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Kein Mann in Madrid

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Österreich ignoriert das alte Spanien und bestraft damit das neue. Auf genau dies nämlich läuft die Wiener Entscheidung, zur Beisetzung Francos und Proklamation Juan Carlos' zum König keinen Vertreter des offiziellen Österreich nach Spanien zu schicken, hinaus. Denn Österreichs diplomatischer Vertreter in Madrid kann kaum als Wiener Staatsgast betrachtet werden, auch wenn er mit einem diplomatisch-nomenklatorischen Kunststück dazu ernannt wurde.

Natürlich, es kann schon sein, daß es unmöglich war, einen Gast aus Wien zur Proklamation des neuen Königs zu entsenden, nicht aber zum Staatsbegräbnis Francos. Aber so begreiflich Antipathien gegen Franco auch sein mögen — Franco ist bekanntlich tot. Und sein Nachfolger hat mittlerweile erste Anzeichen dafür geliefert, daß er kein Mann der Rechten sein, sondern einen schwierigen Kurs zwischen der Scilla der Falangisten und der Charybdis der Linken steuern will.

Ein Kurs, der Ermutigung verdient. Ein Kurs, der auch Ermutigung findet. Nicht nur bei der spanischen demokratischen Opposition, sondern auch im Ausland. Die Bundesrepublik war bei Begräbnis und Inthronisation prominent vertreten, eine Ermutigung für die Suche nach Demokratie und Mittelweg. Großbritannien war von einem sozialistischen Minister vertreten, trotz der (durchaus begreiflichen) Einwände anderer Labour-Politiker, die einst in den Internationalen Brigaden gekämpft haben. Auch das, wie die Dinge liegen, eine Ermutigung für die Suche nach Demokratie und Mittelweg.

Wien aber zieht sich aus der Affäre. Vielleicht war nach der Rute für jene, die vor mehreren Wochen gegen Franco demonstrierten, nun ein Zuckerl fällig. Da muß die Außenpolitik natürlich zurückstehen.

Auf Tod programmiert

Zugegeben, an der Einmündung der Mühlfeldgasse in die Nordbahnstraße im zweiten Wiener Gemeindebezirk war vielleicht eine Ampelanlage fällig. Sie wurde nun montiert und in Betrieb genommen. Aber der erste durch die Fehlkonstruktion dieser Anlage verschuldete Unfall ist nur eine Frage von Tagen oder Wochen.

Mühlfeldgasse: Wenn man, von der Reichsbrücke kommend, den Pra-terstern links liegen läßt, die zweite Straße links. Die Straßenbahnlinde 16 schlängelt, sich durch diese Straße vom Praterstern zur Heinestraße. Viele bogen hier ab, eben weil es keine Ampel gab, und weil es (meist) trotz des Gegenverkehrs schneller ging als eine Kreuzung vorher (Stadtgutgasse).

Von der Nordbahnstraße in die Mühlfeldgasse geht es jetzt langsamer. Umgekehrt aber ist es sehr gefährlich geworden. Denn da leuchtet dem Autofahrer, der von der Heinestraße kommt, .ein so schönes Griih-licht entgegen, daß er den neuen, aber viel zu unauffälligen Gebotspfeil nach rechts leicht übersieht. Bis zur Anbringung der Ampel durfte man hier nach links abbiegen. Wer hier nun den neuen Gebotspfeil übersieht und gewohnheitsmäßig nach links abbiegt, kommt den von der Nordbahnstraße einbiegenden Autos in die Quere. Wir haben es schon gesehen. Und da es ja eine Ampel gibt, fährt jeder schnell.

Vor allem nachts ist es fast unmöglich, diesen Gebotspfeil zu sehen. Oder jedenfalls sehr leicht, ihn zu übersehen. Dachte kein Mensch daran, diese Tafel wenigstens von innen zu beleuchten? Sie hat nicht einmal einen rückstrahlenden Belag. Ver-kehrs-Steinzeit, Sicherheits-Steinzeit. Niemand dachte daran, wenigstens das Grünlicht der Ampel als rechtsweisenden Pfeil auszugestalten, wie an so vielen anderen Stellen.

Hauptsache, dem Gesetz, das die Aufstellung von Verkehrszeichen regelt, ist Genüge .getan. Ein zusätzlicher Gedanke an Sicherheit fällt wohl nicht in die Kompetenz der zuständigen Magistratsabteilung.

Dialog im Konsum

Donau-Zentrum. Stolz der gemeindenahen Ekazent-Gesellschaft. Drinnen: Eine neue Konsum-Super-filiale. Stolz der Wiener Konsumgesellschaft. Beispielloser Einführungsrummel, mittels einer Werbe-Kampagne künstlich erzeugtes, tagelanges Verkehrschaos. Wen kümmert es. Und wen kümmert es, wenn die Anrainer, die bisher allenfalls sogar ihre Kinder in die nahegelegene, lokalen Bedürfnissen angepaßte Konsumfiliale um einen Liter schik-ken konnten, nun wegen solcher Kleinigkeiten das Warten vor den Superschlangen vor den Superkassen eines Superkaufhauses in Kauf nehmen müssen.

Niemanden kümmert es, da es ja offensichtlich die Konsum-Gewaltigen auch nicht kümmert, ob nicht nur Einführungspreise, sondern auch ein Minimum an Einführungshöflichkeit geboten wird. Anderenfalls wäre folgender Dialog vor einem der Regale, der kurz nach der Eröffnung des Superkaufhauses stattfand, nicht möglich gewesen.

Requisiten der Handlung: Ein zugenähter Sack, der wiederum kleinere Säcke mit Mehl enthält. Eine Schere in der Hand einer jungen Konsumangestellten, die in unmittelbarer Nähe mit Preisschildern beschäftigt ist.

Eine Kundin versucht, den großen Sack zu öffnen, um ihm eine Pak-kung Mehl zu entnehmen, bringt es nicht fertig und ersucht das Mädchen mit der Schere, die Verpackung aufzuschneiden.

Antwort: „Des kennens eh selber aufreißen!“

Die Kundin: „Leider bringe ich es nicht fertig, die Naht ist zu stark.“

Die Konsum-Maid: „Dann müassen S' warten.“

Die Kundin: „Die Höflichkeit scheint hier ganz groß geschrieben zu werden!“

Die Konsum-Maid (widerwillig den Sack, aufschneidend): ,,I glaub, Se harn zum Einkaufen mehr Zeit wie i!“

Ende in Sicht?

Es gehört viel Optimismus dazu, zu glauben, daß die Regierung Kreisky III im Krisentief den Bauernrentnern geben wird, was ihnen die Regierungen Kreisky I und II im Konjunkturhoch beharrlich verweigert haben: die Umwandlung der landwirtschaftlichen Zuschußrenten in Pensionen. Anscheinend verträgt es sich durchaus mit dem sozialistischen Kampf gegen die Armut, daß mehr als zwei Drittel der bäuerlichen Rentenbezieher sich mit weniger als 550 Schilling im Monat begnügen müssen.

Gewiß, die Rente sollte nur ein Zuschuß in bar sein, die Existenzgrundlage hätte der Hoferbe durch das Ausgedinge zu sichern. Aber oft will kein Kind mehr den Hof übernehmen mit all seiner Plage; Gewerbe und Industrie bieten leichteren Verdienst bei klar begrenzter Arbeitszeit; Bauernkinder fetten mit ihren Beiträgen die Pensionsversicherung der Arbeiter und Angestellten auf, während ihre Beiträge zur Bezahlung der Renten und Pensionen in der Landwirtschaft fehlen. Auf 1000 bäuerliche Beitragszahler kommen heute daher nicht weniger als 794 Renten- und Pensionsbezieher, während auf 1000 Arbeiter und Angestellte nur 483 Pensionsbezieher kommen. Angesichts solcher Tatsachen hofft die ÖVP mit einem der neuen Lage angepaßten Stufenplan bei den Sozialisten Verständnis zu finden, der in drei Jahresetappen die Zuschußrenten in Pensionen verwandeln und die oft klägliche Lage der alten Bauern verbessern soll. Kostenpunkt 900 Millionen in der Endstufe des Planes. Viel Geld für die österreichische Regierung mit dem höchsten Schuldenberg aller Zeiten. Aber die Zeit drängt; 77 Jahre ist das Durchschnittsalter der Männer1 und 75 Jahre das der Frauen in der landwirtschaftlichen Zuschußrente. Es gehört wenig Phantasie dazu, auszurechnen,' wie lange es dauert, bis der Tod das Problem einer Endlösung zugeführt hat.

Kein Heilmittel

Als Heilmittel gegen die Inflation empfahl sich den Südamerikanern wärmstens die Diktatur der Rechten. In zwei wichtigen südamerikanischen Ländern hat sie nun in dieser ihrer Lieblingsrolle als wirtschaftliches Allheilmittel kläglich versagt. In Argentinien kletterte die Inflationsrate vom September auf den Oktober dieses Jahres von 130 Prozent auf genau das Doppelte, 260 Prozent — im Vergleich zu den Preisen im selben Monat des Vorjahres. In Chile wurde die Inflationsrate zwar von 240 Prozent im Juni auf immer noch 100 Prozent im September gedrückt — aber auf Kosten einer Massenverelendung, wie sie dieses Land seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt hat. Das Steigen der Arbeitslosenzahl von 14 auf 20 Prozent sagt wenig über das Ausmaß dieser Massenarmut, denn auch jene, die arbeiten, beziehen nur noch einen Bruchteil des Reallohnes, mit dem sie noch vor einigen Monaten rechnen konnten. Der Chor jener, der zu Lebzeiten Allendes dessen Versagen auf wirtschaftlichem Gebiet kommentierte, ist allerdings verstummt.

„Lieber ein Trinker“

„Meine Herren, wenn Ihr den Pfarrer auch weiter behalten wollt, redet nicht gut von ihm. Sagt lieber, daß er ein Trinker oder Schürzenjäger sei. So verliert ihr ihn nie.“ Das ist leider kein schon fast makabrer Witz aus der Slovakei, ebenbürtig dem großen tschechischen Halbbruder und seinem heimlichen Vorbild Schweij k — dies Gespräch hat sich jüngst in einem Zugabteil der CSSR zugetragen. Zwei Männer, die sich über die Vorzüge ihres Pfarrers unterhalten und ein dritter als,Ratgeber.

Der Rat ist leider nur zu begründet: „Pacem in terris“, die regimehörige Kollaborantenpartei innerhalb des katholischen Klerus, sorgt zusammen mit dem staatlichen Kirchensekretariat dafür, daß tüchtige Pfarren ihrer Lizenz verlustig gehen. Die Bischöfe sind machtlos und müssen zusehen, wie ihre besten Leute unter fadenscheinigen Vorwänden amtsenthoben werden. Man fängt ganz von vorn an: 20 Prozent der Bewerber für das — einzige — Seminar des Landes in Preßburg wurden 1974 nur aufgenommen. Und in der Mitte: kurz vor der Priesterweihe werden weitere Seminaristen entlassen. Und dann im Amt, wenn immer die liturgische Enge gesprengt, Bemühung um die Jugend vor allem deutlich wird.

Auch bei der Bevölkerung fängt man vorne an: Im Prinzip darf an allen Grundschulen Religionsunterricht gehalten werden. Die Wirklichkeit ist anders. Beide Eltern müssen ihre Kinder in der Schule zur religiösen Unterweisung anmelden. Dann werden Kommunalverwaltung' und Betriebsleitung davon unterrichtet. Lehrer, in deren Schule viele Anmeldungen erfolgten, gelten als politisch unzuverlässig, die Kinder selbst müssen damit rechnen, daß ihnen der Weg zum Studium versperrt ist.

Nur ein Minimum an Religionsfreiheit wird gewährt* um des propagandistischen Effekts willen. Wer aber weiß, daß die meisten Diözesen ohne Bischöfe sind? Daß die Gottesdienste in den Städten vor allem deshalb permanent überfüllt sind, weil — in Bratislava sind es 20 — neue Kirchen fehlen? Daß jene, die nicht in die Gottesdienste ihrer Ortsgemeinde gehen, oft weite Wege machen, um dort, wo man sie, die Leute in bedeutender Stellung, nicht kennt, in die Kirche zu gehen?

Warum protestieren die Christen des Westens erst dann, wenn irgendwo in der Dritten Welt feudale Stuk-turen zu beseitigen sind?

Armer Plagiator

Der Italiener Ambrogio Fogar hat, als er vor einem Jahr nach einer einsamen, dreizehnmonatigen Ein-Mann-Weltumseglung nach Italien heimkehrte, „vom Staatschef und vom Heiligen Vater empfangen und vom Verlag Rizzoli unter Vertrag genommen wurde, leider eines nicht bedacht. Daß er zwar über große seemännische, aber leider nicht über literarische Fähigkeiten verfügt.

Oder vielleicht doch? Jedenfalls schrieb er einen knappen Tagebuchstil, der für das vorgeschriebene Seitenpensum leider nicht reichte. Zumal der Mann ja auch sofort nach der Heimkehr seinen Beruf als Versicherungsangestellter wieder ausüben mußte.

Das Buch wurde ein Welterfolg. Leider stellte sich jetzt heraus, daß ein Kapitel gestohlen war. Fogar bekannte sich sofort zerknirscht dazu, die Schilderung eines Taifuns, den er selber erlebt hatte, nun einmal bei einem anderen Schriftsteller, der halt nicht nur die Segel, sondern auch die Schreibmaschine beherrschte, viel schöner gelesen — und übernommen zu haben.

Der Mann ist sympathisch. Er ist ehrlich. Gescheiter wäre es vielleicht gewesen, an Bertolt Brecht zu erinnern, der das Stehlen für das Recht jedes Autors erklärte. Oder an einen anderen ganz Großen, der ebenfalls abschrieb.

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