Picassos gar nicht so kleiner Bruder

Werbung
Werbung
Werbung

Er gilt neben Pablo Picasso als Begründer des Kubismus: der 1882 in Frankreich geborene Georges Braque. Eine aktuelle Schau in Wien bietet die Möglichkeit, den Maler in allen Aspekten seines künstlerischen Schaffens kennenzulernen.

Es hat sich bereits herumgesprochen, der Kubismus war eine der einflussreichsten Strömungen zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. Noch weiter verbreitet hat sich die unmittelbare Gleichsetzung des Namens dieser Stilbezeichnung mit dem von Picasso. Eher selten taucht dann, quasi als kleinerer Bruder, auch noch der Name Georges Braque auf. Dabei ist dessen Beitrag bei der Entwicklung dieses epochemachenden Stils durchaus ebenbürtig wenn nicht gar höher einzuschätzen. Die Schau im Bank Austria Kunstforum bietet die Möglichkeit, sich nicht nur diesen Aspekt zu vergegenwärtigen, sondern den Maler Georges Braque in allen Facetten seines Schaffens kennenzulernen.

Der 1882 geborene Georges Braque, dessen Eltern einen Betrieb für Dekorationsmalerei betrieben, wächst quasi schon mit Farben auf. Bereits in der Jugendzeit befreundet er sich mit Raoul Dufy, der ihm später den Zugang zu den Fauves, jenen "Wilden", die mit ungebrochen lichten Farben die Natur verzaubert haben, verschaffen wird. Mit 23 schließt er sich dieser Gruppe als letztes Mitglied an, um sie als erster wieder zu verlassen. Diese kurze Phase hat sowohl den Fauvismus bereichert, als auch Braques Temperament in die ihm eigene Richtung geleitet. Denn zu wild durfte es für ihn nicht zugehen, Braque erweist sich in jeder Phase seines Œuvres als ein kluger Baumeister seiner Bilder.

Braque trifft auf Cézanne und Picasso

Das Jahr 1907 schließlich hatte es in doppelter Hinsicht für Braque in sich. Einmal besuchte er die umfangreiche Retrospektive seines großen malerischen Vordenkers, Paul Cézanne, und dann lernte er in diesem Jahr auch Picasso kennen. In zwei Entwicklungsschüben setzten die beiden das Befreiungswerk ihrer Vorgänger fort, die Kunst entledigte sich der oft missverstandenen Bindung an die Wirklichkeit, die allenthalben im Ideal eines möglichst getreuen Abmalens ihren monströsen Höhe… - nein: Tiefpunkt fand. Angeregt durch Cézanne und jene Exponate, die sie in der ersten großen Ausstellung afrikanischer Plastiken im Jahr 1906 in Paris sahen, experimentieren ihre Arbeiten aus der damaligen Zeit mit der rhythmischen Zerlegung der Körper und des Raumes. Es war eine symbiotische Beziehung, die die beiden damals pflegten, sie besuchten sich beinahe täglich, jede Arbeit wurde solange diskutiert, bis beide mit ihr zufrieden waren, Picasso sprach von Braque sogar als von "seiner Frau" und Braque bekennt: "Bis zu einem gewissen Grad befanden sich Picasso und ich auf der Suche nach einer anonymen Persönlichkeit. Wir waren darauf vorbereitet, unsere Persönlichkeit aufzulösen, um Originalität zu erreichen." Diese intensive Zusammenarbeit gipfelte schließlich darin, dass Arbeiten von ihnen aus der Zeit um 1911 kaum unterscheidbar sind.

Eine negative Lesart trauert im Anblick dieser kubistischen Bilder dem Verlust eines klaren Gegenstandes nach beziehungsweise beweint umgekehrt die Vervielfältigung der Standpunkte sowohl der Kunstschaffenden als auch der Betrachter. Sind die Augen erst einmal wieder getrocknet, dann zeigt sich, dass der Gegenstand in keinem der Bilder von Braque verloren geht, ganz im Gegenteil, er bekommt die Möglichkeit, sich reicher zu entfalten, mehrere Aspekte von sich zu offenbaren, und auch den Rezipienten wird viel mehr an natürlicher Beweglichkeit zurückgegeben, wenn man der Traurigkeit einen positiven Zugang entgegensetzen will.

Orientierung an natürlichen Umrissen

Es handelt sich auch nicht um eine banale Geometrisierung, die die Welt mit Lineal und Zirkel in Abbildungssysteme pressen will. Vielmehr orientieren sich die Arbeiten von Braque nach wie vor viel mehr an so etwas wie natürlichen Umrissen als an geometrischen Formen, bloß sind eben viele seiner Motive - von Häusern, über Geschirr und Musikinstrumenten - bereits entlang geometrischer Vorgaben vorgeschaffen worden.

Dennoch gibt sich Braque niemals einem verspäteten Kurs in Geometrischzeichnen hin und die einzelnen Flächen sind auch nicht einfach angemalt, sondern in differenzierten farblichen Nuancierungen gestaltet. Darüber hinaus beginnt Braque auch damit, in seine Arbeiten Zeitungsausschnitte, Tapetenreste, Sand und Sägespäne als direkte Verbindungslinie zur so genannten Wirklichkeit einzubauen, ein Verfahren, das Picasso von ihm übernimmt.

Der Erste Weltkrieg brachte nicht nur das abrupte Ende der Symbiose zwischen Braque und Picasso, sondern bescherte Ersterem auch eine gefährliche Verletzung. Nach dieser unfreiwilligen Unterbrechung setzt Braque seinen künstlerischen Weg alleine fort, wobei er vor allem in seinen Stillleben zu wahrer Meisterschaft gelangt. Besondere Bedeutung kommt in seinem Spätwerk einer Serie von Ansichten von seinem Atelier zu, in denen er seinen Arbeitsplatz als einen Ort der Meditation, als eine Möglichkeit, in der Abgeschlossenheit die Unendlichkeit einzufangen, vorstellt. Gegen Ende seines Lebens nimmt er das Landschaftsthema in seinem Atelier in Varengeville in der Normandie nochmals auf. Als er 1963 stirbt, ehrt ihn sein Heimatland mit einem Staatsbegräbnis.

Georges Braque

Bank Austria Kunstforum

Freyung 8, 1010 Wien

bis 1. März, tägl. 10-19, Fr 10-21 Uhr

Katalog: Georges Braque. Ostfildern-Ruit (Hatje Cantz) 2009, 248 S, e 29,-

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung