Bachmann - © Foto: Polyfilm

Ingeborg Bachmann: Keine Rede von Rettung

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Margarethe von Trotta erzählt in „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“ von der toxischen Beziehung zwischen Ingeborg Bachmann (1926–73) und Max Frisch (1911–91) sowie der Afrikareise mit Adolf Opel (1935-2018).

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Margarethe von Trotta erzählt in „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“ von der toxischen Beziehung zwischen Ingeborg Bachmann (1926–73) und Max Frisch (1911–91) sowie der Afrikareise mit Adolf Opel (1935-2018).

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„Was zu ihrer Zerstörung geführt hat ... nur so viel: Eine frühere mehrjährige Beziehung war – zumindest empfand sie es so – zu einem mörderischen Existenzkampf ausgeartet, aus dem sie als Verlierer auf allen Linien zurückgeblieben war.“ So klar und zugleich zurückhaltend schrieb Adolf Opel, (Reise-)Gefährte Ingeborg Bachmanns in die ägyptische Wüste 1964: „Sie ist bis zum letzten Atemzug von dem EINEN Thema, der EINEN Anklage: die kaltblütige Vernichtung durch einen anderen, den man in selbstmörderischer Verblendung für den Nächsten gehalten hat, nicht mehr losgekommen.“

Adolf Opel hat in der hier zitierten, 1986 in der Zeitschrift Literatur und Kritik erschienenen Erinnerung Max Frisch nicht namentlich erwähnt. Von der damaligen Diskretion kann heute keine Rede mehr sein, auch wenn Opel, der 2018 verstorben ist, die 1038-seitige Edition des Briefwechsels zwischen Bachmann und Max Frisch nicht mehr erlebt hat.

Eine aussichtslose Beziehung

Aber auch Margarethe von Trotta, 81, stand diese einzigartige Materialsammlung für ihren Film „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“ nicht zur Verfügung. Dieser „Stoff“ fehlt der filmischen Näherung an die früh verstorbene Dichterin zweifellos. Trotta, Doyenne des deutschen Autorenfilms, musste sich daher ohne die Nuancen des „Unheils füreinander“ (so die beiden wechselseitig in diesen Briefen) bescheiden.

Den Film als reine Darstellung einer „toxischen Beziehung“, wie man auf Neudeutsch sagen würde, zu verstehen, greift aber doch zu kurz. Max Frisch, gefeierter Romancier wie Dramatiker und 15 Jahre älter, erweist sich als vierschrötiger Schweizer, der mit der in allen Facetten des Wortsinns fragilen Bachmann schwer zurechtkommt.

Ein häuslicher Alemanne, der mit der in vielen Welten nicht zu Hause imstande Seienden so wenig gemein hat, dass es – vom Ende her betrachtet – eine aussichtslose Beziehung war. Rom oder Zürich – die Städtenamen stehen für Typologien des Lebens, für die auch Protagonistin und Protagonist dieser Beziehung stehen.

Dass Max Frisch es nicht in den Filmtitel geschafft hat, hat auch mit der Konstellation zu tun, die Margarethe von Trotta entfaltet. Denn es gibt andere Lebensmenschen, bei denen die Bachmann nach Halt sucht: den Komponisten Hans Werner Henze in Rom, der die Bachmann‘sche Liaison mit Frisch von Anfang an argwöhnisch beäugt. Oder eben den neun Jahre jüngere Adolf Opel, mit dem die Zerbrochene nach Ägypten reist, um aus der Wüste Lebenskraft zu schöpfen.

Bekanntlich ist daraus Bachmanns Romanfragment „Der Fall Franza“ entstanden, und ebenso bekanntlich konnte von Rettung keine Rede sein: Die Wüste habe „nur einen Aufschub“ bewirkt, schreibt Opel in der 1986 publizierten Reise-Erinnerung, „bis sie dann – sie, in deren Träumen stets Scheiterhaufen und Brände vorgekommen waren – durch den dummen Zufall einer Zigarette ums Leben kam. Man wird das Wort ZU-FALL mit anderen Augen sehen müssen.“

Das Leben mit Frisch als großes Scheitern. Die Reise mit Opel und die Wüste als ultimativer Ausbruchsversuch in ein anderes Leben. Zwischen diese Pole setzt Trotta ihren Film. Ihr Opus geht vor allem in den schauspielerischen Leistungen auf.

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