Wahlkampf wie keiner zuvor?

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'Man muss aus einem sauberen Präsidenten einen schmutzigen machen': Bereits 1986, lange vor Silberstein, ist 'Dirty Campaigning' hierorts schon Wirklichkeit geworden.

Was war das für ein Wahlkampffinale! Und wie wird am Sonntag die Rechnung der Wähler aussehen? Erinnern wir uns: "Politik bedeutet für mich, in Anstand miteinander umzugehen", sagte der Kanzler noch kürzlich in einer Kurier-Debatte. Und: "Wer mit Schmutz agiert, der kann mich gernhaben." Tage später zeigte sich, wie viele ihn gernhaben können.

Von einer "Katastrophe politischer Kultur" war zuletzt die Rede, von "Schlammschlacht total" und Österreich als "Schmutzkübel-Eldorado". Jedenfalls von einem "Wahlkampf wie keiner zuvor".

Was aus der zeitlichen Nähe beispiellos erscheint -auch weil eine neue Ära politischer Perfidie aus dem digitalen Dunkel angebrochen ist -das ist es im Rückblick keineswegs. Von meinen Eltern besitze ich eine Sammlung von Hetzplakaten und -inseraten, randvoll mit Totenköpfen und Judensternen, mit geballten Fäusten und gezückten Messern. Sie haben uns einst ins Unglück gestürzt.

Aber so weit müssen wir gar nicht zurückblicken: Die Kampagne gegen Kurt Waldheim, 1986 initiiert, um den parteipolitischen "Erbhof" der Bundespräsidentschaft zu erhalten, war und bleibt ein Lehrstück taktisch geplanter -und genutzter -Scheinmoral. Ein halbes Volk und viel an Österreichs Reputation ist ihr zum Opfer gefallen.

Was immer man dem früheren UNO-Generalsekretär an rhetorischer Ungeschicklichkeit und fehlendem Geschichtsbewusstsein vorwerfen konnte

- nichts von den Schuldzuweisungen von damals konnte je bewiesen werden. Trotzdem blieben sie bis heute als Stereotyp mit dem Namen "Waldheim" verbunden. Eine selbstkritische Besichtigung alter Frontenlinien ist nirgends zu erkennen.

Kritische Medien dringend gefragt

Und: Dass die "Causa" immerhin zur überfälligen Aufarbeitung der Geschichte geführt habe, ist auch nur bruchstückweise richtig. Austrofaschismus wie Austromarxismus sind -trotz aller schwarz-roten Koalitionen -als "schlafende" politische Sprengköpfe noch immer kaum entschärft.

"Man muss aus einem sauberen Präsidenten einen schmutzigen machen": Weit früher als Tal Silbersteins skrupelloses Credo ist "Dirty Campaigning" hierorts schon Wirklichkeit geworden.

Ich fürchte, eine echte Abrüstung im Schmuddelkrieg wird es erst geben, wenn auch saftige Strafen drohen - durch Wählervotum, Gesetze und Gerichte.

Die jüngsten Ereignisse haben zudem gezeigt, wie sehr unser Land mit seiner mangelnden Streitkultur, seinen Verdrängungen, Verdächtigungen und unaufgelösten Konflikten auch eine solide, kritische Medienlandschaft braucht. Eine, die sich weigert, politischen Einzelinteressen zu dienen. Die aufdeckt, ohne mitzuspielen. Die es mit ihrem Selbstbild als "Vierte Gewalt" ganz ernst meint. Die Demokratie nicht zur Show verkommen lässt.

Es sind ja alles Leser, Hörer und Zuschauer, die einander am Sonntag an den Wahlurnen treffen werden, um dort nach Wissen und Gewissen zu urteilen.

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