Nichts aus Hollywood

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Beim portugiesischen Filmfestival "Festroia" starten

alle Filme in der gleichen Gewichtsklasse.

Interessanterweise sind Filmfestivals oft erfolgreicher, wenn sie nicht in den Zentren stattfinden. Deshalb heißen die wichtigeren Events Cannes und nicht Paris, Venedig und nicht Rom. Auch Portugal verfügt über ein Festival, das den Provinzeffekt nutzt. Alljährlich im Juni trifft sich eine ausgewählte Schar aus aller Herren Länder angereister Filmliebhaber in Setubal zum internationalen Filmfestival Festroia. Wie am Lido heißt der Zauberspruch auch hier "Lage am Meer". Die Kleinstadt an der Mündung des Sado-Flusses in den Atlantik verfügt über eine bezaubernde Altstadt mit vorzüglichen Fischrestaurants. Einsame weiße Sandstrände liegen unweit und Naturlieber können sich an einer einzigartigen Delfin-Population erfreuen - genug Zerstreuungsmöglichkeiten jenseits des Festivalbusiness also.

Nur "kleine" Filmländer

"Es sind nur Spielfilme für die offizielle Auswahl zugelassen, die aus Ländern mit jährlich weniger als 30 Produktionen kommen", erklärt Festivaldirektorin Fernanda Silva die Kriterien der Programmauswahl.

Die großen Filmnationen mit ihrer potenzierten ökonomischen Macht dürfen in Festroia nur auf die Tribüne. Angesichts beschränkter Budgets ist die Kreativität der Filmemacher besonders gefordert. Ein Regisseur hat sich beim heurigen Festival (vom 2. bis 11. Juni) diesbezüglich besonders hervorgetan. Der Chilene Matias Bize legte mit In Bed (FIPRESKI-Preis) eine filmische Aufarbeitung eines One-Night-Stands vor, die mit minimalen technischen Mitteln (zwei Mini-DV-Kameras kamen zum Einsatz) produziert wurde. Einziger Schauplatz des abendfüllenden Streifens ist das Bett eines Motels. Es ist ein Film, der unter anderem zeigt, dass Lügen im Bett kurze Beine haben.

Finnischer Pessimismus

Es gehört schon ein wenig Mut dazu, Streifen wie Frozen Land in die offizielle Konkurrenz eines internationalen Festivals aufzunehmen, zumal wenn Binnenprobleme behandelt werden, die von Außenstehenden nur schwer nachzuvollziehen sind. Dies mag der Grund sein, warum diesem Beitrag trotz hoher Qualität keine der Jurys einen Preis zu geben wagte. Regisseur Aku Louhimies zeichnet darin die finnische Gesellschaft in einem äußerst pessimistischen, ja ganz und gar hoffnungslosen Licht. Selbst die Hitze im Kinosaal konnte den kalten Schauer nicht vertreiben.

Metropolen sind verdichtete Peripherie, sie leben vom beständigen Zustrom von außen. Eine besondere Form des Randes ist Nordeuropa, aus dem immer wieder talentierte Nachwuchstalente erwachsen. Aufmerksamkeit bedarf in diesem Zusammenhang Topi Majaniemi, der mit seiner Darstellung des finnischen Flüchtlingsjungen Eero in Mother of mine für eine für sein Alter außergewöhnliche Schauspielleistung sorgte und dafür den Silbernen Delfin mit nach Hause nehmen durfte. Zudem bestätigte Festroia auch die Vermutung, dass im Norden schauspielerische Talente möglicherweise reicher gesät sind als anderswo. Neben dem 10-jährigen Finnen ist die Schwedin Annika Hallin für ihre Rolle als Victoria in Kissed by winter Beleg dafür.

Legt man die Randmetapher kurz beiseite und steigt das Festroia-Siegerpodest ein Stück nach oben, kommt man zum Silbernen Delfin für das beste Drehbuch, der an Dagur Kari und Rune Schjott für Dark Horse ging. Es ist ein Film über (junge) Liebe und deren Konsequenzen. Ein zentrales Lebensthema wird hier mit Schwarzweiß-Material unorthodox aufgearbeitet. Auch Slowenien brachte es mit Gravehopping in die offizielle Auswahl und zudem zum Spezialpreis der großen Jury. Der Film von Jan Cvitkovi\0xB4c nähert sich dem gerne verdrängten Thema "Tod und Sterben" mit tiefsinnigen, aber durchaus erheiternden Grabreden des Hauptdarstellers Pero.

Ohne Schwarzweiß-Malerei

Großer Sieger des Festivals ist zum zweiten Mal in der Festivalgeschichte ein Film aus Israel. What a wonderful place von Eyal Halfon beleuchtet das Milieu der Prostituierten und Gastarbeiter in Israel. Der mit dem Goldenen Delphin und SIGNIS-Preis ausgezeichnete Streifen zeichnet auf differenzierte Weise das Leben jener Ausländer nach, die die Rolle der Palästinenser übernehmen müssen, nachdem diese durch den "Schutzwall" exterritorialisiert wurden. Ohne in Schwarzweiß-Malerei zu verfallen, zeigt Halfon, dass auch die Täter zu Menschlichkeit fähig und manchmal selbst nur Opfer sind. Cut.

Der Autor war Mitglied der SIGNIS-Jury des Filmfestivals Festroia 2006.

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