Sind Christen - noch - Monotheisten?

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Überlegungen zur Dreifaltigkeit - nicht zuletzt anhand deren bildlicher Darstellung in den einzelnen Ost- und Westkirchen.

Alle Vorstellungen und Ideen, die Menschen von Gott - also auch von der allerheiligsten Dreifaltigkeit - haben, sind stärker durch Bilder geprägt als durch verbale Lehren und Bekenntnisse, es sei denn, dass auch diese Texte eine stark bildhafte Sprache verwenden. Es ist kein Zufall, dass allenthalben von Gottes-Bildern bzw. Gottes-Vorstellungen geredet wird, wie es andererseits gerade deshalb auch verständlich ist, dass die Heiligen Schriften der Juden (ihre Bibel) und der Muslime (der Koran) ein striktes Verbot kennen, Bilder von Gott anzufertigen. Denn der (kultische) Gebrauch vom Bild Gottes - wie übrigens auch von seinem Namen - macht Gott, der seinem Wesen nach "unverfügbar" ist, für die Menschen in gewissem Sinn verfügbar: Im selbst erdachten und angefertigten Bild Gottes "haben" sie ihn; sie können ihn festhalten und von ihm Besitz ergreifen, ja, mehr noch, sie haben sich seiner bemächtigt. Und das gilt ebenfalls von der Anrufung seines Namens.

Es darf dabei nicht übersehen werden, dass Gott selbst - als der Schöpfer des Alls - dem von ihm geschaffenen Menschen ein Bild von sich gegeben hat: den von ihm als Mann und Frau geschaffenen Menschen. Eine wichtige Unterscheidung im Hinblick auf das Bild-Verbot darf also keinesfalls übersehen werden: Das Abbild Gottes, das er selbst uns gegeben hat, haben wir als solches anzunehmen und zu gebrauchen. Doch es ist und bleibt uns verboten, uns selbst eigenmächtig Bilder Gottes zu machen, das heißt zu erfinden, anzufertigen und (kultisch) zu gebrauchen. "Du sollst dir kein Gottesbild machen!" (Ex 20,4; Dtn 5,8)

Angesichts des biblischen Bilder-Verbotes ist es erstaunlich, wie viele und wie vielfältige Bilder der allerheiligsten göttlichen Dreifaltigkeit es gibt. Und in Anbetracht dieser Bilder ist es nicht nur berechtigt, sondern auch notwendig, die Frage zu stellen, um die es hier geht: "Sind die Christen (noch) Monotheisten? - Glauben sie an einen Gott, oder vielleicht nicht doch an zwei oder drei Götter?"

Es ist freilich zu beachten, dass zwischen Gottes-Bild und Bild Gottes gegenläufige Einflüsse wirksam sind. Mit anderen Worten gesagt: Die vorhandenen und immer wieder gesehenen Bilder prägen das Gottes-Bild derer, die sie sehen, und diese Bilder ihrerseits spiegeln wider, was und wie zur Zeit ihrer Entstehung gepredigt, geglaubt und gebetet wird.

Die Trinitätsbilder der Orthodoxie

Im ganzen ersten Jahrtausend ist das menschliche Gesicht Jesu, die Ikone Christi, das einzige als Bild sichtbare "Antlitz" Gottes gemäß dem Wort Jesu: "Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen!" (Joh 14,9). Der in der gesamten Orthodoxie verbreitete "Pantokrator" (deutsch: "All-Herrscher") hat das Antlitz Christi, muss aber als trinitarisches Gottesbild verstanden werden, was aus den beigefügten Buchstaben bzw. Wörtern ersichtlich ist. Außer dem niemals fehlenden Christus-Monogramm ist im Nimbus immer die Feststellung zu finden: O On (der Seiende), die Selbst-Bezeichnung Gottes im brennenden Dornbusch vor Mose, eine Andeutung dafür, dass der Sohn und der Vater eins sind, ein Gott.

In der kanonischen Trinitätsikone der Ostkirche - das Gastmahl bei Abraham - sind die drei Engel nicht Ab-Bild der Trinität, sondern Sinn-Bild für die Trinität. Nicht selten sind aber bei allen drei Engeln die Schriftzeichen IC XP (im lateinischen Alphabet: IS ChS) für Jesus Christus zu sehen; hin und wieder ist jeder Kopf mit einem Kreuz-Nimbus umgeben.

Dreifaltigkeitsbilder im Westen

Im 2. Jahrtausend gibt es im lateinisch-westlichen Christentum (sehr intensiv im Gebiet des heutigen Österreich!) eine bemerkenswerte Neu-Entwicklung von Dreifaltigkeits-Bildern, die jedoch bald auch den christlichen Osten beeinflusst. Ausgangspunkt ist das "Drei-Gesicht" - ein Kopf trägt drei Jesus-Gesichter -, das sich sehr bald zum "Drei-köpfigen" weiterentwickelt: auf einem Körper, in der Regel auf dem himmlischen Thron sitzend, sind drei Köpfe zu sehen, die alle identisch das Antlitz Christi zeigen (Trinitarische Marienkrönung in Seckau!). Es entwickelt sich aus dem "Drei-köpfigen" bereits im Hochmittelalter ein Trinitätsbild, das drei vollständige und getrennte Personen (die Verwendung des Begriffes persona für Mensch legt das ja nahe!) mit "individuellen" Körpern zeigt, die aber immerhin noch gemeinsam auf einem Thron sitzen. Zugleich setzt aber auch schon die Differenzierung zwischen Vater und Sohn dadurch ein, dass ein Gesicht weißhaarig, die beiden anderen dunkelhaarig oder aber der Vater mit dem vertrauten Christus-Gesicht, der Sohn aber bartlos gezeigt werden. Weil aber Gott-Vater nicht zwei Söhne hat, wird die dritte Menschengestalt bald durch eine Taube, das biblisch legitimierte Bild für den Heiligen Geist (Lk 3,22), ersetzt. In eben dieser Form wird das Dreifaltigkeitsbild, wie es uns allen gut vertraut ist, durch das Trienter Konzil für die katholische Kirche verpflichtend festgeschrieben. Der Heilige Geist, immerhin die dritte göttliche Person, erscheint hier im Bild gegenüber den beiden Männern so deutlich untergeordnet, dass er auch in der abendländischen Frömmigkeit mehr und mehr zurücktritt. Dafür wird jetzt die gekrönte Gottesmutter - die "Himmels-Königin" - immer häufiger den göttlichen Personen beigesellt. Dass dadurch in der so genannten Volksfrömmigkeit eine neue, aber der christlichen Botschaft keineswegs entsprechende Vorstellung der Dreifaltigkeit entsteht, verwundert nicht.

Gott handelt trinitarisch

So schwierig, ja eigentlich unmöglich es ist, das trinitarische Wesen des einen Gottes bildhaft darzustellen, so naheliegend war es, Gottes trinitarisch geprägtes Handeln in Schöpfung, Erlösung und Vollendung ins Bild zu bringen.

* Der Gnadenstuhl, das am weitesten verbreitete Dreifaltigkeitsbild vom 14. bis ins 19. Jahrhundert, zeigt den thronenden Vater, den gekreuzigten Sohn (Crucifixus) auf den Knien oder in seinen Händen haltend, die Geisttaube darüber oder darunter schwebend oder zwischen beiden Köpfen. Das Bild ist durch seine ab- und auf- und nochmals ab- und auf-steigende Kraft bestimmt. Der Vater gibt seinen Sohn für uns hin; der Sohn gibt sich für die Menschen ganz dem Vater hin, der Vater nimmt die Hingabe des Sohnes an und schenkt durch den Sohn den Menschen und der Welt Heil; die Kirche - in Schrein-Madonnen und Vesper-Bildern durch Maria dargestellt - feiert bedenkend und bedankend diese Großtaten Gottes, die in ihrer Memoria als je gegenwärtig erfahren werden: heilwirkend vom Vater durch den Sohn in die Welt, Gott verherrlichend durch den Sohn. Und das alles geschieht immer cooperante Spriritus Sancti - in der Kraft des Heiligen Geistes.

* Die Bilder der Verkündigung des Herrn an Maria, zeigen Gottes trinitarisches Handeln ebenso deutlich wie jene der Taufe Jesu: Gott kommt durch sein ewiges Wort, den Sohn, als Mensch zum Menschen, um dem Tod unterliegend den Tod zu entmachten. Hinunter zum Menschen, hinauf zu Gott; vom Vater als sein Sohn bezeugt und im Heiligen Geist beglaubigt. Beide Bilder sind auch als Liturgie-Erklärung zu interpretieren: In der Messfeier empfängt die Kirche - und jeder einzelne Christ in ihr - in der Kraft des Heiligen Geistes den Sohn, um ihn "in der Messe nach der Messe" zur Welt zu bringen. In der Taufe stirbt der Täufling mit Christus, um sogleich mit ihm aufzuerstehen, seinem erhöhten Leib eingegliedert, und vom Vater im Heiligen Geist als sein Kind bezeugt.

In der zeitgenössischen Kunst

Sieht man in der je zeitgenössischen Kunst und den darin aufscheinenden Fragen und Themen einen Spiegel im Hinblick auf ihre Relevanz für die gegenwärtige Gesellschaft, so sollten im gesamten Christentum die Alarmglocken schrillen! Abgesehen von einem da und dort aufflackernden neuen Feuer des Heiligen Geistes ist von der Trinität so gut wie nichts mehr wahrzunehmen. Das männliche Bild des allmächtigen Vaters ist obsolet geworden, wie übrigens auch das des triumphierenden Christus-Helden. Am ehesten zeigt sich da und dort eine Ahnung vom Leiden des Sohnes, das im sinnlosen Leid von allenthalben ausgebeuteten, gequälten, gefolterten und umgebrachten Menschen verschlüsselt erkannt werden kann. Oder sind vielleicht - ganz selten, aber doch - Bilder von unauslotbarer, beglückender Liebe zwischen Mann und Frau trinitarisch zu deuten? … eine Hinwendung zu jenem Abbild Gottes, das er selbst dem Menschen gegeben hat?

* Der Autor ist emeritierter Liturgiewissenschafter und Ostkirchenexperte in Graz

Das Thema wird ausführlicher und anhand von Bildern bei einer vom Verfasser gestalteten Präsentation am 5. Juni um 21 Uhr bei der Langen Nacht der Kirchen in der Dreifaltigkeitskirche in Graz dargestellt. www.langenacht-derkirchen.at

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