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Das Testament eines Großen

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Es ist eine Tragik, daß die Besprechung der zweiten Auflage des Werkes „Volksliturgie" von Pius P a r s c h, die vor einiger Zeit erschien (Volksliturgisches Apostolat, Klosterneuburg- Wien, 711 Seiten, Preis 60 S), dieses Buch als das Testament des Verfassers bezeichnen muß. Pius Parsch weilt nicht mehr unter den Lebenden. In den frühen Morgenstunden des 11. März wurde er in die Ewigkeit abberufen. Mit ihm ging ein •österreichischer Priester, der Weltruf besaß, von dieser Welt.

Pius Parsch war ein Deutscher aus Böhmen. In seltener Ausgeprägtheit vereinigte er die großen Begabungen dieser Volksgruppe: einen enormen Fleiß, Kraft der Organisation, eine spekulative Begabung — sonst selten in Oesterreich — und den Mut, aus der Praxis zu lernen. Pius Parsch besaß dazu noch eine persönliche Leidenschaft: Seelsorger zu sein. Unter dem großen Seelsorgerpapst Pius X. war er in das Stift der Augustinerchorherren Klosterneuburg bei Wien eingetreten, den Namen dieses Papstes hatte er als Klosternamen empfangen. Ein Namen, der verpflichtete. Der hieß: Alles in Christus erneuern. Erneuerung in Christus aber ist nur möglich, wenn die Menschen Christus kennen, wenn sie IHM begegnen. Wo finden sie Christus am ehesten? Parsch gab darauf die Antwort: in der Messe und in der Bibel. Pius Parsch ging mutig ans Werk. Durch die volksliturgische Bewegung versuchte er, die Messe dem Volke verständlich zu machen und es zu einem Mitfeiern an derselben anzuleiten. Durch die Bibelbewegung anderseits versuchte er, die Heilige Schrift unter die Menschen zu bringen. In Millionen von Auflagen wanderten seine billigen Meßtexte unter das Volk, seine zahlreichen Bücher klärten Priester und Laien auf '(sein Hauptwerk „Das Jahr des Heiles" erlebte in deutscher Sprache 13 Auflagen, daneben noch eine englische, französische, italienische, spanische, portugiesische, holländische und sogar japanische, sein Buch über die Messe, das in deutscher Sprache drei Auflagen erreichte,, kletterte in der französischen. auf fünf, in der englischen auf zwei und wurde ins Ungarische, Holländische und Portugiesische übersetzt), Zeitschriften wie „Bibel und Liturgie", Reihenschriften, Wandtafeln weckten das Interesse weitester Kreise an der volksliturgischen Bewegung.

Das Buch „Volksliturgie" gibt von all dem Zeugnis. Gegenüber der ersten Auflage, die 1940 erschien, ist das Buch um 200 Seiten und eine große Zahl von Abschnitten gewachsen. (Leider sind aber gegenüber der ersten Auflage die Bilder, die hauptsächlich St. Gertrud — die Wiege der volksliturgischen Bewegung — zeigten, verschwunden.) Seit der ersten Auflage erschienen die grundlegenden päpstlichen Rundschreiben „Mystici Corporis" und „Mediator Dei". Es kam die Erlaubnis der Feier der Osternacht, was noch 1940 die kühnsten Geister nicht zu hoffen gewagt hatten. Zu allen diesen Ereignissen nimmt der Verfasser ausführlich Stellung. Gegenüber der ersten Auflage hat Pius Parsch seine Ausdrücke „subjektive und objektive Frömmigkeit", die zu Mißdeutungen Anlaß gaben, in „Gnadenfrömmigkeit und Gnadenseelsorge" geändert. Als neue Kapitel wären insbesondere zu nennen: Liturgie und Arbeiter; Die Heiligung des Priesters; Die Methode der Bibelstunde; Theologische Schriftauslegung. Große Teile des Buches bestehen aus Diskussionen, gehalten in Form von Berichten und Referaten, teilweise in Form von Entgegnungen auf Mißverständnisse.

Das Werk ist ein Rechenschaftsbericht über rund 30 Jahre Arbeit im Weinberg des Herrn. Es sollte darüber hinaus ein Seelsorgebehelf sein. Nun ist es noch dazu ein Testament geworden. Ein Testament, das den Erben dieses Großen die schwere Verpflichtung auferlegt, ihre Kräfte nicht erlahmen und zersplittern zu lassen, sondern die Arbeit des Verstorbenen fortzusetzen. Denn, so würde Pius Parsch sagen, wir stehen erst am Beginn, und es ist noch unendlich viel zu tun.

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