Andockstelle für Osteuropa

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Wolfgang Schüssel hat in Brüssel erklärt, Österreich werde keine Veto-Politik betreiben und bekenne sich weiter zur Osterweiterung der EU. Dies ist - immerhin - eine eindeutige Abgrenzung von der FPÖ, für eine klare Positionierung Österreichs innerhalb der EU reicht dieses Minimalbekenntnis aber nicht aus.

Man erinnere sich an 1994, als Thomas Klestil noch offensiv erklärte, Östereich verstehe sich als "Andockstelle" für die neuen Bewerber und werde seine Nachbarn kräftig unterstützen. Auch damals war die Osterweiterung zwar kein populäres Anliegen, aber ein paar Politiker hatten genug kulturelles und politisches Gespür, um Österreichs historische Chance in diesem Raum zu erkennen.

In letzter Zeit wird vor allem das wirtschaftliche Argument forciert: Der Südosten Europas biete der östereichischen Wirtschaft hervorragende Exportchancen und trage damit zum Wirtschaftswachstum bei. Aber der Sinn der Osterweiterung - die Wiedervereinigung Europas - wird damit nicht erreicht. Ohne aktives Engagement für die Beitrittswerber, ohne Ausbau auch der kulturellen Kontakte, nicht nur der wirtschaftlichen Märkte, ohne Vorschläge für die Umgestaltung einer erweiterten Union bleibt Östereichs Rolle in Südosteuropa ohne Kontur.

Um eine aktive Rolle beim derzeit wichtigsten Thema der EU zu übernehmen, müsste sich Östereich zuallererst von der deutschen Außenpolitik abkoppeln und einen eigenen Kurs ansteuern. Im Großmachtpoker zwichen Deutschland und Frankreich spielt Östereich derzeit nur den Wurmfortsatz von Deutschland. Dies wird weder von Frankreich noch von den ost- und südosteuropäischen Staaten goutiert. Der eigene Kurs könnte darin bestehen, ein Konzept für eine "Region Südosteuropa" zu entwicklen, vergleichbar anderen Gruppierungen wie den nordischen oder Mittelmeerstaaten, die innerhalb des Großraums EU regionale Kooperationsgruppen gebildet haben; nicht als Staat, der seiner vergangenen Größe nachtrauert, sondern als Kleinstaat, der eine neue Nachbarschaftspolitik begründet.

Trautl Brandstaller ist ORF-Journalistin und Dokumentarfilmerin.

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