feiern: dieser Nimbus soll nachträglich Sinn für die Kriegsgräuel stiften, soll ein opferreiches Kampfgeschehen zur historischen Notwendigkeit verklären und dem Blutzoll die Weihe höherer Gerechtigkeit zusprechen. Die - im doppelten Sinn - betroffene Bevölkerung empfindet das freilich zumeist anders. Was in der Euphorie einer beendeten Zwangsherrschaft zunächst als Befreiung anmutet, erweist sich in den Niederungen eines mühseligen und kargen Nachkriegsalltags bald als belastender Oktroi. Und die öffentliche Meinung kippt binnen kurzem
Unser Sprachgebrauch laboriert an chronischer Superlativitis: in verschiedenen Bereichen der Öffentlichkeit, aber auch in den Nischen privaten Umgangs. Da haben zunächst dynamische Adjektive aus dem Lateinischen Hochkonjunktur. Doch nicht genug mit der importierten Steigerungsform: es kommt noch eine weitere deutsche Endung hinzu: So liest und hört man von "extremsten Anforderungen", "maximalstem Leistungsdruck" oder "optimalstem Urlaubswetter".Wortverbindungen wie weitgehend, gutaussehend oder vielgelesen werden nach dem gramatikalischen Regelwerk des Deutschen nur im Vorderglied
Namen sind - je nach Redewendung - Schall und Rauch, Vorzeichen ("Nomen est omen") oder anstößig ("Nomina sunt odiosa"). Jedenfalls sind sie willkürlich und werden in besonderen Sprechakten (z. B. der Taufe) zugeteilt.Auch im Schienenverkehr tragen einige Züge seit langem prominente Namen. Der Orientexpress avancierte zum Schauplatz von Kriminalgeschichten und Filmsujets. Der Transalpin firmierte einst als Symbol für Hochgeschwindigkeit und durchmessene Bergwelt. Der Mozart verband zahlreiche Wirkungsstätten des Komponisten: Paris, Augsburg, München, Salzburg, Wien.Ein Blick auf den
Zur Jahresbilanz gehört auch die sprachliche Diagnose. So hat das Grazer "Projekt Österreichisches Deutsch" zusammen mit der APA und einer Fachjury unlängst das Wort wie das Unwort 2002 bestimmt. Dass sich diese österreichische Initiative von dem bundesdeutschen Unternehmen abkoppelt, macht Sinn und soll nicht mit Chauvinismus oder Provinzialismus verwechselt werden. Denn die "Wahlsieger" des Nachbarstaates aus vergangenen Jahren sind uns ziemlich fremd (Diätenanpassung, Rentnerschwemme, Wohlstandsmüll) oder wirken allenfalls skurril (sozialverträgliches Frühableben).Zum Spitzenwort
Es war schon im heißen Herbst 1999 das politische Schlagwort der Saison, vom Bundespräsidenten höchstpersönlich in die öffentliche Diskussion geworfen: Vor überhasteten Entscheidungen seien Sondierungsgespräche zu führen. Dass sich das Neuwort zum Terminus des Politjargons verfestigt hat, wurde nach dem 24. November 2002 klar: Unisono wurde erneut der Ruf nach Sondierungsgesprächen laut.Was macht das umständliche Vokabel so attraktiv? Es klingt seriös und bleibt doch unverbindlich, erweckt Hoffnungen, setzt Perspektiven und bewahrt zugleich die Möglichkeit zu Widerruf und
Über die Keimzelle sprachlicher Kreativität.Das scheinbar so elementare Vokabel Wort birgt in seinem Verwendungsspektrum eine Fülle von semantisch wohl unterschiedenen Lesarten. Von der kleinsten selbständigen sprachliche Äußerung des Menschen mit bestimmtem Bedeutungsgehalt (Plural Wörter) bis zur zusammenhängenden Äußerung (Plural Worte). Die gleiche Mehrzahlbildung charakterisiert auch die benachbarten Gebrauchsarten: zunächst "Ausspruch" wie in "dieses Wort stammt von Schiller" oder "ein geflügeltes Wort", dann aber auch "Text" ("eine sozialkritische Analyse in Wort und Bild").