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Neuer Anlauf im Nahen Osten

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Anfang August reist US-Außenminister Warren Christopher in den Nahen Osten, um die festgefahrenen Verhandlungen wieder anzukurbeln. Ohne Vermittlung der Amerikaner wird es schwer sein, den langersehnten Frieden zu erreichen, denn der Haß zwischen den Verhandlungspartnern sitzt tief.

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Anfang August reist US-Außenminister Warren Christopher in den Nahen Osten, um die festgefahrenen Verhandlungen wieder anzukurbeln. Ohne Vermittlung der Amerikaner wird es schwer sein, den langersehnten Frieden zu erreichen, denn der Haß zwischen den Verhandlungspartnern sitzt tief.

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Als die UNO 1947 einen Teilungsplan für das damalige englische Mandats-Palästina annahm, war nur eine Partei bereit - die Juden -diesen Plan zu akzeptieren. Sie waren die Minderheit und deswegen kompromißbereit.

Die damalige Mehrheit, die Araber, die sich heute Palästinenser nennen, lehnten den Plan ab. Sie versteiften sich auf die Forderung: „Das Land gehört uns”.

Inzwischen machte das Heilige Land fünf Kriege durch und auch in Friedenszeiten kam es immer wieder zu Zusammenstößen.

Dies war der Hintergrund, der vor 21 Monaten beide Parteien sowie die arabischen Nachbarstaaten nach Madrid zu den Nahost-Friedensverhandlungen führte.

Ursprünglich sollte nur über die Einführung der im Camp-David-Abkommen ausgehandelten Autonomie für die besetzten Gebiete verhandelt werden. Seitdem sind jedoch zwölf Jahre vergangen. Die Bedingungen haben sich geändert, und was damals noch akzeptabel schien, ist heute kaum zu realisieren. Von Beginn an forderten die Palästinenser die Errichtung eines Palästinenserstaates. Die Autonomie sollte für eine fünfjährige Übergangsperiode eingeführt werden, wobei nach drei Jahren die Verhandlungen über eine endgültige Lösung beginnen sollten. Über dieser Tatsache waren sich ursprünglich beide Parteien einig.

Aber was ist Autonomie, wo sind ihre Grenzen? Was geschieht mit den 128.000 Israelis, die als Neuansiedler in den besetzten Gebieten leben? Welche Funktionen sollen die Autonomiebehörden erhalten? Diese Fragen waren gleich zu Beginn der Zankapfel.

Der Stillstand bei den Verhandlungen war somit vorprogrammiert und endete erst, als der rechtskonservative Likud vor über einem Jahr der sozialdemokratischen Arbeiterpartei weichen mußte. Der neue Ministerpräsident Jiz-chak Rabin schrieb auf ”seinem Banner vor den Wahlen: „Frieden mit den Palästinensern und allen anderen Nachbarstaaten.”

Die Verhandlungen zogen sich in die Länge, man diskutierte unzählige Neuformulierungen. Auf Seiten der Araber ist es Jasser Arafat, der hinter den Kulissen die Verhandlungen führt. Die palästinensische Delegation begibt sich deswegen immer wieder zu Beratungen nach Tunis, um dort von Arafat und einer kleinen Gruppe von Vertrauten des PLO-Vorsitzenden neue Direktiven zu erhalten. Bis heute war Jizchak Rabin nicht bereit, die PLO offiziell als Verhandlungspartner zuzulassen, denn es handelt sich um einen Dachverband der palästinensischen Terrororganisationen.

Nachdem dieser Tage die Verhandlungen wieder zum Stillstand kamen, schlugen die Amerikaner vor, daß sie in Zukunft auf Ministerebene geführt werden müssen, statt wie bisher von Beamten der Außen- und Ministerpräsidenten. Dies, damit das Verhandlungsteam auch Vollmachten hat, um Kompromisse einzugehen. Das Problem liegt jedoch auf seiten der Palästinenser. Wenn nicht die Vertreter der Palästinenser genug Autorität haben, muß die PLO in Tunis hinzugezogen werden. Aber gerade das hat Rabin, ähnlich wie seine Vorgänger der Likud Partei, immer noch nicht verkraften können.

Beide Seiten haben aber noch andere Schwierigkeiten: die lautstarke rechte Opposition im israelischen Parlament belauert Rabin, beschuldigt ihn, das Heilige Land „zu verkaufen” und hetzt die jüdische Bevölkerung in den besetzten Gebieten auf, nicht einmal einer Autonomie zuzustimmen. Dasselbe gilt auch für die zirka 10.000 jüdischen Bewohner der Golanhöhen, die eventuell an Syrien zurückgegeben werden.

Die bisher verfeindeten Arbeiterparteiführer, Jizchak Rabin und Shimon Peres, arbeiten in den letzten Monaten Hand in Hand, um die Verhandlungen voranzutreiben. Beiden ist klar, daß ein Scheitern ihren politischen Tod bedeuten würde. So nahm Peres mit Hilfe seiner ihm nahestehenden Leute Kontakte mit der PLO in Tunis auf, und Rabin versucht derzeit, die israelische Bevölkerung auf einen Verzicht der Golanhöhen vorzubereiten.

Die palästinensische Delegation hat auch mit Schwierigkeiten zu kämpfen, da bei den Verhandlungen bisher noch nichts erreicht wurde und die wirtschaftliche Lage in den besetzten Gebieten sich andauernd verschlechtert. Daher erhalten die fundamentalistische Hamas-Bewegung und die arabischen Linksparteien immer mehr Unterstützung für die Forderung, die Verhandlungen abzubrechen. Stattdessen soll die Intifada, derpalästinensische Volksaufstand erneut angefacht werden. Mehr noch, der offizielle Vorsitzende der Verhandlungsdelegation, Haider Abdel Schafi, fordert den vorläufigen Abbruch der Verhandlungen. Er ist auch nicht bereit, das Diktat Arafats hinzunehmen und verlangt demokratische Wahlen zu den PLO-Institutionen, um Arafat dadurch zu schwächen. Deswegen ist es kein Wunder, daß Palästinenser und Israelis es nicht fertigbrachten, ein gemeinsames Kommunique auszuarbeiten, um die Themen der bevorstehenden Verhandlungen genau zu formulieren.

Hier schaltete sich die USA als Vermittler ein. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern ist der neue Außenminister, Warren Christopher, sehr zurückhaltend. Er entsandte eine Delegation amerikanischer Regierungsbeamter (unter Vorsitz von Denis Ross) in den Nahen Osten, die jedoch keine Erfolge verbuchen konnten (FURCHE 27/1993). Das von ihnen formulierte Dokument wurde von beiden Seiten abgelehnt.

Anfang August will Christopher in den Nahen Osten kommen, um persönlich die festgefahrenen Verhandlungen anzukurbeln. Die amerikanische Regierung hat es jedoch eilig und ist nicht bereit, alles zu investieren, um einen Nahost-Frieden herbeizuführen.

US-Präsident Clinton hat heute andere Prioritäten. Die Innenpolitik ist ihm wichtiger und auch in der Außenpolitik gibt es Problem, die zumindest so wichtig sind wie der Nahe Osten. (Bosnien-Herzegowina, Somalia...). Dochohne amerikanische Vermittlung wird es nur schwer sein, den langersehnten Frieden zu erreichen. Der Haß zwischen den beiden Verhandlungspartnern sitzt zu tief.

Noch ist es ein langer Weg zum Frieden.

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