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Rede an die Dreißigjährigen

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Kurt Klinger (Jahrgang 1928), der erfolgreiche junge österreichische Dramatiker und Publizist, steht wie alle, die er in seinen zeitkritischen Essays anspricht, zwischen drei Generationstypen: zwischen jenen — heute so vorsorglich Getarnten —, die, sei es durch Verführung, sei es durch Unterlassung, das heraufbeschworen haben, was wir alle vor zwei Jahrzehnten erlebten, jenen, die aus der Katastrophe an Leib und Seele lädiert herausgingen und offenbar zu verbraucht waren, um bisher ihrem Willen, etwas Neues, Besseres zu schaffen, die Tat folgen zu lassen — und schließlich jenen, die von der jüngsten Vergangenheit kaum noch etwas wissen und daher auch ihren Folgen keinen rechten Widerstand entgegensetzen können. Kurt Klinger einzureihen, ist — wenn man von geläufigen Pauschaldefinitionen absehen will — nicht leicht. Von Natur aus ist er Humanist, vom Geiste intellektueller Streiter, im Herzen Dichter — und somit, bei aller seiner Fähigkeit, klar zu sehen, konsequent zu denken und scharf zu pointieren, in erster Linie Künstler. Das macht ihn auch so sympathisch und gibt ihm nebenbei das Fundament des Rechts in seinem Hader mit der Welt.

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Kurt Klinger (Jahrgang 1928), der erfolgreiche junge österreichische Dramatiker und Publizist, steht wie alle, die er in seinen zeitkritischen Essays anspricht, zwischen drei Generationstypen: zwischen jenen — heute so vorsorglich Getarnten —, die, sei es durch Verführung, sei es durch Unterlassung, das heraufbeschworen haben, was wir alle vor zwei Jahrzehnten erlebten, jenen, die aus der Katastrophe an Leib und Seele lädiert herausgingen und offenbar zu verbraucht waren, um bisher ihrem Willen, etwas Neues, Besseres zu schaffen, die Tat folgen zu lassen — und schließlich jenen, die von der jüngsten Vergangenheit kaum noch etwas wissen und daher auch ihren Folgen keinen rechten Widerstand entgegensetzen können. Kurt Klinger einzureihen, ist — wenn man von geläufigen Pauschaldefinitionen absehen will — nicht leicht. Von Natur aus ist er Humanist, vom Geiste intellektueller Streiter, im Herzen Dichter — und somit, bei aller seiner Fähigkeit, klar zu sehen, konsequent zu denken und scharf zu pointieren, in erster Linie Künstler. Das macht ihn auch so sympathisch und gibt ihm nebenbei das Fundament des Rechts in seinem Hader mit der Welt.

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Die Redaktion

Verzeihen Sie, bitte, daß ich mich des Plurals bediene. Ich weiß, daß Ihnen nichts so zuwider ist, wie die Gedankenlosigkeit, Sie als Gruppe anzusprechen. Simplifizierungen sollte man der Statistik, der Jurisprudenz, den Politikern, Militärs und Moralphilosophen überlassen — und darin bin ich vorerst ganz Ihrer Ansicht. Ich kann mir gut denken, daß es Ihnen ein Gefühl leichten Muskelkrampfes verursacht, „wie ein Mann” zitiert und zum Publikum einer „Rede” gemacht zu werden.

Die hier verwendete Mehrzahl allerdings ist nicht einmal ein Majestäts-, sondern ein Kalamitätsplural, mithin das genaue Gegenteil einer Uniformierung. Nicht ein einzelner soll stellvertretend und künstlich zum Typ aufgebläht werden, noch darf ich versuchen, den Trupp der Dreißigjährigen als klares, in seinem Willen und seinen Zielen begrenztes Unikum aufzufassen. Die Kalamität liegt eben darin, sich mit Hilfe des Plurals deutlich zu machen, daß Sie sich nicht pluralisieren lassen. Indem ich Sie fiktiv als Gemeinschaft anspreche — und Sie das beinahe als Provokation empfinden — wird sichtbar, wie wenig Sie Gemeinschaft sind. Die Faęon de parier bringt unweigerlich den Verfasser und Sie auf den Befund, einer Gruppe anzugehören, die ihr Gesicht verbirgt, vielleicht schon gesichtslos geworden ist, die schlechterdings nichts anderes verbindet, als ein seltsamer Mangel an Verbundenheit. Eine Generation, deren Spezialität es ist, nicht als Generation aufzutreten. Vielffiėhr ’scheintihren: Ehrgeiz darein- zusėfeeftZsTėh zu legieren, zu ‘farnen nnd’-zu veri flüdhHgen?

Natürlich räume ich ein, daß Ihre paradoxe Situation mit dem Paradoxon zu tun hat, das die Zahl „Dreißig” bezeichnet. Diese nämlich ist eine Grenzlinie, die für unser Empfinden den jungen vom reifen Mann trennt. Chiffre also für einen Uebergang aus einem Alter in ein anderes, wodurch sie zunächst den Schock vermittelt, aus jedem Alter gefallen zu sein. „Dreißig” ist auf nicht ganz erklärbare Weise tatsächlich das Signal für einen „Gang in die Wüste’, für Selbstbesinnung und Selbstbestimmung. Die Problematik des eigenen Lebens und die Frage nach dem Sinn kann nun weder übersprungen, verzögert, noch abgewälzt werden. Krisenhaft und mit der Stärke einer echten Charakterprobe tritt die Notwendigkeit auf, einen Entwurf zu riskieren, über dessen Gelingen oder Scheitern am Lebensende Bilanz zu halten sein wird. Wenn wir nun noch bedenken, daß die Chiffre „Dreißig” nicht zufällig in der Geschichte den Rhythmus angibt, nach dem die Generationen wechseln, die „Väter” zurücktreten, die opponierenden „Söhne den Protest aufgeben und die Positionen einnehmen, die den Staat erhalten, kommt in den Blick, wie viel davon abhängt, ob die Dreißigjährigen über einen Entwurf verfügen, der schlüssig und überzeugend genug ist, das Konzept der Väter abzulösen.

Sicherlich ist keinem, der über diese Grenze lebte, der Zweifel erspart geblieben. Die Entschlüsse bekommen ein neues und fast lähmendes Gewicht. Lieber würde man jetzt eine Weile vor sich selbst und den andern unsichtbar werden, als stündlich seine Unsicherheit erproben und täglich seine Verwundbarkeit auf die Promenade führen. Beispiele verlieren an Gültigkeit, Vorbilder verblassen. Genügen gibt jetzt einzig das Selbstgeplante und Selbstgeleistete. Der Dreißigjährige wird, wenn man so sagen darf, auf befremdliche Weise egoistisch und neigt dazu, sich abzuschließen, Freundschaften zu meiden, dem gleichgesinnten Kreis den Rücken zu kehren.

Daß dann leicht der Eindruck eines „verborgenen Gesichts” entstehen kann, ist nicht weiter überraschend. Gefahr wäre erst dann im Verzug, wenn die Krise des Uebergangs chronisch W’ürde, wenn der „Gang in die Wüste” nicht mehr zu den Zelten und belebten Oasen zurückführt.

„Glauben Sie denn, uns habe bereits der Sandsturm verschluckt? Halten Sie uns für abgeschnitten, für verloren? Wozu sprechen Sie dann überhaupt mit uns?”

Diese Zwischenrufe habe ich erwartet. Nun, wenn Sie so verloren wären wie die berühmte „verlorene Generation”, könnte ich wirklich unbesorgt sein. Keine hat sich als mehr vorhanden erwiesen als sie. Ich möchte mich auch nicht versteigen und Fristen festlegen, wie lange die Krise normal sei und wann sie anfange zu pervertieren. Dergleichen ist immer ein undankbares, von Irrtümern gefährdetes Geschäft. Wir kennen Generationen, die den Uebergang gelassen oder im Ansturm bewältigt haben, andere mußten schwer an ihm laborieren. Ich möchte meinen, daß die unsere zu den langsamen und gründlichen gehört, die vorsichtig im Lebensspiel Zug nach Zug setzen. Doch zugleich fürchte ich, diese freundliche und ehrenwerte Meinung entspräche nicht der Wirklichkeit. Trotz seinem Bedürfnis, sich zu isolieren, besitzt der Dreißigjährige doch einen Zugang zum „Wir” und ein bündiges Generationenbewußtsein. Daß dieses gerade bei Ihnen fehlt, stellt in unserem Jahrhundert einen Präzedenzfall dar und legt nahe, daß Ihr „verborgenes Gesicht”, würde man es plötzlich ins scharfe Licht drehen, nicht das mühsame Forschen nach dem Lebenssinn spiegelt, sondern die Angst vor solcher Mühe. Nein, vielleicht doch nicht Angst (es fällt mir leichter, sie verschlagen, als feig zu nennen), sondern Resignation. Ich fürchte, Sie halten Ihren Einsatz zurück und fühlen sich überspielt, bevor Sie zu spielen begonnen haben. Ja, ich verstehe, Sie mißbilligen es sehr, auf eine Grundstimmung festgelegt zu werden. Die Jugend kann so und kann auch ganz anders sein, argumentierte einmal eine opulent-moderne Monatsschrift, sie meinte damit das Gleichzeitige von Romantik und Sachlichkeit, Offenheit und Mißtrauen, Melancholie und Lebenslust. Indes, ob es Ihnen angenehm ist oder nicht: so vielseitig kann ich Sie nicht vorstellen. Altersgleiche sind auf einen gemeinsamen Grund gestimmt. Versuchen Sie es, in g-moll eine heitere Melodie zu spielen — das wird nur beschattete Heiterkeit ohne Kraft, ohne entbundene Flügel. Ich glaube also, daß alle Ihre Temperamente und Charaktere von der gemeinsamen Resignation durchtränkt sind, es habe keinen Sinn, den eigenen Lebenssinn zu finden, da die herrschenden Konventionen übermächtig und unerschütterlich sind. Vor sich sehen Sie eine Vätergeneration, die sich zu ihrer frohen Verwunderung sehr gut erholt und eingerichtet hat. Sie läßt keinen Zweifel daran aufkommen, daß ihr Kurs klug und nützlich sei, weil er die Fehler der Vergangenheit nicht wiederhole. (Wobei allerdings nicht erwogen wird, daß der entscheidendste Fehler der Vergangenheit eben die hochmütige Behauptung war. man sei über die früheren Fehler erhaben.) Der „Sinn” der Restauration, ein manchmal recht makabres Gemisch aus Fortschrittsglauben, Maschinenanbetung, Rentabilitätsoptimismus, Nationalstolz, dazu etwas Christentum, Abendland und Reichsgedanken, spricht Sie, gottlob, nicht an, doch fühlen Sie seinen Sog, fühlen sich mitgezerrt von seiner Dynamik. Es bedürfte einer starken Auflehnung, um seinen wechselweise schmeichelnden und brutalen Griff zu lockern.

In Ihrem Rücken aber wächst schon eine jüngere Jugend heran, die man die echten Söhne dieser Väter nennen könnte, auf gewachsen in einem „Milieu des Auf baus”, früh daran gewöhnt, Moral und Nützlichkeit für tauschbare Werte zu halten, eine Jugend, mit der Sie zwar noch sympathisieren, die Sie aber nicht mehr verstehen. Und Sie merken: wenn Sie den Anspruch auf Nachfolge anmelden, werden Sie einen Zweifrontenkrieg zu führen haben. Daß dergleichen nie gut gelingt, gehört zum Bestand Ihrer Erfahrungen. So scheint es wirklich ein Gebot der Klugheit zu sein, dem Konflikt auszuweichen und verschlagen einen Handel zu suchen: Sicherheit ohne allzu große Gewissensopfer. Da der Konfliktstoff in ihnen selbst liegt, in Ihrer Art, zu denken und zu handeln, räumen Sie, indem Sie ihn beseitigen, sich selbst aus dem Wege. Und es ist Ihnen beinahe lieb, daß solche Selbstentmündigung fatal erleichtert wird durch die Faszination der Uebermacht. Sie suggeriert den archaischen Schock, daß die Stärke Recht, der Stärkere berechtigter, der Schwächere minder berechtigt sei. Sie lassen sich aus einer Position der Schwäche in eine Position des Unrechts drängen und werden wohl bald nicht mehr wissen, was Sie vordem für richtig gehalten haben.

Wenn dies Uebertreibung ist, so geschieht sie doch zu gutem Zweck. Ihre Passivität und Kompromißbereitschaft haben ihre Ursache nämlich darin, daß die Formulierung des eigenen Entwurfs der Dreißigjährigen gestört ist. Und zwar deshalb gestört, weil Sie schon halb und halb übergelaufen sind. Das Bedenken, mit einer eigenen Auffassung des Lebens in der alarmierten Präzisionsgesellschaft unbrauchbar zu werden, ist schon das erste Zeichen Ihres Bußganges. Brauchbar, für wen? Hier zeigt sich die verwundbare Blöße Ihrer Generation: Es müßte doch gerade Ihr Ziel sein, die festgelegte, belohnte Brauchbarkeit zu sprengen. Wie anders sollte sich der Generationenwechsel kundtun, als in dem sich durchsetzenden Faktum, daß die Söhne für die Väter unbrauchbar geworden sind?

Ich höre Ihre Replik: „Sie predigen ja den AufruhrI” Einen stillen vielleicnt. Keinesfalls einen mit Spitzhacke, Spruchbändern und Geschrei. Die Fenstersturzapostel sind mir ebenso zuwider wie Ihnen. Ich halte auch dafür, daß Ihr Entwurf, wenn er sich bildete, nicht intendieren würde, die Restauration zu zerschlagen, sondern zum Ziel hätte, ihre ideologischen und mechanistischen Tendenzen zugunsten eines echten Humanismus zurückzudrängen.

Es ist allerdings unerläßlich, das von Ihnen teils verworfene, teils verleugnete Erfahrungsmaterial näher anzusehen und zu prüfen, ob von ihm bisher nicht doch zu günstig die Rede gewesen ist. Leicht konnte der Eindruck entstehen, Ihre Generation besäße einen Schatz, ein besonderes Schlüsselgeheimnis zu einem menschenwürdigen Leben, nur die böse Umwelt habe es aus zweideutigen Gründen darauf abgesehen, ihn zu entwerten. Das Zweideutige, Zwielichtige liegt ebenso in uns. Wenn wir rekapitulieren, daß unsere späte, bewußte Kindheit von einem „Milieu der Zerstörung” geprägt worden ist, geben wir ja schon zu, daß unser Verhältnis zu wesentlichen Fragen der Gesellschaft von Assoziationen begleitet wird, die uns immerfort an die mögliche Nichtswürdigkeit, Bestialität und Blindwütigkeit der Menschen erinnern. Wir sind vom Krieg auf eine heiklere Weise mitgenommen worden, als die Väter und die damals in den Kampf gezwungene Jugend, die einige Jahre älter ist als wir. Wir sind weder getötet worden noch heiler Haut davongekommen noch schwerverletzt liegengeblieben. Wir gleichen Splitterverwundeten, die zeitlebens feine Störstoffe im Körper tragen, die unvermutet wieder zu schwären beginnen. Wenn „Krieg oder Frieden” für die Aelteren eine echte Alternative geblieben ist, dann ist sie für uns keine, da die Vorstellung, Krieg zu führen, unser psychisches Vermögen übersteigt.

Zwielichtig ist auch unsere Erfahrung, daß Diktatur von der Staatsform unabhängig ist. Sie bezeichnet nicht, entgegen der propagandistischen Auslegung, wie die RegierungsgewaJt verteilt, sondern bezeichnet, wie sie durchgesetzt wird. Also vermag auch die Demokratie zur Diktatur zu werden, falls sie (wie jüngst der Träger des appetitlichen Namens Schlamm eindringlich empfahl) eine aggressive Ideologie ent-

wickelt. Das ist ja vielleicht das entscheidendste Merkmal unserer Generation: die Allergie gegen alles Ideologische, Mythische und Mystische, schon dann, wenn es keimhaft und mit Unschuldsblicken auftritt. Wir besitzen ein Katzengehör, das in jeder Redeweise nach dem diktatorischen Phrasenmuster forscht. So bleibt unausgesetzt Mißtrauen wach und ein kaum zu besänftigender Argwohn gegenüber den Regierenden, seien diese nun schwarz, rot oder blond gefärbt. Es sei nicht beschönigt, daß dann der Schritt zur völligen Negierung rechtmäßiger Gewalt sehr kurz ist. Der Nihilismus und der Atheismus liegen sozusagen in Griffnähe. Die Liste des Verdächtigen enthält aber nicht nur die Politik (die manche einen „atomar geladenen Abfallhaufen” nennen), sie umfaßt jederlei Rassen-, Klassen- und Völkertrennung. Obwohl Sie sonst gar keine laienhaften Dialektiker sind, erlischt jegliches Gegensatzdenken vor der Hypothese der „einen Menschheit”. Dieses kurzes gewiß unvollständige Charakterbild möge genügen — es ist gleicherweise anziehend, wie abstoßend. Es mischt sich darin ein überaus wacher Sinn für Menschenwürde (wobei Würde synonym steht für Unabhängigkeit und unbeschränkte Freiheit) mit einer oft dilettantischen Ignoranz der Gesellschaftsbedingungen, aus denen Menschenwürde gedeihen soll. Sie sind human bis an die Grenze der Unmenschlichkeit.

Verstehen Sie mich, bitte, recht.

Ich möchte sagen, daß das Chaotische in Ihrem Erfahrungsmaterial Sie hindert, Ihre Posi- tiva zur Geltung zu bringen. Da Ihre Weltanschauung, so wie sie ist, nicht trägt, desertieren Sie ins Lager der Väter und verkaufen das Recht auf Nachfolge für das Linsengericht einer zwar wohlschmeckenden, doch gar nicht ungefährlichen Biedermeierei. Dabei besitzen Sie doch, so verdächtig in Ihrem verdächtigenden Leben vieles sein mag, zumindest zwei Faustpfänder, die Sie sich keinesfalls aus der Hand winden lassen sollten: ihre innige Friedensliebe und ihren Nonkonformismus. Um daraus den nötigen positiven Entwurf zu filtern; empfehle ich Ihnen eben unverzüglich den „Gang in die Wüste”. Gestatten Sie sich da keine Trägheit, kein übernommenes Vorurteil, keine Spekulation auf Brauchbarkeit. Da ohne Zweifel bei Ihnen die Toleranz als einer der hohen Werte gilt, wird es nötig sein, gerade über sie nachzudenken und zu markieren, wann sie Leichtsinn gebiert und das Verbrechen schützt. Halten Sie sich auch bitte vor Augen, daß wir in Oesterreich noch quasi in einem Naturschutzgebiet für Individualisten, Außenseiter, wirkliche und verkannte Genies leben. Der metallene Schritt der Geschichte ist hier zur Zeit weniger klirrend zu hören, als anderswo — daß diese Dynamik sich dem kollektiven Tod zubewegt, ist trotzdem nicht zu übersehen. Gerade die Menschenwürde, die Sie ungetrübt wieder errichten möchten, ist aufs entsetzlichste von jenen bedroht, die sie als Schlachtruf im Munde führen. Seien Sie aber insofern zuversichtlich — wenn Sie die Optik wechseln, aus der Opposition oder der selbstgewählten Gesichtlosigkeit den Umschwung zur Position wagen, vom Protest und von der Resignation zur Verantwortung übergehen, wird sich, was Ihnen hier und sonstwo als nihilistische Neigung vorgeworfen worden ist, als gemeinschaftsbildend erweisen.

Wenden Sie das Gesicht der Gesellschaft zu und scheuen Sie keine Mißverständnisse.

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