Bachmann und Frisch - © Foto: picturedesk.com / ÖNB-Bildarchiv / Herbert List bzw. Imago / zuma Wire

Ingeborg Bachmann und Max Frisch: "Ein Unheil für einander"

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Der Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch enthüllt die Trennungsgeschichte einer von Beginn an komplizierten Liebesbeziehung.

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Der Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch enthüllt die Trennungsgeschichte einer von Beginn an komplizierten Liebesbeziehung.

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Als sich die 32-jährige Ingeborg Bachmann und der 47-jährige Max Frisch am 3. Juli 1958 in Paris zum ersten Mal persönlich trafen, kannten sie voneinander bereits die Werke. Er war ein etablierter Autor, seine beiden Romane „Stiller“ und „Homo Faber“ waren Bestseller. Sie wurde als Lyrikerin gefeiert, bereits 1952 hatte sie für ihre Gedichte den Preis der Gruppe 47 erhalten. 1954 avancierte sie mit dem Coverfoto und der Titelgeschichte des Spiegels zum Star der jungen deutschen Literaturszene.

Frisch war von ihren Gedichten begeistert und noch vor der Ausstrahlung ihres Hörspiels „Der gute Gott von Manhattan“ schrieb er ihr einen Brief, der nicht erhalten ist. Bachmann, die damals in München lebte und beim Bayerischen Rundfunk arbeitete, antwortete ihm einige Wochen später, bedankte sich herzlich („Sie haben mich schon sehr glücklich gemacht!“) und bat ihn um ein Treffen in Zürich. Dazu kam es nicht. Einige Wochen später klappte es dann in Paris, wo Bachmann im Juni mehrmals ihre große Liebe Paul Celan traf, der mittlerweile verheiratet war, wahrscheinlich auch Pierre Evrard, mit dem sie seit 1955 eine Liebesbeziehung hatte.

Erste Begegnung, erste Trennung

Max Frisch war noch verheiratet, seine drei Kinder lebten bei der Mutter, von der er seit 1955 getrennt war, seit 1952 war er mit Madeleine Seigner liiert. Drei Tage nach der ersten Begegnung schrieb Frisch einen überschwänglichen Liebesbrief an „Ingeborg“, die wie ein „langgefürchteter Engel, der da fragt Ja oder Nein“, in sein Leben tritt. Auf Initiative von Bachmann kam es noch zu einer mehrtägigen Begegnung des verliebten Paares in Zürich, dann erfolgte die erste Trennung. Die Situation war kompliziert. Frischs Geliebte war ebenfalls verheiratet, Bachmann war „Junggesellin“, aber nicht beziehungslos. Den Sommer 1958 verbrachte sie beim Komponisten Hans Werner Henze in Neapel, mit ihrem „Lebensmenschen“ konnte sie zeitweise leben und arbeiten, gerade weil sie mit dem homosexuellen Mann keine Liebesbeziehung hatte.
Die Briefe zwischen Bachmann und Frisch in diesem Sommer könnte man noch am ehesten als Liebesbriefe bezeichnen, aber auch in ihnen blitzen immer wieder Zweifel auf, ob ein gemeinsames Leben und Arbeiten gelingen kann. In einem Brief vom 30. Juli 1958 schreibt Frisch: „Dann sitze ich wieder denke: Wir wären ein Unheil für einander. Aber auch so ist kein Heil …“ Und Bachmann antwortet: „Dass wir ein Unheil füreinander wären, das mag ich natürlich nicht glauben, wieso sollten wir keine große Chance haben.“

Sie verspricht sich von Frisch endlich das Ende ihrer Unsicherheit, einen Ort, einen Halt, eine Familie. Frisch trennt sich von seiner Geliebten, das Haus am Langenbaum in Uetikon bei Zürich bleibt für lange Jahre ein Zentrum ihres mehr oder weniger gemeinsamen Lebens für viereinhalb Jahre zwischen Zürich, mehreren Wohnungen in Rom und diversen Lesereisen, Tagungen und Klinikaufenthalten. In einem Brief (5. 10. 1958) an Paul Celan schreibt Bachmann vor ihrer Übersiedlung nach Zürich, dass sie sich zwar aufgehoben fühlt, aber auch traurig ist, „weil eine Angst und ein Zweifel nicht ganz weggehen, der mich selbst betrifft, nicht ihn. Ich glaube, ich darf Dir das sagen, wir wissen es doch, – dass es für uns fast unmöglich ist, mit einem anderen Menschen zu leben.“

Vorwürfe und Verzweiflung

Schon ein Jahr später mehren sich in den Briefen die gegenseitigen Vorwürfe, sie fühlen sich einander unterlegen, verzweifeln beide an ihren Arbeitsschwierigkeiten, haben völlig andere Arbeitsrhythmen. Frisch kommt mit seinem Stück „Andorra“ nicht weiter, erkrankt an Hepatitis und muss ins Krankenhaus, will Bachmann nicht in Zürich haben. Sie fühlt sich weggeschickt und nicht geliebt, beginnt eine Beziehung mit Hans Magnus Enzensberger und schlägt ihm die Heirat vor, den Heiratsantrag von Frisch beantwortet sie nicht. Als Bachmann später das Tagebuch findet, das Frisch während seines Krankenhausaufenthalts geschrieben und in einem Kasten mit seinen Unterlagen versperrt hat, liest sie es und verbrennt es. Sie fühlt sich nach der Lektüre ausgelöscht und vernichtet, er fühlt sich durch ihren Übergriff verraten.

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