Wenn das Füllhorn des Schlafes versiegt

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Der "Weltschlaftag" erinnerte daran, dass Schlafstörungen zu hohen Belastungen führen - und oft nur unzureichend behandelt werden.

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Der "Weltschlaftag" erinnerte daran, dass Schlafstörungen zu hohen Belastungen führen - und oft nur unzureichend behandelt werden.

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Für ein schmerzfreies Leben sind wir meist erst dann so richtig dankbar, wenn ein Schmerz gerade nachlässt. Ebenso wird einem der Wert eines guten Schlafes oft erst dann bewusst, sobald man aus eigener Erfahrung weiß, was Schlafstörungen sind - und wie sie den Alltag beeinträchtigen. Mit einer durchschnittlichen Schlafdauer von circa acht Stunden verschlafen die Österreicher rund ein Drittel ihres Lebens, aber das ist wahrlich keine Zeitverschwendung: Denn ein gesunder Schlaf ist für unsere Körperenergie und Psyche, für unsere Produktivität und Funktionsfähigkeit von zentraler Bedeutung.

Die dunkle Höhle des Hypnos, wie der Schlaf in der griechischen Mythologie vergöttert wird, ist jedenfalls eine unverzichtbare Quelle der Erholung und Regeneration: Wenn das Füllhorn des Hypnos versiegt, folgen Konzentrationsstörungen, Leistungsabfall, erhöhtes Unfallrisiko, Depressionen oder Störungen im Sozial-und Berufsleben. Bei gestörtem Tag-Nacht-Rhythmus infolge von Schichtarbeit wurde auch ein erhöhtes Krebsrisiko beobachtet: So hatte eine Studie mit Krankenschwestern gezeigt, dass jene mit vielen unregelmäßigen Nachtdiensten häufiger an Brustkrebs erkrankten.

Schlafapnoe durch Atempausen

"Zwar wissen wir, dass ein schlechter Schlaf ein immenses Gesundheitsrisiko darstellt, jedoch werden Schlafprobleme noch immer zu gering geschätzt", betonte die Psychotherapeutin Brigitte Holzinger bei einer Experten-Pressekonferenz anlässlich des "Weltschlaftags" in Wien. 2008 wurde dieser Tag vom Weltverband für Schlafmedizin ins Leben gerufen, um alljährlich vor Frühlingsbeginn die gesellschaftliche Last von Schlafproblemen aufzuzeigen. Immerhin geben 30 Prozent der Erwachsenen in Umfragen an, unter chronischen Schlafstörungen zu leiden. Zugleich soll das Bewusstsein vermittelt werden, dass Schlafprobleme nicht hingenommen werden müssen. Denn die meisten von ihnen wären vermeidbar oder behandelbar.

Mit dem Motto "Erholsamer Schlaf, leichter Atem, gesunder Körper" rückte der "Weltschlaftag" dieses Jahr eine spezielle Schlafstörung ins Zentrum der Aufmerksamkeit: die obstruktive Schlafapnoe, gekennzeichnet durch Symptome wie lautes Schnarchen und Atempausen während des Schlafes. "In Österreich leiden etwa 300.000 bis 400.000 Menschen an dieser eventuell lebensgefährlichen Atemstörung im Schlaf", berichtete der Lungenfacharzt Wolfgang Mallin. Die Dunkelziffer der Betroffenen ist laut Experten sehr hoch. "80 bis 90 Prozent der Betroffenen sind bisher weder diagnostiziert noch behandelt", so Mallin.

Bei Schlafapnoe kommt es zu einem Verschluss der oberen Atemwege, wobei die so behinderte Atmung oft zu Sauerstoffmangel führt. Durch unbewusste Aufwachreaktionen setzt die Atmung wieder ein, dadurch allerdings wird der Schlaf unterbrochen und hat keinen Erholungseffekt. Die Konsequenz ist verstärkte Tagesmüdigkeit, wobei etwa im Straßenverkehr die Gefahr des Sekundenschlafs besteht. "Auch das Risiko für Folgeschäden wie Herzinfarkt oder Schlaganfall im Schlaf ist nicht unerheblich", betonte Mallin. Der fatale Kreislauf bei Schlafapnoe kann durch Beatmungsmasken oder Unterkiefer-Schienen, die als Hilfsgeräte während des Schlafes zu tragen sind, behoben werden. Alternativ dazu kann in geeigneten Fällen ein chirurgischer Eingriff Abhilfe schaffen.

Zur Vorbeugung einer Schlafapnoe zählt vor allem die Vermeidung von Risikofaktoren wie Übergewicht oder Fettleibigkeit sowie Rauchen. Aktuelle Studien zeigen, dass allein Gewichtsverlust oder Rauchverzicht die Schlafapnoe bei den entsprechenden Patientengruppen zum Verschwinden bringen kann.

Untersuchungen im Schlaflabor

Bei Kindern ist oft eine Verschlechterung des Schulerfolgs der Ausgangspunkt für die Diagnose einer Schlafstörung. Wenn Kinder schnarchen, kann dies ein Hinweis auf eine behandlungsbedürftige Atembehinderung sein, wie der Pädiater Reinhold Kerbl erläuterte: "Die Häufigkeit des Schnarchens steigt mit zunehmendem Lebensalter, aber auch bei Klein-und Schulkindern neigen etwa zehn Prozent zu nächtlichem Schnarchen. Etwa ein Fünftel davon, also zwei Prozent aller Kinder, haben ein zu behandelndes obstruktives Schlafapnoe-Syndrom." Einnässen, Neigung zu Infekten und Gewichtsabnahme sind einige der Folgen eines ausgeprägten Schlafapnoe-Syndroms. Durch alleinige Beobachtung ist die Unterscheidung zwischen "harmlosem" und therapiebedürftigem Schnarchen oft nicht möglich. Der diagnostische "Goldstandard" ist daher die Untersuchung im Schlaflabor. Die Therapie besteht meist in der Entfernung oder Verkleinerung der Gaumen-und Rachenmandeln.

"In Österreich gibt es noch zu wenig Bewusstsein über die Existenz der Schlafapnoe im Kindesalter, zu wenige Schlafspezialisten und nur wenige pädiatrische Schlaflabors", bedauerte Kerbl. Die Bemühungen, die Schlafmedizin standespolitisch zu etablieren, blieben in Österreich bislang ohne Erfolg. In Deutschland hingegen ist der "Somnologe" bereits eine anerkannte Qualifikation. Unabhängig davon bleibt die Therapie von Schlafstörungen ohnehin oft in den Händen der Betroffenen. Denn nur ein geringer Anteil sucht primär ärztliche Hilfe; viele behandeln sich in Eigenregie mit selbst beschafften Medikamenten oder Alkohol. Demgegenüber verfolgt die Schlafmedizin das Ziel, die unterschiedlichen Schlafstörungen nach dem "Schloss-Schlüssel"-Prinzip zu behandeln: Dies bedeutet gezielte psychotherapeutische, somatische und medikamentöse Strategien, so der Psychiater Bernd Saletu, der 1975 das erste Schlaflabor in Österreich begründet hat.

In den unzähligen Anleitungen für einen gesunden Lebensstil wird der Schlaf bislang weitaus weniger thematisiert als die großen Präventionsbereiche "Ernährung" und "Bewegung". Zu Unrecht, wie Experten meinen: "Es gibt keine andere Aktivität, die uns so viele nützliche Effekte ohne jede Anstrengung zukommen lässt", hält der Weltverband für Schlafmedizin anlässlich des "Weltschlaftags" fest.

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