"Licht fliehendes Fresko"

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Das Licht zieht sich wie eine zarte Leuchtschrift durch die neue poetische Welt der in Zürich lebenden Autorin Ilma Rakusa. In ihrem Gedichtband "Impressum. Langsames Licht" geht es um Momente kontemplativen Innenhaltens, um Anschauung und stille Betrachtung, aber auch um kleine Episoden, die sich auf Reisen oder im gewöhnlichen Alltag im Gedächtnis verankert haben.

Rakusa evoziert in sieben Kapiteln schwebende Stimmungen, die sie mit Orten, Zeiten, Dingen, Bildern oder Personen verbindet. Licht wird zum "fliehenden Fresko", wenn "das Rot des / Ahorns fast transzendent" unter Schneeflocken hervorschimmert - so erhält das Kältepanorama jäh leuchtende Risse. Synästhetisch und behutsam wiegt Rakusa das Licht in poetischer Sprache. Der Blick auf Äste und den "grauen See" mutiert zur "Matritze des Tags". Diese "Melancholien" kreisen auch um existenzielle Erfahrungen wie Krankheit oder Altern. In der Begegnung mit der Mutter, die sich bettlägerig nach Berührung sehnt und nur mehr über ein "Restchen Kraft" verfügt, offenbart sich die Ohnmacht gegenüber dem Schicksal der nun Entrechteten. Ein thematischer Schnitt mündet in die Erinnerung an den Vulkanausbruch in Island 2010: "Kein Flug / Lärm schon den dritten Tag. / So still die Zeit. So unvereint."

Feinfühlig, intensiv

Hier festgehaltene Reiseerfahrungen dokumentieren eine Vorliebe für das Detail am Rande und das abseits Wahrgenommene. Etwa die "klaffenden Lücken" Odessas oder das Laubhüttenfest in der Synagoge, zu dem man "in Jarmulke und / Schwarz, mit flatternden Gebetsschnüren" kommt. Dann ist da eine bizarre, poetisch eingefangene Impression im Prager Agneskloster: "Freitagmittag vermooste Stille / bis plötzlich Stimmen ins Gewölbe / fliegen ein zerrissener Sopran / und aus einer Nische das Meer / leuchtet wie flutendes Metall". In Kairo blüht die Erinnerung an die Vergangenheit, während im Iran paradiesische Assoziationen an Bittermandel, Granatapfel, Rosen und Mimosen geknüpft werden.

Die lyrische Auseinandersetzung mit Farben, Tönen, religiösen Stätten, Landschaften und Bauwerken verdichtet sich zu einem Fluidum dichter Empfindungen. In Dinggedichten, die der Tradition Rilkes folgen, ergründet Rakusa feinfühlig in intensiver Betrachtung das geheime Wesen von Gegenständen. Aber zwischendurch spannt sich über alles die Zeit, manchmal "zerkrümelt", dann gebauscht zum Nest. Diese kraftvolle Bildsprache eröffnet flirrende poetische Räume. Hell, sinnlich und tröstlich: "Prüfe dein Herz / geh übers Feld / ruhe dich aus / rühr an die Welt."

Impressum:

Langsames Licht

Gedichte von Ilma Rakusa Droschl 2016.

175 S., geb. € 20,-

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