Das Gefasel von der Ökonomisierung

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Wenn sich auf einem Medienkongress mehr als zwei Kommunikationsforscher begegnen, bestimmt meist die "Ökonomisierung der Medien" die Diskussion. Gern wird unterstellt, das ("kapitalistische") System unterwerfe immer mehr Lebensbereiche und somit auch die Redaktionen dem Diktat des Ökonomischen. So verkomme der Journalismus und könne seinen publizistischen Auftrag, der Demokratie zu dienen und die Mächtigen zu kontrollieren, immer schlechter erfüllen.

Aus dem Blickwinkel der Leser, Hörer, Zuschauer wäre zutreffender, von einer Ent-Ökonomisierung des Mediensektors zu sprechen: Bis auf die Zwangsgebühr für den Rundfunk sind wir den Utopien der 68er vom Nulltarif für lebensessenzielle Güter so nahe gekommen wie nie zuvor: "Alles gratis" gilt ja nicht nur für Pendlerzeitungen wie Heute, sondern im Internet längst auch für Qualitätsmedien wie die New York Times. Paradiesische Zustände herrschen auch für die Werbetreibenden: Sie können online ihre Zielgruppen ohne Streuverluste erreichen - anders als Henry Ford, der sich sorgte, die Hälfte seines Werbebudgets sei zum Fenster hinausgeworfen, aber eben nicht wusste, welche Hälfte.

Das Schlagwort "Ökonomisierung" vernebelt somit eher zwei elementare Veränderungen: Erstens herrscht heute Wettbewerb. Dank Internet ist der Konkurrent, der auf dieselben Publika hofft, nur einen Mausklick entfernt. Monopole und Oligopole haben den Medienunternehmen über Jahrzehnte hinweg Traumrenditen beschert. Dank der Werbeumsätze ließen sich großzügig Redaktionen finanzieren, die wie die Maden im Speck lebten. Zweitens hat sich die nachwachsende Generation bereits daran gewöhnt, dass Nachrichten "nichts kosten". Dieser Trend ist allerdings verhängnisvoll - journalistische Qualität und Unabhängigkeit sind nun einmal nicht umsonst zu haben.

* Der Autor ist Kommunkationswissenschafter in Lugano/CH

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