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Palästinenser und Israelis

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Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern bildet den Kern des Konfliktes im Nahen Osten. Die arabischen Nachbarländer Israels, die Ölscheichs, und vor allem die beiden Supermächte spielen in diesem Konflikt bedeutende Rollen, aber eben doch nur am Rande. Eine Verständigung zwischen Israel und den Palästinensern könntevor allem die beiden Supermächte zum beiderseitigen Vorteil ausschalten.

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Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern bildet den Kern des Konfliktes im Nahen Osten. Die arabischen Nachbarländer Israels, die Ölscheichs, und vor allem die beiden Supermächte spielen in diesem Konflikt bedeutende Rollen, aber eben doch nur am Rande. Eine Verständigung zwischen Israel und den Palästinensern könntevor allem die beiden Supermächte zum beiderseitigen Vorteil ausschalten.

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Die jüdische Besiedlung Palästinas begann bereits vor der Jahrhundertwende. Anfänglich waren die jüdischen Siedler in der jahrhundertelang vernachlässigten Provinz des türkischen Reiches willkommen. Völlig unbebautes und völlig vernachlässigten Land wurde von den jüdischen Pionieren mit gutem Geld erstanden, das in zahllosen kleinen blauweißen Sparbüchsen des Keren Hajesod, des jüdischen Nationalfonds, bei jüdischen Familien in aller Welt gesammelt wurde. Unter größtem persönlichen Einsatz haben die Chaluzzim, die ersten jüdischen Siedler, Sümpfe trockengelegt und Wüsteneien bewässert, um den Boden für die Kibbuzim, die jüdischen Siedlungen, urbar zu machen. Es lag nicht am jüdischen Nationalfonds und schon gar nicht an den jüdischen Siedlern, daß die Effendis, die Groß-grundebsitzer, die ihr vernachlässigtes Land bereitwilligst erst unter der türkischen und dann unter englischer Herrschaft verkauft hatten, den Kaufpreis meist ins Ausland verschoben und es dort verantwortungslos verjubelten. Damit setzten sie ein Beispiel für die gegenwärtigen Ölscheichs, die der Bonanza der ölmil-liarden noch weniger gewachsen sind.

Obwohl der Kaufpreis des Bodens an parasitäre Effendis ging, profitierte das arabische Volk des damaligen Palästina dennoch durch die jüdische Besiedlung. Im Schatten zunehmender jüdischer Pionierarbeit wuchs die arabische Bevölkerung des damaligen Palästina von 1917 bis 1947 rascher als in irgendeinem anderen Land der Welt. Dieser Zuwachs ging zum Teil auf die verringerte Säuglingssterblichkeit zurück, was den von Juden geschaffenen Kliniken zu danken war. Gleichzeitig zog der durch jüdische Einwanderung angeregte wirtschaftliche Fortschritt eine massive arabische Einwanderung an.

Trotz fruchtbarer Zusammenarbeit zwischen Arabern und Juden war es jedoch für die Juden nicht tragbar, daß sie sich mit dem Ende des britischen Mandats einer Regierung der völlig korrupten und unfähigen arabischen Führung unterwerfen sollten. Dazu kommt, daß viele der arabischen Großgrundbesitzer sich offen brüsteten, daß sie zu guter Zeit den Juden den ihnen teuer verkauften und von ihnen dann urbar gemachten Boden wieder wegnehmen würden. Schon zu einer Zeit, als die Effendis anfingen, den Juden vernachlässigten Grundbesitz für gutes Geld zu verkaufen, bereiteten sie eine gewaltsame Wiedereroberung des verkauften und dann urbar gemachten Bodens vor. Schließlich sprachen alle Anzeichen dafür, daß die Juden, die lange Zeit als unkriegerische Feiglinge angesehen worden waren, einer solchen Vertreibung aus Eretz Israel kaum mehr Widerstand entgegensetzen würden als anderen Vertreibungen ihrer zweitausendjährigen Geschichte seit der Zerstörung des Tempels. Jüdische Kampfunfähigkeit wurde zudem von langatmigen und ausführlichen Betrachtungen in den weltbekannten Memoiren des Führers und Kanzlers des Dritten Deutschen Reiches bestätigt, der aus seinen „Erfahrungen“ zu dem Schluß gekommen war, daß Juden auf Grund erblicher Faktoren unfähig seien, als opferwillige und disziplinierte Soldaten zu kämpfen.

Der Staat Israel

Ein friedliches Zusammenleben von Juden und Arabern zum Vorteile beider ist kein Ding der Unmöglichkeit. Es ist auf jüdischer Seite nie vergessen worden, daß es unter dem arabischen Kalifat von Granada war, daß das jüdische Geistesleben in der Galuth zur höchsten Entfaltung gelangte. Dazu wird auch gewürdigt, daß die jüdischen Flüchtlinge vor der spanischen Inquisition vor allem in Ländern des Islam Zuflucht gefunden haben. Die attraktiven Auswirkungen der jüdischen Besiedlung Palästinas auf die arabischen Palästinenser und nach Palästina einwandernde Araber sind bereits erwähnt worden. Es war vor allem die Kampflust und Raubgier der damaligen Führung der palästinensischen Araber und der Regierungen der arabischen Nachbarländer, die alle Bemühungen zur Schaffung eines binationalen Staates unmöglich machten. Die arabische Führung weigerte sich, das von der UNO bestätigte jüdische Siedlungsgebiet als autonomen Staat zu respektieren und überhaupt mit Juden zu verhandeln.

Als die britischen Mandatstruppen abzogen und die Juden auf dem von ihnen urbar gemachten Siedlungsgebiet ihren von der UNO befürworteten Staat ausriefen, wurden sie von den Armeen der fünf arabischen Nachbarstaaten und von palästinensischen Freischärlern angegriffen,mit der offen deklarierten Absicht, die Juden „ins Meer zu treiben“. Dabei wurde die Lage der palästinensischen Nächbarn der Juden überaus prekär. Die palästinensischen Araber sind jedoch nicht von den Juden vertrieben worden, sondern verließen ihre Heime im Auftrag ihrer Führer, in der Erwartung, mit den siegreichen arabischen Armeen zurückzukehren. - Es kam manchenorts zu jüdischen Ausschreitungen gegen palästinensische arabische Zivilisten, darunter das unverzeihliche Massaker, von Der Yassim, einem Vorort des damals hart umkämpften Jerusalem. Das Massaker und alle übrigen Ausschreitungen gingen auf das Konto von rechtsextremistischen Verbänden, die bald darauf von der israelischen Regierung diszipliniert und in ihre Schranken verwiesen wurden. (Die Massakrierung von Juden in Siedlungen, die von den arabischen Armeen überrannt wurden, rechtfertigten die Ausschreitungen von jüdischer Seite in keiner Weise. Es ist aber bemerkenswert, daß sie kaum jemals erwähnt wurden.)

Die über zweihunderttausend Araber, die Bürger des Staates Israel geworden waren, hatten dies nicht zu bereuen. Ihr Schicksal war jedenfalls besser als das der in Lagern zusammengepferchten Flüchtlinge. Sie sind im israelischen Parlament durch Mandatare ihrer Wahl vertreten und wahrscheinlich auch besser dran als manche arabische Bürger korrupt regierter arabischer Staaten.

Die Palästinenser

Flüchtlingsschicksal ist in der heutigen Zeit keine Seltenheit. Politische Umwälzungen aller Art, Kriege und Bürgerkriege entwurzeln eine Unzahl von Menschen und treiben sie als Flüchtlinge aus ihren Heimen. Manche werden vom Flüchtlings-schicksal zermalmt. Andere haben Glück. Viele mobilisieren als Flüchtlinge ungeahnte Reserven von energischer, zielbewußter Tatkraft und fassen erfolgreich Fuß in einer neuen Heimat. Meist bleibt eine tiefe Sehnsucht nach der verlorenen Heimat und häufig wird neben einem nostalgischen Erinnern an die verlorene Heimat auch deren kulturelles Erbe an die neue Generation vermittelt. Träume von einer Wiedereroberung der verlorenen Heimat werden meist nur von den älteren und weniger anpassungsfähigen unter den Vertriebenen gepflegt und vergehen mit ihnen.

Bei den Palästinensern scheint es gerade die seit der Flucht herangewachsene Generation zu sein, die an nichts denkt als an Rückeroberung.

Die arabischen Nachbarstaaten Israels waren zwar nicht imstande, Israel zu überrennen, aber sie behielten die Teile von Palästina, die nach dem UNO-Beschluß von 1947 einen arabischen palästinensischen Staat bilden sollten. Der größte Teil der Flüchtlinge wurde in Lagern zusammengepfercht, um aus ihnen eine Waffe gegen Israel zu schmieden. Die Bewohner dieser Lager werden seit ihrer Gründung von Flüchtlingsfonds der UNO ernährt (zu denen die Ölscheichs nur minimal beitragen); von arabischer Seite wurde alles getan, um eine Ansiedlung der Flüchtlinge zu verhindern — denn sonst würden diese sich ja mit der Existenz des Staates Israel abfinden.

Von israelischer Seite fühlte man keine Verantwortung für das Schicksal der palästinensischen Flüchtlinge, schon wegen der von Israel absorbierten jüdischen Flüchtlinge aus arabischen Ländern. Dazu kam, daß es vor dem Krieg vom Oktober 1973 kein arabischer Staatsmann überhaupt wagte, von Verhandlungen mit Israel zu sprechen und daß von arabischer Seite die Zerstörung des Staates Israel immer als Endziel betont wurde. Von israelischer Seite ist dabei erwartet worden, daß die Bedrohung Israels durch palästinensische Araber mit dem Heranwachsen einer außerhalb Palästinas aufgewachsenen Generation enden werde.

Die historische Entwicklung erfüllte weder die israelischen noch die offiziellen arabischen Erwartungen. Es scheint den palästinensischen Arabern gelungen zu sein, vor allem in den unterentwickelten ölscheich-tümern politische Schlüsselstellungen einzunehmen — ein Schulbeispiel dafür, was heimatvertriebene Flüchtlinge vermögen, wenn ihre Energie aufs letzte angespannt ist.

In der gegenwärtigen Situation liegt die Initiative weitgehend bei den palästinensischen Arabern. Ihre Sprecher haben es, seit sie international ernstgenommen worden sind, aufgegeben, die Vertreibung der Juden aus Israel zu fordern. Sie sprechen nicht mehr davon, die Juden „ins Meer zu treiben“. Die überaus differenzierten Forderungen, die von verschiedenen arabischen Fraktionen aufgestellt werden, lassen es jedoch offen, ob dieser Verzicht auf die Vernichtung der Juden ehrlich gemeint ist, oder ob man die Abwehrkraft Israels mit Hilfe von Salamitaktik soweit reduzieren will, daß man den Staat Israel dann dennoch vernichten kann, was die Juden den arabischen Machthabern auf Gedeih und Verderb ausliefern würde.

In diesem Sinne hat der PLO-Füh-rer Arafat in seiner Rede vor der Vollversammlung der UNO ausdrücklich die Liquidierung des Staates Israel gefordert mit dem Versprechen, daß die israelischen Juden dann nicht ins Meer getrieben würden, wie es ihnen früher bei jeder Gelegenheit angedroht wurde.

Die Israelis haben natürlich keine

Absicht, den Schutz ihres Staates gegen Versprechen einzutauschen, die offenbar nur darauf angelegt sind, auf dem Verhandlungswege zu erreichen, was mit Waffengewalt bisher nicht erreicht werden konnte. Selbst wenn Arafat seine Versprechen vor der UN-Versammlung ernst meinen sollte, wäre er kaum in der Lage, diese einzulösen, sobald Israel des Schutzes seiner Waffen beraubt wäre. Die Unzahl immer wieder unter neuen Namen auftauchenden Terroristengruppen zeigt, daß Arafat über die Extremisten überhaupt keine Kontrolle hat.

In seiner Rede vor der Vollversammlung der UNO hat Arafat seine Abscheu vor dem Geist von Massa-dah ausgedrückt Er weiß, daß dieser Geist von Massadah Israels bester Schutz vor einer Welt von Feinden ist.1

Gerade die Palästinenser sollten die explosive Energie würdigen, die von vertriebenen Flüchtlingen in den Aufbau Israels umgesetzt wurde, denn die heimatlosen Palästinenser wurden ja auch von einer verzweifelten explosiven Energie vorwärtsgetrieben, die in unfruchtbaren Terrorhandlungen, aber auch im Ausbau palästinensischer Machtpositionen in fremden arabischen Gastländern ihren Niederschlag fand. Es sollte daher gerade den Palästinensern klar sein, daß es ihnen nicht gelingen kann, den Staat Israel durch Salamitaktik so zu verkleinern, daß dieser nicht mehr wirksam verteidigt werden kann. Dazu ist der vom Ho-lokaust wiedererweckte Geist von Massadah viel zu lebendig.

Eine echte Verständigung zwischen Palästinensern und Israelis könnte dem Nahen Osten den Frieden in Ehre und Sicherheit und eine Ära hohen Wohlstands bringen. Eine echte Zusammenarbeit könnte auch den Nahen Osten auf die Zeit vorbereiten, in der das Öl nicht mehr so reichlich fließen wird wie es jetzt der Fall ist. Diese Zeit ist nicht fern. Dazu kommt, daß noch frühzeitiger neue ölfelder und andere Energiequellen in anderen Teilen der Welt eine zunehmend große Rolle spielen werden. Eine solche Verständigung würde auch die Waffenkäufe erübrigen, die bereits in der Zeit des gegenwärtigen Waffenstillstandes unvorstellbare Mittel verschlingen, Mittel, die zum allgemeinen Wohle besser angewendet werden könnten. Damit wäre auch aus dem Nahen Osten der verhängnisvolle Einfluß der Supermächte ausgeschaltet, die daran sind, der Menschheit eine Welt zu bescheren wie sie von George Orwell in seinem prophetischen 1984 vorausgesagt wird.

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