Lange hatte man in unserer demokratie-saturierten Zeit gedacht, bei Wahlen käme es einzig auf das Ergebnis an. Und immer mehr verzichteten freiwillig auf dieses Recht, weil sie in sämtlichen Alternativen eine Qual sahen. Es scheint, als müssten wir umdenken. Wichtig ist jetzt, ob eine Wahl überhaupt wie geplant stattfinden kann.
Die palästinensische Kommunalwahl, ursprünglich geplant für den 8. Oktober, wurde abgesagt -ohne neuen Termin. Das ist ein weiteres kleines Drama in der großen Tragödie des seit zwei Jahren brachliegenden Friedensprozesses zwischen Israel und den Palästinensern. Die Kommunalwahl sollte zum ersten Mal seit zehn Jahren sowohl im Westjordanland als auch im Gazastreifen stattfinden. Und damit beweisen, dass sich die im Westjordanland regierende Fatah von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und die radikalislamische Hamas in Gaza in ihrer tiefen Zerstrittenheit zumindest auf den Minimalkonsens eines gemeinsamen Urnengangs einigen können. Bewiesen wurde nun einmal mehr die derzeit wohl unüberbrückbare Spaltung der Palästinenser. Der Oberste Gerichtshof in Ramallah hat die Vorbereitungen zur Wahl gestoppt, nachdem ein Hamas-Gericht in Gaza mehrere Fatah-Kandidaten suspendiert hatte. Wie üblich beschuldigen sich nun beide Seiten gegenseitig, den Streit absichtlich auf die Spitze getrieben zu haben, um die gemeinsamen Wahlen zu verhindern. Auch im Wissen, dass der Frust über die wirtschaftliche und politische Situation bei beider Klientel riesig ist.
Tatsächlich steht Palästinenserpräsident Abbas unter starkem politischem Druck. Der 81-Jährige regiert seit 2005. Sein Mandat endete 2009, wurde aber immer wieder verlängert. Nach Meinungsumfragen befürworten die meisten Palästinenser seinen Rücktritt. Aber einen Nachfolger hat er nicht aufgebaut.
Es wird vorerst also weiterhin keine gemeinsamen palästinensischen Kommunalwahlen und damit erst recht keine allgemeinen Parlaments- oder Präsidentschaftswahlen geben. Und damit weiterhin keinen aktuell demokratisch legitimierten Verhandlungspartner für die israelische Seite. Eines von so vielen Hindernissen auf dem Weg zum Frieden.
Man sollte - auch deshalb -d ie Wichtigkeit von Wahlen nicht unterschätzen.
Die Autorin ist Korrespondentin der ARD im Nahen Osten
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