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Tragodie in Preuen

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Nun liegt, erstmalig, in einer wohlfeilen Taschenbuchausgabe dieses mächtige Werk des protestantischen Dichters vor, den Reinhold Schneider so sehr geliebt hatte und der in manchem ein geistiger deutsch-evangelischer Bruder des katholischen .Dichters war. Der Pastorensohn Jochen Klepper, dessen aus dem Nachlaß herausgegebenen Tagebücher, vor allem „Unter dem Schatten deiner Hügel“, zu dem Ergreifendsten und Bedeutsamsten gehören, das uns von deutschem Selbstzeugnis der Jahre 1933 bis 1945 vorliegt, hat in diesem „Roman“ um Leben und Leiden des Vaters Friedrichs des Großen, des Königs Friedrich Wilhelm I., ein mehrfaches Testament hinterlassen. Wie Reinhold Schneider rang auch Klepper zeitlebens, bis zu seinem furchtbaren und seltsam getrosten Ende 1942, um den Sinn und die Wiedergeburt des konservativen Prinzips, der monarchischen Idee, und eines' glaubwürdigen, das heißt schmerzerfahrenen Christentums in unserer Zeit. Klepper gab seinem Werk das Motto: „Könige müssen mehr leiden können als andere Menschen.“ Es ist gerade heute an der Zeit, in der man in Österreich gern, in falsch verstandener Österreicherei, in einem billigen Provinzialismus versinkt, hierzulande dieses Kunstwerk zu studieren, das von einem anderen, hier weithin unbekannten Preußen berichtet. Von einem Preußen protestantischer Frömmigkeit aus calvinischem und lutherisch-pietistischem Geblüt: vom Drama, ja von der Tragödie eines Menschentums, das in großen Opfern, in Selbstopfern, in freiwilligen Selbstentäußerungen Menschen gebildet hat, aus deren Geschlecht noch die Frauen und Männer des preußischen 20. Juli 1944 und manche Reformer von heute stammen. Mit Recht haben im letzten Krieg breite und führende Kreise des deutschen Protestantismus, Preußens und zumal des deutschen Nordens Jochen Kleppers Buch „Der Vater“ als ihr Trostbuch, als ihr Vademekum im Kriege, an der Front sich erlesen. Preußens wahre Gloria, eine Absage an jeden falschen Ruhm, jede Anmaßung, jegliche Überhebung, sind ja hier von einem reinen Gläubigen in unvergeßlicher Weise gestaltet. Klepper hat viele Jahre die Quellen studiert, später auch zum Teil in zwei Nachfolgebänden ediert, geschrieben aber hat er seinen „Vater“ mit heißem Herzen und hohem Kunstverstand, in Zucht und Maß und Ergriffenheit. So ist „Der Vater“ zu einem klassischen Werk deutscher Dichtung und politischer Selbstbesinnung geworden, aus dem Geist des alten Preußens, seines Protestantismus und einer konservativen Idee, die ihre Lebenskraft aus immer neuer bewußter Erfahrung und Annahme des großen Schmerzes gewinnt, der im Menschen ist und den in jeder Zeit der Mensch sich selbst neu bereitet.

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