Ästhetik des Alltäglichen

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Der Foto-Zyklus "Los Alamos" von William Eggleston in der Albertina.

Am liebsten würde er seine Wohnung mit Fotos von William Eggleston austapezieren, schwärmte Klaus Albrecht Schröder in der Eröffnungsrede. Es ist noch nicht allzu lange her, da wären solch öffentlich artikulierte Träume eines Albertina-Direktors und eine Fotografie-Ausstellung in der traditionsreichen Heimstätte europäischer Grafik undenkbar gewesen. Nicht etwa, weil die Inhalte so verwegen sind. Ganz einfach, weil das Medium Fotografie erst als der Malerei und Grafik ebenbürtig die Museumslandschaft erobern musste. Dies geschah sukzessive in den letzten zwei Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts. 1977 wurden Fotos erstmals in die "Documenta 6" miteinbezogen, allerdings unterschied man damals noch zwischen "bildender Kunst" und "Fotografie". Heute ist das alles Schnee von gestern. Die Fotografie hat auf der letzten "Documenta" (2002) die Malerei längst verdrängt und Arbeiten von internationalen Fotokünstlern wie Cindy Sherman zählen zu den am teuersten gehandelten zeitgenössischen Kunstwerken.

Der jetzt in der Albertina gezeigte Farb-Foto-Zyklus des 1939 in Memphis geborenen Fotografen William Eggleston mit dem Titel "Los Alamos" entstand zu einer Zeit, als dieser Siegeszug noch nicht zu erahnen war. Zwischen 1966 und 1974 reiste Eggleston mehrmals durch die Südstaaten, teilweise begleitet vom Schauspieler Dennis Hopper und dem Kurator Walter Hopps. Dabei tat er etwas für damals Unübliches. Er fotografierte als eine Art "Lomografie-Vorfahre" en passant - mitunter sogar aus dem fahrenden Auto - alltägliche Sujets und Szenerien: Ketchupflaschen, Straßenschilder, eine desolate Tankstelle, ein verrostetes Gitter, einen Hamburger essenden Mann oder Wolkenformationen. Ihm schwebte die Idee eines "demokratischen Sehens" vor, meint er rückblickend, "dass nichts mehr oder weniger wichtiger ist". Dabei arbeitete Eggleston in einer Zeit, als künstlerische Fotografie hauptsächlich auf Schwarzweißfotografie beschränkt war, mit intensiver Farbigkeit.

Ursprünglich sollten die 2200 Farbfotografien in einem 20-teiligen Mappenwerk veröffentlicht werden. Aufgrund finanzieller Probleme und einer Ausstellung 1976 im moma, die William Eggleston zum großen Durchbruch verhalf, kam dieses Projekt nie zustande. Erst vor wenigen Jahren wurden sechs Serien vergrößert, von denen eine aus dem Besitz des Ludwig-Museums in Köln jetzt in Wien zu sehen ist.

Die scheinbaren "Schnappschüsse", die durch den Ausschnitt und die Farbgestaltung höchst komponiert erscheinen, überzeugen durch ihre malerische Qualität. Ähnlich wie bereits historische "Stillleben-Maler" zeigt Eggleston, dass es keine großen Erzählungen oder tief gehenden Inhalte braucht, um Kunstwerke spannend zu machen. Vielmehr lenkt er die Aufmerksamkeit auf die Ästhetik der alltäglichen materiellen Wirklichkeit. Ein verdrehtes weißes Telefonkabel vor einer weißen Wand, eine leuchtend gelbe Garage vor einem knallblauen Himmel, der schwarze Schatten eines verrosteten Waschbeckens auf einer grauen Wand - all das erinnert daran, dass in jedem Alltags-Detail ein kleines Kunstwerk zu finden ist, hat man einmal den Blick für die Schönheit des Beiläufigen geschärft.

William Eggleston:

"Los Alamos"

Albertina, Albertinaplatz 3, 1010 Wien, Bis 24. April tägl. 10-18, Mi bis 21 Uhr www.albertina.at.

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