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Die Schlauen werden sich's beim Umrechnen schon richten”

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Über Für und Wider einer gemeinsamen europäischen Währung ist aus Expertenmund viel zu hören. Was aber sagen die Bürger zum Abschied vom geliebten Schilling?

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Über Für und Wider einer gemeinsamen europäischen Währung ist aus Expertenmund viel zu hören. Was aber sagen die Bürger zum Abschied vom geliebten Schilling?

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Von den keltischen Münzen der Provinz Noricum, dem Gulden Maria Theresias, der Krone, Reichsmark und der Zigaretten -Währung der Nachkriegszeit bis zum heutigen Schilling: auf österreichischem Terrain haben Scheine und Münzen unterschiedlichster Prägung und Namensgebung ihre Besitzer gewechselt. Nun sind es noch gerade sechs Jahre bis (vielleicht) der Euro den Schilling ablöst. Derzeit weist das „Euro-Stimmungsbarometer” (eine Umfrage der EU-Kommission) rund 40 Prozent Befürworter einer gemeinsamen Währung aus. Etwa 47 Prozent wollen lieber noch den alten Schilling.

Bei der Hotline der Öesterreichi-schen Nationalbank (OeNB) läutet pausenlos das Telefon. Besorgte Bürger - „von der Hausfrau bis zum Studenten und dem Bankkassier” - wollen wissen, wie das nun so wird mit dem Euro. Die häufigsten Fragen dazu: Wird der Neue auch stabil sein? Wie werden die Scheine aussehen? ' Was sollen wir mit den Münzen tun? Wie steht es mit den Zinsen und ab wann denn eigentlich das Ganze?

Martina Gebauer, 25, Modistin, hat zuwenig darüber gelesen. „Irgendwie täte es mir leid um den Schilling, er war eine feste Währung.” Abgesehen davon haben österreichische Münzen oder Scheine keine Bedeutung für sie. Auf dem Ein-Schilling-Stück, weiß sie, ist ein Edelweiß und auf dem Tausender ein recht sympathisch aussehender Herr.

Die Nationalbank wird noch 1997 den Österreichern einen neuen Kopf auf einem neuen Tausender präsentieren. Ob sich das Drucken österreichischer Noten noch lohnt? Der Zeitpunkt sei schon lange fixiert, wegen der Fälschungssicherheit, heißt es in der Nationalbank „Völlig umsonst ist es keinesfalls,” meint Alois Klein,' ehemaliger Mitarbeiter der Hotline, „denn ganz so klar ist noch nicht, ob die Währungsunion tatsächlich kommt.”

Trotzdem wird schon kräftig vorgebaut. Zwei Millionen Informationsblätter „Die Zukunft des Geldes” greifen die häufigsten Fragen auf und erklären das „Wie und Wann” der Währungsunion.

Viele Österreicher fühlen sich dennoch nicht ausreichend informiert. „Die Kampagne müßte stärker sein,” meint etwa der Student der Politikwissenschaften, Adolf Simbürger, „viele Kollegen geben der Währungsunion die Schuld am Sparpaket.” Er selbst verabschiedet sich leicht vom Schilling. „Die Wirtschaft wird dadurch gestärkt und vieles, wie das Umwechseln und Reisen, wird erleichtert,” meint er.

Nicht nur unter Studenten ist das neue Geld ein Thema. Die Frage „Was halten Sie von einer neuen Währung?”, löst teils heftige Reaktionen aus. „Ich weiß nur, daß wir draufzahlen,” meint die Hausfrau Herta Meixner (*), „bis jetzt haben wir nichts gehabt von der ganzen EU.”

Laut einer unveröffentlichten Studie der Nationalbank über die Motive für oder gegen eine gemeinsame

Währung sind die Befürworter in der Minderheit. Manche haben noch nicht darüber nachgedacht und wollen sich auch gar nicht informieren. Sie verspüren nur ein ungreifbares Unbehagen vor dem Neuen, das da zu kommen droht. Andere wiederum lehnen den Verlust des Schillings deutlich ab und können dies auch begründen. Aber selbst unter denen, deren Vernunft Vorteile sieht, gibt es auf der Gefühlsebene großen Widerstand. die furche hat rund 30 Personen, teils via Telephon, teils auf den Straßen Wiens gefragt: „Was halten Sie von einer neuen Währung?” „Super,” meint Franz Gebhard (*) pensionierter ÖBB- _ spräch mit der furche. Sie findet „das Ganze unnötig und unpraktisch.” Schließlich bliebe sie mit ihren fünf Kindern ohnehin nur daheim.

Gefühle des Überwältigtwerdens durch „die da Oben”, die uns etwas wegnehmen wollen, sind häufig. „Was soll ich mir da denken?” fragt ein Beamter (36), „die machen sowieso, was sie wollen. Ich halte von dem ganzen Europa nicht viel: die Reichen werden immer reicher, die Armen ärmer”. Wie er so gehört hat, soll die neue Währung im Jahr 2001 oder 2002 kommen, informiert sei er aber eigentlich nicht. Am Schilling hängt er allerdings nicht, die Währung könne auch Euro heißen. Wie er sich den neuen Schein vorstellt? „Wenn sich 15 Staaten zusammenraufen, was soll _ man da Geschei-Fahrer (60). Er ist Niederländer und seit 30 Jahren in Österreich beheimatet. „Ich fahre sehr viel in Europa, und wenn ich ”””””~m~m~^^^~ meine Familie besuche, habe ich dann nicht mehr drei verschiedene Währungen im Sack.” Er sieht nichts Negatives bei der neuen Währung. „Daß die Älteren Angst haben, ist klar. Die sind ja auch schon zweimal ums Geld gebracht worden.” Es werde aber viel herumgeredet, bangegemacht und wenig informiert, kritisiert er. Die Erinnerung an früher macht vor allem den Alteren, den „Nicht-mobilen” Angst. Frau Bertha Steiner, 64, fürchtet ein großes Durcheinander. „Die Lira ist nichts wert, der Dings ist nichts wert,” sagt sie. „Tut mir leid, wenn der Schilling weg ist. Überhaupt das Ganze: müssen wir alles machen, was die anderen sagen?”

Die Argumente der Ablehnung sind vielfältig: Warum sollen wir? Haben wir nicht eher einen Schaden? Oftmals wird auch das Sparpaket in Verbindung mit der Währungsunion gebracht. „Vermutet wird,” so die vorhin erwähnte Nationalbank-Studie, „die Verschwörung gegen den kleinen Mann. Verantwortlich sind die großen Konzerne, die Banken und Politiker, die Brüssel erzwungen haben.”

„Die Schlauen, vor allem die Banken, werden es sich beim Umrechnen schon richten,” fürchtet auch Andrea Faber, alleinerziehende Mutter, im Hof eines Hernalser Gemeindebaus. tes nehmen? Mir ist es egal, nur einen Euro vom Maler Hundertwasser will ich

_ nicht.”

Vorherrschend ist die Angst, daß die Preise steigen. ..Es heißt ja immer, daß der Schilhng dann nichts mehr wert ist,” sagt Frau Alexandra Stix (*), Heimhilfe (55). Sie informiert sich kaum, schaut sich nur „Zeit im Bild” an: Die Geldsachen mache ohnehin ihr Mann. Aber man hört ja so einiges. W enn man im Ausland ist, in Italien, ..da reißen sich die Leute um den Schilling”. Ihre Patienten spa ren viel, kaum einer von ihnen hat für die EU gestimmt. „Y\ ir schon”, sagt Frau , Alexandra. ..weil wenn uns einer angreift, stehen wir besser gemeinsam da. Y\ enn wieder eine Volksabstimmung kommt, bin ich auch fürs neue Geld. Weil man kann sich nicht ausschließen.”

Für manche ist der Schilling auch Teil der persönlichen und kulturellen Identität. Die Ethnologin Maria Magdalena Ramnek informiert sich zwar laufend, versteht aber nicht, „warum man die V\ irtschaftssysteme angleichen muß. Das bedeutet den totalen Sozialabbau. Schließlich gehört die Y\ ährung zur Eigenständigkeit eines Staates”.

Die Nationalbank ist einstweilen mit der Information von Banken, Schulen und Institutionen beschäftigt. Der ehemalige Hot-line Mitarbeiter Alois Klein glaubt nicht, daß der. Verlust des Nationalsymbols große Probleme machen wird. „Die Österreicher reisen gerne und freunden sich auch im Ausland mit fremdem Geld an. Insofern werden sie auch daheim die Umstellung schaffen.” Manche, wie etwa die Volksschullehrerin Gertrude Traxler sieht das anders. „Bei Beisen nach Spanien oder Griechenland merke ich, die werden die Währung aufweichen, wenn die dabei sind,” meint sie. Einige treffen Vorkehrungen. Etwa Gertrude Kreißl (*), (30), Selbständig: „Bei jeder Umstellung gibt es Verluste. Aber die Wahrungsunion kommt, daher sollte man möglichst wenig Bargeld haben”. Sie macht sich aber keine Sorgen, bei den „paar Hunderttausend die ich habe, wird es mich kaum betreffen. Ich werde es auch fest anlegen.” Dem Favoritner Karl Sedla-cek ist der Schilling lieber. Er ist Pensionist und Patriot. Er weiß, daß der Herr auf dem Eintausen-der Schrödinger und der auf dem Fünftausender Mozart heißt. „Warum,” fragt er, „sollten wir eine Währung aufgeben, die international überall anerkannt ist?” Auch die Engländer hätten die Umstellung vom Pfund aufs Kilo nicht verkraftet. Sprachtrainer Andrew Beckett (*) (35), ist da anderer Ansicht Er findet die gemeinsame Währung in Ordnung. Er ist Engländer und schon lange in der Union. „Nachteile werden eher jene empfinden, die sich schwer umstellen können.” Der Studentin Angelika Werner (29) war immer klar, daß ein neues Geld kommt. „Es war mir völlig klar, daß wir als Zwergland nicht machen können, was wir wollen. Schließlich war der Schilling immer schon an die Deutsche Mark gebunden.”

Gleich neben der Nationalbank, am Otto-Wagner-Platz, ist eine Baustelle. Hier wird die neue Druckerei gebaut. Vielleicht wird hier um die Jahrtausendwende der österreichische Anteil der Euro-Scheine gedruckt. Vielleicht sogar das Kontingent anderer Mitgliedsstaaten. Vielleicht aber auch bloß wieder der Schilling. Ganz sicher ist ja nicht, ob die Währungsunion tatsächlich kommt.

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