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Laien studieren Theologie

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In diesem Sommer hat es in Österreich Studienwochen ungewohnter Art gegeben, vom 9. bis 16. und vom 16. bis 23. Juli in Maria-Waldrast in Tirol und vom 20. bis 27. August im Irenental bei Wien. 170 Hörer aus allen österreichischen Diözesen — Wiener waren nicht zugelassen —, dazu einige Ausländer wurden zu drei Studiengemeinschaften zusammengerufen, um einen bereits aus Skripten vorbereiteten Stoff durch die mündliche Unterweisung zu vertiefen. Wie schon in der „Furche“ berichtet, wurde im Februar 1930 der Versuch unternommen, die Möglichkeit systematischer theologischer Bildung für Laien, wie sie in Wien bereits seit 10 Jahren im „Tneologischen Laienjahr“ — für Akademiker und Maturanten

— und der „Gkubensschule“ für Nieht-maturanten gegeben ist, auf ganz Österreich auszudehnen. 235 Menschen hatten sich damals entschlossen, zweieinhalb Jahre hindurch ihre Freizeit ernstem Studium zu widmen und auch finanzielle Belastung auf sich zu nehmen. 45 davon konnten im heurigen Jahre die Verpflichtung zur Studienwpche aus unüberwindlichen Krankheits-, Familien- oder Berufsgründen nicht erfüllen und wollen ihr im nächsten Jahre nachkommen,- einige gaben das Studium auf, weil sie sich ihm nicht gewachsen fühlten; nur wenige erwiesen sich als unzuverlässig.

Acht Dozenten waren für die drei Studienwochen nötig, um die im ersten Jahr vorgesehenen Fächer: Scholastische Philosophie, Dogmatik, Moral, Aszetik, Pastoral zu bewältigen. In den täglich sieben Vorlesungsstunden wurden die für ein Selbststudium schwierigsten Kapitel ausgewählt, um inhaltliche Klärung zu geben und die philosophische beziehungsweise theologische Methode nahezubringen. Außer zu den angesetzten vier offiziellen Aussprachestunden fanden sich immer wieder freie Kreise um die Dozenten ein, die mitunter den ganzen Tag „belagert“ waren. Uberraschend war es zu sehen, wie sich bereits am zweiten Tag Männer und Frauen, die vorher weder Leitung noch Dozenten noch sich untereinander kannten, zu einer vertrauten Arbeits- und religiösen Lebensgemeinschaft zusammengefunden hatten, überraschend auch die geistige Regsamkeit, die Echtheit der Fragen. Den Dozenten war eine große Aufgabe gestellt: Da sollten sie prägnant und klar den in den Hauptfächern doch sehr schwer zugänglichen Stoff bieten; in den Aussprachen aber mußten sie weit darüber hinaus Rede und Antwort stehen, wo es sich um die Konfrontierung der Profanwissenschaft mit der Theologie, der Berufsfragen mit dem Glaubenswissen handelte. Es ist nicht wenig, was da an Problematik erwächst, wenn entsprechend vorgebildete Menschen — rund die Hälfte waren Akademiker, die andere Hälfte hatte abgesdilossene Mittelschulbildung

— Fragen vorbringen, nachdem schon die persönliche Überlegung vorausgegangen ist. Es zeigte sich dabei einiges Symptomatische, das vielleicht wert ist, hier vorgelegt zu werden.

Stark bemerkte man, wie tief die Entfremdung zwischen Naturwissenschaft und Philosophie, beziehungsweise Theologie geworden ist und wie schwer der Naturwissenschaftler sich tatsächlich tut, in seinem Fach den Substanzbegriff und das Kausalitätsprinzip als metaphysisch Gültiges anzuerkennen. Es fordert von dem gläubigen Naturwissenschaftler und Mediziner eine hohe Disziplin, die antidogmatische Methode, in der er zu arbeiten gewohnt ist, nicht zu verabsolutieren. Die aphilosophische Haltung läßt auch im Glauben nicht leicht mehr die rationale Struktur erkennen; der Glaube wird vorwiegend voluntaristisch verstanden und bedeutet oft den „Sprung ins Dunkle“. Das heißt konkret nicht, daß ein schwankender Gleube oder Glaubenszweifel besonderer Schärfe dawären, obwohl das „Dem-Dogma-ins-Auge-Schauen“ manche Schwierigkeit ausgelöst haben mag. — In mancher Diskussion geriet man an die Frage der Grenze der Technik, die die Persönlichkeit zu gefährden droht und gegen den Heilsplan sich wendet. — Sehr verschieden wurde die Philosophie aufgenommen. Der Großteil, besonders der Nicht-ekademiker, war nach Überwindung oft beträditlicher Anfangsschwierigkeiten erstaunt über erstmalig Gehörtes aus der

Erkenntnislehre und beglückt über die Metaphysik. Viele neue Erkenntnisse und Zusammenhänge sind da aufgewacht, und manchem der Hörer gelang es in erstaunlicher Weise, den „Lebensbezug“ der abstrakten Begriffe zu erkennen. Die Akademiker, vielfach an Relativierungstendenz von der Hochschule her gewöhnt, waren zum Teil sehr positiv beeindruckt von der Geschlossenheit des scholastischem Systems, das der Laie heute gar nicht mehr kennt. Andere hatten zu kämpfen gegen ein von der Universität her etwas idealistisch oder positivistisch beeinflußtes Denken. — Wenn man heute auch oft den Mangel an Grundsatzdenken feststellen muß, in diesem Kreis von Menschen war er fast überwunden. Wo es aber an letzte Berufs- und Lebensfragen ging, war es nicht immer leicht, die Anerkennung des Prinzips entscheidend durchzusetzen. Die Lehre vom Gewissen spielte in vielen Fragen, besonders auch von ärztlicher Seite, eine große Rolle. Dabei kam wohl auch konkret unser aller Mangel an letztem Vertrauen in die Pläne der göttlichen Vorsehung für den einzelnen Menschen zum Vorschein.

Erfreulich war es zu sehen, wie der bei vielen eifrigen Katholiken übliche allzu rasche und einseitige DrangzurPra-x i s hier ersetzt war durch die Einsicht, daß ein wohl fundiertes Glaubenswissen die Aktion viel fruchtbarer macht. — Ün verkennbar derE rnstdespersönli-chen religiösen Strebens! Man versucht eine großmütige Erfüllung von Gottes Willen. Wie notwendig wäre es, die Vollkommenheitslehre konkret für den Laien zu überlegen, besonders wichtig die Erforschung von Berufsethos und -aszese!

Der Eindruck aller drei Wochen bei Dozenten, Leitung und Hörern war der, daß dietheologischeUnterwei-sung der Laien höchst zeitgemäß sei, daß sie dem einzelnen diene, ja daß sie geradezu notwendig ist für den, der sein Leben nicht in zwei Beurteilungskategorien zerfallen lassen will. Man wird nicht fehl gehen in der Annahme, daß man es in diesen Kursen mit einer Auswahl ernster Katholiken zu tun hat. Kein einziger der Hörer hatte etwas von einem „Ketzertyp“ an sich; aber die Aufgabe ist sehr groß. Der überwiegende Teil wird innerlich befriedet, gestärkt die Studienwochen verlassen haben. Manchen aber mag es gegeben haben, auf den zutrifft, was in einem Schlußwort gesagt .wurde: „Keine Erkenntnis ohne Krise, kein neuer Erwerb ohne Geburtswehen!“ Manche der neuen Erkenntnisse griffen tief ein in die persönliche Lebensgestaltung, in die wissenschaftliche Arbeit und Forschung. Die Schwierigkeiten eines sehr rasch und etwas unorganisch aufgenommenen Wissens kommen dazu. Dies überbrücken zu helfen, bemühen sich in priesterlicher Einstellung die Dozenten, indem sie sich bereit halten, mit Hörern in einen Fragen klärenden Briefverkehr einzutreten, überdies sind in allen diözesanen Hauptstädten Arbeitskreise im Werden, in denen die Möglichkeit geboten ist, aus dem Studium erwachsende Fragen persönlich an einen Theologen heranzutragen.

Die Praxis der Laienunterweisung in theologicis bildet sich langsam erst aus. Manches in der Methode muß überlegt werden, dazu die richtige Auswahl. Die Gabe der Distink-tion und die unbestechliche Lauterkeit im Vertreten der kirchlichen Lehre ist nötig, vereint mit einem hohen Maß geistiger Beweglichkeit und Weltoffenheit. — Einzelnes Beachtenswerte darf hier vielleicht aufgeführt werden: Es ist besonders für den Laien wichtig, immer wieder zu betonen, daß es zwischen Vernunft und Glaube keine wahre Disharmonie geben kann, denn der selbe Gott, der die Geheimnisse offenbart und den Glauben eingibt, gibt der menschlichen Seele das Licht der Vernunft. Gott aber kann sich selbst nicht negieren (vgl. Vat. sess. III c 4), Nur wer dies stets vor Augen hat, wird „mit Emsigkeit, fromm und nüchtern suchen“. Immer wieder zu betonen ist der zweifache Ordo der Erkenntnis im Prinzip: die natürliche Vernunft und der Glaube, und im Objekt: was durch die natürliche Vernunft erkannt werden kann und die Mysterien (vgl, wie oben). ;— Notwendig ist die Unterscheidung von Dogma und S ch u 1 m e i n u n g, darüber hinaus die Bestimmung des Grades der Glaubensverpflichtung: Der Raum für die profane Forschung dürfte nicht willkürlich eingeengt werden. — Wertvoll wäre es, den Laien inderTheologiedieBeziehung zu Profanwissenschaften da und dort ausdrücklich aufzuzeigen. Es scheint durchaus denkbar, daß durch den einzelnen gläubigen Forscher die Profanwissehschaften wieder zu Helferinnen der Theologie würden. — Zu den wichtigsten Fragen der Theologie gehört bekanntlich das Verständnis von Natur und Ubernatur und deren Verhältnis zueinander. Darauf kann man nicht oft genug Bezug nehmen. — Der Laie soll nie zu etwas verpflichtet werden, wozu keine Verpflichtung besteht. So oft als möglich müßte man den Lebensbezug etwa der Dogmatik zum christlichen Dasein, zum

Vollkommenheitsstfeben aufzeigen, ohne freilich die vornehme Zurückhaltung religiös bereits geformten Persönlichkeiten gegenüber zu verletzen.

Als Argument gegen die theologische Bildung der Laien hört man manchmal den Einwand, der Laie werde sich zu rasch für einen Theologen halten. Die Veranstalter teilen diese Befürchtung nicht. Die nüchtere Vermittlung eines so schwierigen Stoffes, etwa der Dogmatik, wie sie in diesen Kursen geschieht, die bescheidene Hörbereitschaft und der Wille zur Sachlichkeit im einzelnen läßt geistigen Hochmut kaum aufkommen. Viel Mühe von seiten der Theologen, auch der theologischen Schriftsteller (es gibt wenige Bücher, die mit vojjem Gewinn für die theologische Laienunterweisung zu verwenden wären) ist nötig und viel Disziplin der Laien. Aber wenn es wahr ist, was ein Universitätsprofessor, der sich für die Studienwoche in einen Hörer verwandelt hat, in den Schlußworten sagte,, dann lohnt es doch der Mühe: „Das hier ist etwas Neues, vielleicht etwas ganz Neues. Bei vierzehn Nationen in Europa und Übersee ist ein Laienfern-kurs dieser Art nicht bekannt. Es ist ermunternd, aufregend zu sehen, wie hier Menschen aller Berufe, Lehrer, Professoren, Ärzte, Ingenieure, Männer und Frauen sich um die Erkenntnis von Dingen mühen, die von der Mehrzahl der Menschen heute nur mehr belächelt werden ... Jeder von uns hat eine gigantische Mission!“

Die vom Erzbischöflidien Seelsorgeamt Wien veranstalteten Kurse „Theologisches Laienjahr (für Maturanten und Akademiker) und „Glaubensschule“ (für Nichtmaturanten) beginnen am 16. Oktober. (Anmeldungen bis 6. Oktober täglich von 11 bis 13 Uhr, Wien I, Stephansplatz 3/III./54.) Teilnehmer, die die Prüfung aus allen elf Fächern mit mindestens gutem Erfolg absolvieren, kann das Anrecht auf die missio canonica erteilt werden. In ihr gibt der Bischof dem Laien Erlaubnis und Auftrag, zusammen mit dem Priester apostolisch wirksam zu sein; in ihr erhält er die kirchliche Eignung für jenen Dienst an der Verkündigung, der ihm grundsätzlich möglich ist.

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