Selbstbewusstseins-Pastoral

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Sie sind religiös, aber nicht unbedingt Sonntagskirchgänger: Seelsorge für die Roma ist eine ebenso interessante wie herausfordernde Aufgabe.

Es ist nicht einfach für die Roma, sich an die Ereignisse vor zehn Jahren zu erinnern und im Rampenlicht zu stehen", sagt Monika Schewek. Sie arbeitet seit zehn Jahren im "Referat für ethnische Gruppen", das von der Diözese Eisenstadt in Oberwart für die Romapastoral eingerichtet wurde. "Mir ist es wichtig, bei den Menschen zu sein und sie ein Stück ihres Weges begleiten zu dürfen", sagt die engagierte junge Frau: "Man muss auf die Menschen zugehen, auf die einzelnen eingehen und sich viel, viel Zeit nehmen." Extrem wichtig ist ihr der Kontakt zu den großen Roma-Siedlungen, zu den Vereinen und Gruppierungen. Monika Schewek besucht Roma aber auch in Krankenhäusern und im Gefängnis. Das "Referat für ethnische Gruppen" bietet neben konkreten Sprechstunden auch Jugendtreffen, Bibelrunden und Ferienlager sowie Seminare für gewaltfreie Konfliktlösungen an. "Man braucht ein offenes Ohr und ein offenes Herz - und fast unendlich viel Zeit für diese Arbeit", sagt Monika Schewek.

Seelsorger aus Nigeria

Die Aufgaben in der Roma-Pastoral sind bunt und vielfältig wie die Volksgruppe selbst. Der burgenländische Bischof Paul Iby war der erste, der sich der Seelsorge dieser Volksgruppe im Besonderen angenommen hat (siehe unten). Im Mai 2004 hat er Fabian Mmagu, den Pfarrer von Großpetersdorf im südlichen Burgenland, zum neuen Roma-Seelsorger bestellt. Fabian Mmagu kommt aus Nigeria.

"Er hat Diskriminierung am eigenen Leib erlebt. Ich glaube, dass er die neue Aufgabe gut meistert", sagt eine Frau mit Einkaufstasche auf dem Hauptplatz in Großpetersdorf. Positiv waren damals auch bereits die Reaktionen vieler Roma. "Unser neuer Seelsorger hätte aus Indien oder sonstwo kommen können. Es geht um die Sache. Wir als Volksgruppe stehen selbst am Rand der Gesellschaft, uns ist jeder willkommen", meint Emmerich Gärtner-Horvath, ein Rom aus Kleinbachselten und Geschäftsführer des Vereins "Roma-Service".

"Es ist eine schöne, aber eine schwierige Sache", so Fabian Mmagu über seine zusätzliche Aufgabe. "Relax" und "Enjoy" steht in handgeschriebenen Lettern auf der Tür zum Besprechungszimmer; überall hängen und stehen Fotos, die Mmagu mit den Erstkommunionkindern, mit den Ministranten, mit den Tischmüttern zeigen. Für seine Aufgabe als Roma-Seelsorger hat der charismatische Priester - neben seinen vielfältigen Aufgaben als Pfarrer - ein großes Ziel vor Augen: "Ich möchte dazu beitragen, dass die Roma im Lauf der Zeit zu einem stolzen Selbstbewusstsein finden, dass sie beweisen können, was sie als einzelne Menschen und als Volksgruppe zu bieten haben. Jeder Mensch ist ein geliebtes Geschöpf Gottes - und das ist für mich auch der Ausgangspunkt meiner Arbeit."

Roma und Gadsche

Viele der in Österreich lebenden Roma haben längst den Glauben ihrer Umgebung angenommen; sie sind gläubig, aber nicht unbedingt kirchlich orientiert. "Die Roma sind eine zutiefst religiöse Volksgruppe, aber sie haben kein Glaubensbewusstsein im kirchlichen Sinn", bestätigt auch Mmagu.

Hochzeiten, Taufen, Firmungen, Begräbnisse werden von vielen Roma traditionsgemäß groß gefeiert. "Typische Sonntagskirchengeher" sind die meisten eher wenig", meint Emmerich Gärtner-Horvath und erzählt vom Herrgottswinkel in den Häusern, von den mehrere Tage dauernden Hochzeiten zur Zeit seiner Kindheit, von der alljährlich stattfindenden Wallfahrt nach Mariazell und von seinem Traum, einmal zum großen Zigeuner-Wallfahrtsort Les-tres-Saint-Maries-Sul-Mer in Frankreich zu pilgern.

Die Roma in Österreich haben sich assimiliert, haben viel von den Bräuchen der "Gadsche", der Nicht-Roma, angenommen. Viele der eigenen Bräuche, wie das traditionelle "Totengedenkmahl" - eine ehemals aus Rumänien mitgebrachte Sitte - sind in Vergessenheit geraten. Beim "Totengedenkmahl" kam jeweils eine Woche, 40 Tage und ein Jahr nach der Beerdigung die ganze Familien zum Trauerfestmahl zusammen, um mit vielen Liedern - und Alkohol - gemeinsam die Lieblingsspeisen des Verstorbenen zu essen, während ein Platz für den Toten reserviert war.

Mulo-Glaube

Die Verstorbenen spielen bei den Roma eine große Rolle. Und anders als das Totengedenkmahl hat sich der so genannte "Mulo-Glaube", der Glaube an Geister von Verstorbenen, die konkret auf die Geschicke der Lebenden Einfluss nehmen und darüber hinaus unerklärliche Phänomene auslösen, neben den christlichen Glaubensvorstellungen weitgehend erhalten. Er wird auch heute noch, so erzählt Emmerich Gärtner-Horvath in Bezug auf seine eigenen Kinder, von Generation zu Generation weitergegeben. Mulos sind immer bekannte, konkrete Personen; sie erscheinen zu jeder Tages- und Nachtzeit. Mulo-Geister fordern, Unrecht wieder gutzumachen und Gestohlenes wieder zurückzugeben. Gute Mulos helfen, Streitigkeiten zu schlichten und verlorene Gegenstände wieder zu finden. Die Ahnenverehrung vieler Roma ist eng mit dem Mulo-Glauben verknüpft. Gegen böse Mulos helfen den Roma bekannte vorbeugende Maßnahmen.

Ein böser Geist ganz anderer Art ist die immer noch häufige Ausgrenzung von Roma in den Pfarren. Verstärkte Integration ist ein wichtiger Punkt der Roma-Seelsorge. Fabian Mmagu hat Ausgrenzung am eigenen Leib erfahren. "Vielleicht hat Bischof Iby das im Hinterkopf gehabt, als er mich zum neuen Roma-Seelsorger bestellt hat", sagt der Nigerianer mit einem entwaffnenden Lächeln.

Amen dschijas - Wir leben!

"Highlights" der Roma-Seelsorge sind heuer neben dem Gedenken am 4./5. Februar in Oberwart sowie die zum zehnten Mal stattfindende Roma-Wallfahrt nach Mariazell, die gemeinsam mit Kardinal Christoph Schönborn gefeiert werden soll. Die Basisarbeit, so Monika Schewek und Fabian Mmagu, werden aber immer die Besuche in den Siedlungen, in den Krankenhäusern und Gefängnissen sowie die konkrete Jugendarbeit sein.

Fabian Mmagu ist eigentlich für alle Roma in Österreich zuständig. Die meisten von ihnen leben allerdings nicht in der Nähe seines Pfarrgebietes im Burgenland, sondern in Wien. Auch in Linz wohnt eine größere Gruppe. Seit kurzem gibt es in der Bundeshauptstadt eine kleine Gruppe rund um Helmut Schüller und Ilja Jovanovic (Romano Centro), die sich zusammen mit einigen Roma und Gadsche Gedanken um die seelsorgliche Begleitung der Roma in Wien machen. Dass es diese Gruppe endlich gibt, ist für Monika Schewek fast wie "ein Traum".

"Der 10. Jahrestag von Oberwart und die zweiwöchige Veranstaltungsserie "Amen dschijas - Wir leben", die von den Roma gestaltet wird, bringt die Volksgruppe wieder ins mediale Rampenlicht", sagt die Roma-Pastoralassistentin Monika Schewek. "Ich wünsche mir, dass sich viele auf das Dargebrachte einlassen und den Weg ein Stück gemeinsam mit den Roma gehen."

INFOS: www.romawochenoberwart.at

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