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Digital In Arbeit

Der Bann ist gebrochen

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Als die Mitglieder der Parlamentarischen Hochschulkommission am Freitag abend im Bundessportheim Baach beim Wachauer Wein saßen, da spürte man aus der gelockerten Unterhaltung das Erstaunen, ein ungewohntes Gefühl der Erleichterung — war man doch diesmal im gemeinsamen Bemühen um die Hochschulreform einen merkbaren Schritt weitergekommen. Nicht, daß die eben beschlossenen Empfehlungen über das Berufungsverfahren und die Emeritierung schon die Zentralprobleme des Hochschulwesens darstellten — aber der Bann schien gebrochen, die Atmosphäre entspannt; die auch jetzt noch immer wieder scharfen Debatten waren sachlich geblieben. Zum erstenmal in diesem Jahr der Arbeit — abgesehen von der Einigung über die Studienkommissionen im Frühsommer — waren Reihen von Anträgen mit wechselnden Mehrheiten, aber sicher und ohne einseitige Frontenbildung angenommen worden; Anträge, die geeignet schienen, so manche strittige Frage des universitären Lebens auch vorweg zu lösen, ohne eine komplette Strukturreform abzuwarten.

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Als die Mitglieder der Parlamentarischen Hochschulkommission am Freitag abend im Bundessportheim Baach beim Wachauer Wein saßen, da spürte man aus der gelockerten Unterhaltung das Erstaunen, ein ungewohntes Gefühl der Erleichterung — war man doch diesmal im gemeinsamen Bemühen um die Hochschulreform einen merkbaren Schritt weitergekommen. Nicht, daß die eben beschlossenen Empfehlungen über das Berufungsverfahren und die Emeritierung schon die Zentralprobleme des Hochschulwesens darstellten — aber der Bann schien gebrochen, die Atmosphäre entspannt; die auch jetzt noch immer wieder scharfen Debatten waren sachlich geblieben. Zum erstenmal in diesem Jahr der Arbeit — abgesehen von der Einigung über die Studienkommissionen im Frühsommer — waren Reihen von Anträgen mit wechselnden Mehrheiten, aber sicher und ohne einseitige Frontenbildung angenommen worden; Anträge, die geeignet schienen, so manche strittige Frage des universitären Lebens auch vorweg zu lösen, ohne eine komplette Strukturreform abzuwarten.

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Man war sich schon am Beginn der Sitzung einig, daß das Berufungsverfahren beschleunigt werden müßte, daß die Altersgrenze der rlfio preq .eiper. Neuregelung bedürfte, daß zur Rektorswahl auch die- Studenten und die Assistenten zugezogen werden sollten und daß auch die Habilitationsnorm reformiert gehöre. Über das Wie und Wieweit gingen die Meinungen stark auseinander. Man fand sich aber immer wieder auf allgemein akzeptablen Kompromißfonmeln.

Auch Studenten wählen Rektoren

So wurde empfahlen, die freiwerdenden Dienstpasten für Professoren und Assistenten auszuschreiben — der noch vor zwei Jahren hart umstrittene Vorschlag wurde diesmal ohne jede Debatte übernommen. Die Vorarbeiten sollten schon zwei Jahre vor dem vorauszusehenden Ausscheiden eines Professors anlaufen. Damit hätten Universität und Ministerium je ein Jahr Zeit, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um Gewähr zu geben, daß beim terminmäßigen Freiwerden der Lehrkanzel der Nachfolger ernannt sei. Die Emeritierung soll nun nicht mehr mit dem 70. Jahr, tatsächlich nach .dem Ehrenjahr mit 71 Jahren, erfolgen, sondern schon spätestens mit 68 — aber nun soll der Professor auch das Recht erhalten, auf eigenen Wunsch schon mit 60 oder 65 Jahren von seinen Amtspflichten entbunden zu werden. Daß die Lehrbefugnis unberührt bleibt, um auch den alten Lehrer und Forscher noch der Wissenschaft zu erhalten, stand auch kaum zur Diskussion.

Alle, denen der Rektor Repräsentant ist, sollen auch an seiner Wahl mitWirken — nur die Frage nach der stärkenmäßigen Repräsentation blieb offen. Die Vorschläge schwankten je nach Gruppe — aber auch innerhalb der Gruppen — zwischen dem Anspruch, die Hälfte aller Sitze im Wahlmännergremium zu stellen und der Urabstimmung mit Wahlpflicht, um jeden Universitätsangehörigen mit seinem Stimmzettel mitwählen zu lassen. Hier brach zum ersten Male die Dreiergruppierung auf — die Lektoren und Lehrbeauftragten hatten schon im Sommer in Klagenfurt dagegen protestiert, mit einer einzigen Stimme in der Kommission nicht ihrer Bedeutung gemäß vertreten zu sein. Nun wurde anerkannt, daß es mehr als nur drei Gruppen — Professoren, Assistenten und Studenten — auf akademischem Boden gebe. Wie weit nichtbeamtete Dozenten, Lehrbeauftragte, wissenschaftliche Beamte und nichtwissenschaftliches Personal an der Rektorswahl mitwirken sollen, mögen die einzelnen Hochschulen selbst zahlenmäßig entscheiden — ihr Mit- spracherecht wurde ebensowenig in Frage gestellt wie das der Studenten.

Auch die Diskussion um die Habilitierung konnte dann keine unüberwindbaren Hindernisse mehr bringen. Mehrere der Studenten wollten sie zwar nur im Sinn einer Prüfung der wissenschaftlichen und pädagogischen Qualifikationen bei der Auswahl der Bewerber um einen ausgeschriebenen Dienstposten verstanden wissen. Hierbei sollten nicht nur ad hoc verfaßte Habilitationsschriften gewertet werden,, sondern alle wissenschaftlichen Arbeiten, einschließlich der Teilnahme an gemeinsamen Forschungsprojekten, aber auch die Fähigkeit, das Wissen den Studenten weiterzugeben.

Auf dem Boden der Realität

Was hat bewirkt, daß man nun endlich vorwärts kommt? Wieso war es früher kaum möglich, zu einem konkreten Ergebnis zu kommen? Vielleicht brauchten die Mitglieder der Kommission, Professoren wie Assistenten und Studenten, einfach ein Jahr, um aneinander Maß zu nehmen, um sich aneinander abzuschleifen und die notwendige „parlamentarische” Routine zu gewinnen. Nach einem Jahr der Diskussion,

„Sitzungen, kennt,..weiß man; was der andere will, weiß man, wie weit man gehen kann, was man dem andern bieten muß und zumuten kann — die Grundfragen demokratischen Arbeitens.

Wohl alle beteiligten Gruppen, jeder einzelne Vertreter seiner Gemeinschaft, hat in diesem Jahr viel gelernt. Für die Professoren haben manche, anfangs als undiskutierbar empfundene Forderungen an Schrecken verloren. Die Studenten verrennen sich nicht mehr in Utopien und bleiben auf dem Baden der Realitäten.

Das bedeutet noch lange nicht, daß das Ziel schon erreicht, daß alle Streitpunkte überwunden worden sind. Bisher ging es um Belange, die’ kaum grundsätzliche Differenzen enthielten. Wenn es wieder zurück- gelht zu den Strukturfragen, auf denen die Kommission Im Frühjahr festlief, wird es sicherlich auch wieder härter werden, zu .gemeinsamen Formulierungen zu kommen. Institutsgröße, Stellung und Funktion des Ordinarius, Mitwirkung der Studenten in den verschiedenen Stufen akademischer Selbstverwaltung — hier wird sich noch mancher Stein des Anstoßes bieten. Trotzdem dürfte man nun hoffnungsvoller in die Zukunft sehen können.

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